Appetitlosigkeit
Verfasst von Wiebke Posmyk • Medizinredakteurin
Geprüft von Dr. med. Frauke Gehring • Allgemeinärztin
Das Lieblingsessen steht auf dem Tisch. Perfekt! Nur eine Sache fehlt: der Appetit. Wenn die Lust am Essen plötzlich nicht mehr da ist, muss das nicht unbedingt auf eine Erkrankung hinweisen. Hält Appetitlosigkeit (Inappetenz) jedoch länger an, sollten Sie ihr auf den Grund gehen.

Inhaltsverzeichnis
Guter Appetit gilt oft als Zeichen von Gesundheit. Grundsätzlich stimmt das auch – wenn man einmal von krankhaftem Heißhunger absieht. Besonders in Stresssituationen, in Trauerphasen, bei großer Aufregung oder Liebeskummer bleibt das Bedürfnis nach Essen oft auf der Strecke. Appetitlosigkeit hat dann jedoch keinen Krankheitswert und ist kein Grund zur Sorge.
Wenn Sie aber immer wieder oder sogar andauernd unter Appetitlosigkeit leiden, kann das Zeichen einer Erkrankung sein.
Was ist eigentlich Appetit und wann spricht man von Appetitlosigkeit?
Der Appetit, also die Lust aufs Essen, wird im zentralen Nervensystem (ZNS) gesteuert. Verschiedene Botenstoffe (Neurotransmitter) wie zum Beispiel Serotonin beeinflussen, wie stark der Appetit gerade ist. Der Appetit ist von ganz unterschiedlichen Faktoren abhängig: Dazu zählen etwa körperliche Anspannung, die aktuelle Gefühlslage, aber auch Sinneseindrücke wie Aussehen, Geruch oder Geschmack des Essens. Nicht zuletzt spielt natürlich auch eine Rolle, wie voll der Magen gerade ist.
Unter Appetitlosigkeit (auch: Inappetenz) versteht man ein fehlendes Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme. Länger anhaltende Appetitlosigkeit bezeichnen Ärzte als Anorexie.
Appetitlosigkeit: Ursachen
Appetitlosigkeit (Inappetenz) kann sehr viele und sehr unterschiedliche körperliche oder psychische Ursachen haben. Mangelnder Appetit kann Symptom einer Krankheit oder Zeichen einer beginnenden Erkrankung sein. Aber auch Stress oder bestimmte Medikamente können zur Appetitlosigkeit führen.
Häufige Ursachen von Appetitlosigkeit sind z.B.:
- Stress/psychische Anspannung, Probleme
- psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen
- Magen-Darm-Erkrankungen, z.B. Magen-Darm-Infekt, Magenschleimhautentzündung
- Infektionskrankheiten wie Grippe
- Medikamente
Psychische Ursachen von Appetitlosigkeit
Appetitlosigkeit kann psychische Ursachen haben. Ärger und Stress können regelrecht den Appetit verderben. So vergessen manche Menschen buchstäblich das Essen, wenn sie berufliche oder private Probleme haben. Und auch psychische Erkrankungen können mit Appetitlosigkeit verbunden sein. So haben beispielsweise Menschen, die an einer Depression leiden, oft keinen Appetit und verlieren an Gewicht.
Appetitlosigkeit und Essstörungen
Bei Magersucht, aber auch bei anderen Essstörungen wie der Ess-Brech-Sucht (Bulimie), sind das Verhältnis zum Essen und das normale Hungergefühl grundlegend gestört. Oft haben die Betroffenen zwar Appetit, sie erlauben sich aber nicht, etwas zu sich zu nehmen.
© iStock

Körperliche Ursachen von Appetitlosigkeit
Appetitlosigkeit (Inappetenz) ist häufig auf Erkrankungen des Verdauungstrakts zurückzuführen. Dazu zählen zum Beispiel:
- Magenverstimmung, z.B. durch zu fettes Essen
- Magen-Darm-Infekt
- Lebensmittelvergiftung
- Nahrungsmittelunverträglichkeit (wie Laktoseintoleranz, Zöliakie)
- Reizmagen
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen (z.B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Magenschleimhautentzündung (Gastritis)
- Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür (Ulcus ventriculi bzw. Ulcus duodeni)
- Lebererkrankungen, z.B. eine Leberentzündung (Hepatitis)
- Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, z.B. eine Bauchspeicheldrüsenentzündung
Bösartige Erkrankungen des Magens oder des Darms können ebenfalls mit Appetitlosigkeit einhergehen – zum Beispiel Magenkrebs. Krebs ist nur eine von vielen möglichen Ursachen für mangelnden Appetit.
Weitere mögliche Ursachen
Weitere mögliche Ursachen und Auslöser für Appetitlosigkeit sind – neben vielen anderen:
- beginnende oder akute Infekte, z.B. eine Grippe
- Herzerkrankungen, z.B. Herzschwäche
- Diabetes mellitus
- neurologische Erkrankungen (wie Demenz)
- Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
- bestimmte medizinische Behandlungen wie Chemotherapie oder Strahlenbehandlung
- Medikamente wie Digitalis (Herzglykoside, Mittel gegen Herzinsuffizienz), Antidepressiva oder Appetitzügler
- Krebserkrankungen
Appetitlosigkeit im Alter
Ältere Menschen leiden häufiger unter fehlendem Appetit. Ein Grund: Sinneseindrücke wie Geschmacks- und Geruchssinn nehmen mit dem Alter ab. Senioren verspüren weniger Hunger und verlieren außerdem ihr Durstgefühl. Das kann dazu führen, dass sie ungewollt abnehmen und regelrecht austrocknen (Dehydration).
