Vitamine: Wann werden sie als Wirkstoff eingesetzt?

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 24.10.2022 - 16:43 Uhr

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Vitamine" zugeordnet

 

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Vitamine sind organische Moleküle, die der Körper nur in kleinen Mengen benötigt. Bis auf eines, das Vitamin D, müssen sie mit der Nahrung aufgenommen werden, da sie der Organismus nicht selber bilden kann.

Normalerweise kann der tägliche Vitaminbedarf ausreichend durch eine ausgewogene Ernährung mit Obst, Gemüse und tierischen Produkten gedeckt werden. Daher sind Mangelerkrankungen bei uns selten. Vor der Einnahme von Vitamin-Präparaten sollte stets versucht werden, eine Unterversorgung durch entsprechende Ernährung auszugleichen.

Ein Vitaminmangel kann auftreten, wenn ein erhöhter Bedarf besteht (beispielsweise während der Schwangerschaft, der Stillzeit oder des Wachstums), der durch die Ernährung nicht ausreichend gedeckt wird. Auch Alkohol-Missbrauch kann zu einer Vitamin-Unterversorgung führen. Eine gestörte Vitaminaufnahme aus dem Darm kann während einer Antibiotika-Therapie auftreten. Angeborene oder krankheitsbedingte Aufnahmestörungen beziehungsweise (bei Vitamin D) Störungen der Synthese können behandlungsbedürftigen Vitaminmangel auslösen.

Folgende Symptome können auf die unzureichende Versorgung mit einem Vitamin hinweisen:

  • Mangel an Vitamin A (Axerophtol, Retinol) tritt durch Nachtblindheit, trockene und schuppige Haut in Erscheinung. Bei starkem Mangel und nicht erfolgtem Ausgleich durch Vitamin A-Gaben kann es zur Erblindung kommen.
  • Bei einem Vitamin D (Cholecalciferol)-Mangel können Knochenverformungen (Rachitis) oder Knochenerweichungen auftreten. Säuglinge und Kleinkinder erhalten Vitamin D-Präparate (oft in Kombination mit Fluorid) zur Vorbeugung von Knochenbildungsstörungen. Bestehen Osteoporose oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen, kann eine Vitamin D-Gabe die Therapie unterstützen. Bei einer Unterfunktion der Nebenschilddrüse werden vorwiegend synthetische Vitamin D-Abkömmlinge eingesetzt.
  • Symptome eines Vitamin E-Mangels sind beim Menschen nicht bekannt. Vitamin E (Tocopherol)-Präparate dienen der unterstützenden Behandlung rheumatischer Erkrankungen. Das Vitamin soll als Antioxidans vor Arteriosklerose und Krebserkrankungen schützen.
  • Vitamin K (Phytomenadion)-Präparate werden bei Säuglingen zur Vorbeugung von Blutungen unmittelbar nach der Geburt eingesetzt. Symptome eines Vitamin K-Mangels, wie eine verstärkte Blutungsneigung, können unter der Behandlung mit oder bei Überdosierung von (Antikoagulanzien) auftreten. Daher wird Vitamin K bei Gerinnungshemmern auch als Gegengift eingesetzt.
  • Mangel an Vitamin B1 (Aneurin, Thiamin) führt zu Störungen der Nervenfunktion, zu Nervenschmerzen, allgemeiner Leistungsschwäche und Blutarmut. Hier finden Präparate mit Vitamin B1 Anwendung.
  • Ein Vitamin B2 (Riboflavin)-Mangel tritt durch entzündete Einrisse der Mundwinkel oder Schleimhautentzündungen in Erscheinung und kann durch Gaben von Vitamin B2 ausgeglichen werden.
  • Symptome eines Vitamin B6 (Pyridoxin)-Mangels sind erhöhte Reizbarkeit, Störungen der Nervenfunktion, Muskelkrämpfe sowie Blutarmut. Hier muss Vitamin B6 ersetzt werden.
  • Vitamin B12 (Cyanocobalamin) kann nur mit Hilfe eines Bindeproteins (intrinsischer Faktor), welches in der Magenschleimhaut gebildet wird, in den Körper aufgenommen werden. Eine Unterversorgung kann Blutarmut bewirken sowie Störungen der Nervenfunktion und Nervenschmerzen verursachen. Bei schwerem Vitamin B12-Mangel in der Schwangerschaft können beim Ungeborenen Entwicklungsstörungen auftreten.
  • Der Folsäure-Bedarf ist insbesondere zu Beginn der Schwangerschaft gesteigert. Ein Mangel erhöht das Risiko für Missbildungen des zentralen Nervensystems beim ungeborenen Kind. Ein Folsäure-Defizit kann zudem Blutarmut auslösen.
  • Unterversorgung mit Nicotinamid (Nikotinsäureamid, Niacin) kann Hauterkrankungen (Pellagra), Magenschleimhaut-Blutungen sowie Nervenschäden hervorrufen.
  • Pantothensäure-Mangel äußert sich durch Benommenheit, Müdigkeit und Kribbeln in Armen und Beinen. Dexpanthenol, eine Vorstufe der Pantothensäure, kann die Wundheilung bei Hauterkrankungen fördern.
  • Eine Unterversorgung mit Vitamin C (Ascorbinsäure) führt zu Skorbut. Diese Krankheit, auch Scharbock genannt, besteht in der Zerstörung des Unterhautgewebes und der Schleimhäute, erhöhter Infektanfälligkeit, schwerer Muskelschwäche und tödlicher Herzschwäche. Skorbut war vor allem früher auf Schiffen gefürchtet. Erst als der britische Schiffsarzt James Lind Mitte des 18. Jahrhunderts zeigen konnte, dass Zitrusfrüchte gegen Skorbut halfen, verlor die Krankheit ihren Schrecken. Neben Zitronen- oder Limettensaft wurden auch Sauerkraut und Kartoffeln an Bord genommen. Auch an Land trat Skorbut auf, besonders in den Wintermonaten, wo Obst und Gemüse knapp war. Da heute Obst und Gemüse ganzjährig verfügbar sind, ist Skorbut bei uns heute nur noch selten. Bei anhaltender, einseitiger Ernährung kann sie als so genannter Junggesellen-Skorbut auftreten. Neben der Skorbutabwehr sollen Vitamin C-Präparate die Immunabwehr steigern und vor Erkältungen und grippalen Infekten schützen sowie der Arteriosklerose vorbeugen.
  • Bei einem Mangel an Biotin (Vitamin H) treten Hautentzündungen, brüchige Haare und Nägel sowie Muskelschwäche auf.
  • Mangel an Ubidecarenon (auch Vitamin Q10 genannt) kann sich in Störungen der Schlagfolge des Herzens äußern, diese Herzrhythmusstörungen können daher durch Gabe des Vitamins gelindert werden.

