Man sieht die Füße und Beine eines Kindes.
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Rachitis: Ursachen und Therapie

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte), Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 21.10.2021

Unsere Knochen sind dynamisch und werden im Alltag ständig mit Belastungen konfrontiert. Genau darauf sind sie auch ausgelegt – im Normalfall. Ein Vitamin D-Mangel kann diese Vorgänge stören und zu einer Rachitis führen. Was dahintersteckt, erfahren Sie hier.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Allgemeines

Rachitis (Englische Krankheit; Glisson-Krankheit; Knochenerweichung) ist eine Stoffwechselstörung, die vor allem bei Kindern vorkommt und unter anderem durch Vitaminmangel hervorgerufen wird. Rachitis führt zu einer Verkrümmung der Knochen, besonders im Rückgrat. Weitere Folgen sind

  • eine schwache Muskulatur,
  • schlechte Zahnbildung
  • sowie eine verminderte Immunabwehr.

Rachitis war während der Industriellen Revolution die "Standardkrankheit" von Kindern, die in den englischen Bergwerken arbeiten mussten und kaum an das Tageslicht kamen. Man nannte sie deshalb auch "englische Krankheit". Durch die Einführung der Vitamin D-Prophylaxe in den ersten Lebensjahren, ist die klassische Vitamin D-Mangel-Rachitis in Deutschland heute eine Seltenheit geworden.

Man unterscheidet zwei Formen der Rachitis. Die häufigere Vitamin-D-Mangel-Rachitis ist klassischerweise auf ein Fehlen des Vitamin D zurückzuführen. Die seltenere Vitamin-D-resistente Rachitis bildet sich trotz eines ausreichenden Angebots an Vitamin D durch verschiedene Gendefekte.

Übrigens: Tritt die Erkrankung im Erwachsenenalter auf, sprechen Mediziner*innen nicht von Rachitis, sondern von einer Osteomalazie.

Rachitis: Ursachen

Es gibt zahlreiche Ursachen für Störungen in der Vitamin D-Versorgung. Die wichtigsten sind in folgenden Gruppen zusammengefasst:

1. Vitamin D-Mangel:

Ein Mangel an Vitamin D kann auftreten durch die fehlende Zufuhr von Vitamin D oder dessen Vorstufen über die Nahrung sowie eine Minderaufnahme über den Darm (bei Darmerkrankungen) trotz eines ausreichenden Angebots.

Da aktive Vitamin D-Stufen auch in der Haut mit der Energie von UV-Strahlung gebildet werden, sind besonders ältere Menschen mit zu geringer Sonnenlichtbestrahlung betroffen. Dabei reicht bereits eine relativ geringe Sonnenbestrahlung von dreimal 15 Minuten pro Woche aus, um die benötigte Vitamin D-Menge bereitzustellen.

2. Störungen des Vitamin D-Stoffwechsels:

Vitamin D wird aus vielen Vorstufen über verschiedene Stoffwechselkreisläufe auch in der Leber und der Niere gebildet. So können Erkrankungen mit Leberfunktionsstörungen und Nierenfunktionsstörungen ebenfalls zu einem Mangel führen.

Rachitis: Therapie

Wann zum Arzt?

Eine ärztliche Untersuchung ist angeraten, wenn Kinder unter

  • Muskelschwäche,
  • auffälligen O- oder X-Beinen
  • und/oder zusätzlichen Gangstörungen

leiden. Auch Krämpfe sind in jedem Fall ärztlich abzuklären. Ebenso können Störungen in der Zahnentwicklung auf einen Vitamin D-Mangel hinweisen. Schlaffe Bauchdecken (so genannter Froschbauch) und anhaltende Verstopfung erfordern ebenfalls einen Arztbesuch.

Ärztliche Behandlung

Je nach Ursache wird bei einem Mangel Vitamin D in Form von Colecalciferol verabreicht oder zunächst die Grunderkrankung behandelt.

Bei Vitamin D-Stoffwechselstörungen werden je nach Erkrankung auch verschreibungspflichtige Vitamin D-Abkömmlinge verordnet, vor allem die Wirkstoffe Alfacalcidol und Calcitriol.

Was können Sie selbst tun?

Einer Rachitis ist durch ausreichend Sonnenlicht und eine ausgewogene Ernährung leicht vorzubeugen.

Vitamin D wird hauptsächlich (bis zu 90 Prozent) vom Organismus selbst gebildet, wenn Sonnenlicht in Form von UV-Strahlen auf die Haut trifft. Dabei reicht bereits eine relativ geringe Sonnenbestrahlung von dreimal 15 Minuten pro Woche aus, um die benötigte Vitamin D-Menge bereitzustellen.

Aus der Nahrung wird relativ wenig Vitamin D aufgenommen. Höchstens Fisch, Eigelb, Milch und Milchprodukte oder Rinderleber und natürlich allen voran Lebertran enthalten nennenswerte Mengen davon. In 100 Gramm Fischleberöl stecken beispielsweise 300 Mikrogramm Vitamin D, in 100 Gramm Hühnerei 2,4 Mikrogramm. Der Vitamin-D-Gehalt von Milch ändert sich mit der Jahreszeit. Im Sommer kann er die zehnfache Menge betragen.

Da das Vitamin recht hitzeunempfindlich ist, überlebt es auch Kochen und sogar Temperaturen bis 180 Grad Celsius. Auch längeres Lagern macht ihm nichts aus, sodass es auch in Käse, Sahne oder Butter enthalten ist. Säuglingsnahrung und Margarine werden oft zusätzlich mit Vitamin D angereichert. Pflanzliche Lebensmittel enthalten bis auf wenige Ausnahmen so gut wie kein Vitamin D, jedoch dessen Vorstufe Ergosterol.

Bei Kindern ist auf die Vitamin D-Prophylaxe im ersten Lebensjahr zu achten. Sie stellt eine Maßnahme zur Vermeidung der Vitamin D-Mangel-Rachitis dar.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. empfiehlt 5 Mikrogramm Vitamin D täglich für alle Altersgruppen ab dem ersten Lebensjahr. Für Säuglinge unter einem Lebensjahr und Menschen ab 65 Jahren wird die doppelte Menge angesetzt, also 10 Mikrogramm. Säuglinge nehmen nicht genug Vitamin D mit der Muttermilch auf und bekommen daher oft Ergänzungspräparate. Sie brauchen das Vitamin hauptsächlich zum Aufbau der Knochen und zur Vorbeugung von Rachitis.

Vegetarier*innen sollten besonders in den Wintermonaten auf ausreichende Zufuhr achten, da sie über die Nahrung bis zu 50 Prozent weniger Vitamin D aufnehmen als Fleisch- und Fischessende.

Nicht-verschreibungspflichtige Ergänzungspräparate enthalten in der Regel die Wirkstoffe Vitamin D3 und Calcium als Calciumcarbonat. Sie können einzeln oder in der Kombination Colecalciferol + Calciumcarbonat eingenommen werden.