Appetitlosigkeit: Diagnose
Wenn Appetitlosigkeit (Inappetenz) länger als wenige Tage anhält, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Um die mögliche Ursache einzugrenzen, benötigt der Arzt einige Informationen und wird daher einige Fragen stellen, zum Beispiel:
- Wie lange besteht die Appetitlosigkeit bereits?
- Stehen Sie unter psychischer Anspannung, z.B. durch eine berufliche oder private Veränderung?
- Nehmen Sie aktuell Medikamente ein? Wenn ja, welche?
- Haben Sie etwas an Ihrer Ernährung geändert?
- Haben Sie ohne ersichtlichen Grund abgenommen?
- Leiden Sie unter weiteren Beschwerden (wie Abgeschlagenheit, Durchfall, Schmerzen, Fieber, Nachtschweiß)?
- Sind bei Ihnen Erkrankungen bekannt? Wenn ja, welche?
Anschließend wird der Arzt seinen Patienten gründlich körperlich untersuchen. So misst er möglicherweise die Temperatur, den Puls und den Blutdruck. Je nachdem, welche Ursache der Mediziner vermutet, schließen sich weitere Ursachen an, z.B.
- ein EKG und/oder eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Verdauungsorgane,
- eine Blutuntersuchung,
- eine Magen- oder Darmspiegelung oder
- eine Urin- und eine Stuhlprobe.
Wenn Sie unter Appetitlosigkeit leiden, kann es sinnvoll sein, dass Sie ihr Gewicht regelmäßig kontrollieren. Ob Ihr Gewicht im Normalbereich liegt, können Sie mithilfe des Body Mass Index (BMI) berechnen.
Appetitlosigkeit: Was tun?
Vorübergehende Appetitlosigkeit ist meist harmlos und bedarf keiner Therapie. Hält der mangelnde Appetit jedoch über längere Zeit an, richtet sich die Behandlung nach der jeweiligen Ursache. Einige Beispiele:
- Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit hilft oftmals eine spezielle Diät gegen die Beschwerden.
- Bei einer Magenverstimmung empfiehlt sich Schonkost.
- Bei einer Magenschleimhautentzündung kommen oft spezielle Medikamente, sogenannte Säureblocker (Protonenpumpenhemmer), zum Einsatz. Zudem ist es wichtig, vorübergehend auf Alkohol und Nikotin zu verzichten.
- Ist die Appetitlosigkeit die Nebenwirkung eines Medikaments, wird der Arzt möglicherweise vorschlagen, ein Ausweichpräparat einzusetzen. Achtung: Dauerhaft notwendige Medikamente sollten Sie nicht eigenmächtig, sondern nur nach Rücksprache mit dem Arzt absetzen.
Ist der Appetitmangel psychisch bedingt und mit einem hohen Leidensdruck verbunden, kann es hilfreich sein, das mit dem Hausarzt zu besprechen und nachfolgend eventuell Kontakt zu einem Psychologen beziehungsweise Psychotherapeuten aufzunehmen.
Ernährungs- und Essverhalten
Ein fehlerhaftes Ernährungs- und Essverhalten hat oft einen psychischen Hintergrund. Daher ist grundsätzlich wichtig, die genauen Auslöser der Appetitlosigkeit zu ergründen und nach Möglichkeit aufzuarbeiten. Vor allem bei Essstörungen (wie z.B. Magersucht) und anderen psychischen Erkrankungen ist eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung wichtig.
Generell empfiehlt sich: Nehmen Sie sich Zeit zum Essen. Besonders das gemeinsame Essen in geselliger Runde kann das Appetitgefühl wieder aufleben lassen. Um den Appetit wieder anzuregen, sind zudem mehrere kleine Mahlzeiten anstatt einer großen ratsam.
Appetitanregende Mittel
Verschiedenen pflanzlichen Mitteln, insbesondere solchen mit Bitterstoffen, wird eine appetitsteigernde Wirkung nachgesagt. Hierzu zählen etwa Wermut oder Angelikawurzel. Auch eine Tasse Ingwertee kann appetitanregend sein. Andere Wirkstoffe wiederum fördern den Speichelfluss und die Magensaftsekretion. Meist sind diese Stoffe als Tees, Säfte oder Kapseln in der Drogerie oder Apotheke erhältlich.
Bei dauerhafter Appetitlosigkeit können verschiedene Medikamente dabei helfen, den Appetit anzuregen. Solche Mittel sollten Sie nur in Absprache mit Ihrem Arzt einnehmen.
Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2020
Füeßl, H., Middecke, M.: Duale Reihe Anamnese und klinische Untersuchung. Thieme, Stuttgart 2018
Inappetenz. Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Stand: April 2016)
Hartmann, L.: Beratungskompetenz Magen und Darm in der Apotheke. Springer, Berlin Heidelberg 2012
Siegenthaler, W.: Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten. Vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2012
Müller, C., et al.: Ernährung in Prävention und Therapie: Ein Lehrbuch. Hippokrates, Stuttgart 2009
Weitere Informationen
ICD-10-Diagnoseschlüssel:
Hier finden Sie den passenden ICD-10-Code zu "Appetitlosigkeit":
Letzte inhaltliche Prüfung: 03.01.2020
Letzte Änderung: 14.05.2020