Wirkung

Vitamine werden auch Mikronährstoffe genannt, weil der Körper sie nur in winzigen Mengen braucht. Und doch sind sie lebenswichtig, denn sie sind an zahlreichen Stoffwechselvorgängen meistens als Katalysatoren beteiligt. Bei einer Vitamin-Unterversorgung kommt es daher zu Störungen des Stoffwechsels, meist erkennbar an charakteristischen Mangelerkrankungen.

Man unterscheidet zwischen fettlöslichen und wasserlöslichen Vitaminen:

  • Fettlösliche Vitamine (das sind A, D, E und K) können vom Körper nur in Anwesenheit von Fetten aufgenommen werden. Fettlösliche Vitamine werden im Körperfett gespeichert, wodurch sich bei stetiger überhöhter Zufuhr eine gesundheitsschädliche Überdosierung ergeben kann. Dies ist besonders bei Vitamin A und Vitamin D zu beachten.
  • Wasserlösliche Vitamine (B-Vitamine, Vitamin C, Folsäure, Pantothensäure, Biotin und Niacin) kann der Körper nur begrenzt speichern. Bei überhöhter Aufnahme werden sie über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden; daher sind Schäden durch Überdosierung selten.

Im Nachfolgenden sind die Funktionen der Vitamine kurz beschrieben und die empfohlene Tagesdosis genannt. Die Dosis entspricht dem Bedarf eines gesunden Menschens und berücksichtigt nicht besondere Zustände beziehungsweise Erkrankungen.

  • Vitamin A (Retinol) ist Bestandteil des Sehfarbstoffs in der Augennetzhaut, es ist notwendig für Aufbau und Funktion der Haut und fungiert als Antioxidans (Schutz der Zellhülle). Vitamin A kann nur bei ausreichender Zink-Versorgung in den Körper aufgenommen werden. In der Schwangerschaft können Überdosierungen das Ungeborene schädigen. Daher sollten in der Schwangerschaft Vitamin A-Präparate nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen und die Dosierungsanleitung unbedingt beachtet werden. Erwachsene benötigen täglich 1,1 Milligramm, Kinder 0,5 bis 1,1 Milligramm.

  • Vitamin D (Colecalciferol) bildet der Körper unter Sonnenbestrahlung in der Haut aus Cholesterin. Es ist wichtig für den Stoffwechsel von Calcium und Phosphat und fördert den Aufbau von Knochen und Zähnen. Säuglinge, Kinder und Erwachsene benötigen etwa 20 Mikrogramm täglich.Von März bis Oktober kann der Körper diese Menge selbst herstellen, wenn etwa ein Viertel der Körperoberfläche fünf bis fünfundzwanzig Minuten dem Sonnenlicht ausgesetzt wird. Nur bei Störungen des Vitamin D-Stoffwechsels werden Vitamin D3 oder seine Abkömmlinge Ergocalciferol oder Ergocalciferol + Kalzium eingesetzt.

  • Vitamin E (Tocopherol) fungiert als Antioxidans, das heißt, es schützt den Körper vor aggressiven Stoffwechselprodukten. Eine langzeitige Überdosierung kann eventuell Schäden hervorrufen. Normalerweise sollten Erwachsene 12 Milligramm, Kinder 4 bis 14 Milligramm aufnehmen.

  • Vitamin K (Phyllochinon, Phytomenadion) ist notwendig für die Bildung von Blutgerinnungsfaktoren in der Leber. Vitamin K-Präparate dürfen nicht mit Antikoagulanzien eingenommen werden, da sie deren Wirkung aufheben. Erwachsene benötigen 60 bis 80 Mikrogramm, Kinder 10 bis 50 Mikrogramm.

  • Vitamin B1 (Thiamin) ist wichtig für den Stoffwechsel der Kohlenhydrate. Der Bedarf von Erwachsenen liegt bei 1,2 Milligramm, von Kindern bei 0,3 bis 1,2 Milligramm. Eine Unterversorgung kann durch den Wirkstoff Benfotiamin behandelt werden.

  • Vitamin B2 (Riboflavin) ist notwendig für den Energiehaushalt des Körpers. Erwachsene benötigen 1,5 Milligramm, Kinder 0,5 bis 1,4 Milligramm.

  • Vitamin B3 (Nicotinamid, Nikotinsäureamid, Niacin) ist an verschiedenen Stoffwechselvorgängen vor allem der Nervenzellen beteiligt. Der Bedarf von Erwachsenen liegt bei 15 Milligramm, von Kindern bei 6 bis 15 Milligramm.

  • Vitamin B6 (Pyridoxin) spielt eine wichtige Rolle im Eiweiß-Stoffwechsel. Täglich brauchen Erwachsene 1,5 Milligramm, Kinder 0,4 bis 1,4 Milligramm.

  • Vitamin B12 (Cyanocobalamin) ist unentbehrlich für die Bildung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin). Erwachsene sollten 3 Mikrogramm täglich, Kinder 1 bis 3 Mikrogramm aufnehmen.

  • Folsäure ist wichtig für die Blutbildung. In der Schwangerschaft ist eine ausreichende Versorgung wichtig für die Entwicklung des Ungeborenen. Erwachsene benötigen 0,4 Milligramm, Kinder 0,05 bis 0,3 Milligramm.

  • Pantothensäure spielt bei einer Vielzahl von Stoffwechselreaktionen eine Rolle. Tagesbedarf von Erwachsenen: 10 Milligramm, von Kindern: 6 Milligramm.

  • Vitamin C (Ascorbinsäure) ist notwendig für die Bildung von Bindegewebe, Knochen, Knorpel und Zahnfleisch. Sie dient zudem als Antioxidans und schützt den Körper vor schädlichen Stoffwechselprodukten. In hohen Dosierungen kann Vitamin C abführend wirken. Bei langfristiger Überdosierung sind Nierenschäden durch Bildung von Vitamin C-Steinen nicht auszuschließen. Erwachsene benötigen 100 Milligramm, Kinder 50 bis 100 Milligramm täglich.

  • Vitamin H (Biotin) spielt sowohl im Fett-, im Eiweiß- als auch im Kohlenhydrat-Stoffwechsel eine wichtige Rolle. Der Tagesbedarf liegt für Erwachsene und Kinder bei 0,1 bis 0,2 Milligramm.

  • Vitamin Q 10 (Ubidecarenon) ist bei der Energiegewinnung der Zellen für die Muskeltätigkeit, also auch des Herzmuskels nötig.

Häufig werden verschiedene Wirkstoffe miteinander kombiniert, um Mangelerscheinungen vorzubeugen beziehungsweise eine vorhandene Unterversorgung auszugleichen. Beispiele für Wirkstoffkombinationen sind Benfotiamin + Vitamin B6, Retinol + Thiamin HCL + Kalzium Panthotenat oder Vitamin B1 + Vitamin B6.