Sjögren-Syndrom: Symptome, Therapie und Lebenserwartung
Brennende Augen, trockener Mund und ständige Müdigkeit: Diese Beschwerden können Anzeichen für das Sjögren-Syndrom sein. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise Tränen- und Speicheldrüsen angreift. Was das für Betroffene bedeutet, lesen Sie hier.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Sjögren-Syndrom
Auffällig sind zunächst die trockenen Augen und der trockene Mund, mit gezielten Untersuchungen und Tests lässt die Diagnose sich bestätigen.
In den meisten Fällen wird die Diagnose zwischen den 40. und 60. Lebendjahr gestellt.
Menschen mit Sjögren-Syndrom haben eine normale Lebenserwartung, allerdings ein erhöhtes Risiko für das Auftreten bestimmter Krebsarten. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sind deshalb von großer Bedeutung.
Nein, es handelt sich um eine chronische Erkrankung, die Betroffene ein Leben lang begleitet.
Was ist das Sjögren-Syndrom?
Das Sjögren-Syndrom (gesprochen: Schögren) gehört zur Gruppe der Kollagenosen: Das sind chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankungen, die den gesamten Körper betreffen können. Ihren Namen hat die Erkrankung von dem schwedischen Augenarzt Henrik Sjögren, der das Syndrom erstmals wissenschaftlich beschrieben hat.
Das körpereigene Abwehrsystem greift irrtümlich die Drüsen an, die normalerweise Tränenflüssigkeit, Speichel und andere Körperflüssigkeiten produzieren. In der Folge kommt es zu Trockenheit – vor allem an den Augen und im Mund. Auch andere Schleimhäute wie in Nase, Rachen, Vagina oder Bronchien können betroffen sein. Diese Symptome werden auch unter dem Begriff "Sicca-Syndrom" zusammengefasst.
Auch andere Organe können geschädigt werden – zum Beispiel Lunge, Nieren, Nerven oder Gelenke. Die Beschwerden entwickeln sich langsam über Monate oder Jahre. Erste Anzeichen sind meist trockene, brennende Augen oder ein trockener Mund.
Fachleute unterscheiden zwei Formen:
primäre Form: tritt ohne eine andere Autoimmunerkrankung auf
sekundäre Form: entwickelt sich im Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung wie zum Beispiel Rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematodes
Nach der rheumatoiden Arthritis ist das Sjögren-Syndrom die zweithäufigste rheumatische Erkrankung. In Deutschland sind etwa 400.000 Menschen davon betroffen – Frauen erkranken etwa zehnmal häufiger als Männer. Die Diagnose wird meist im Alter zwischen 40 und 60 gestellt.
Symptome des Sjögren-Syndroms
Typisch ist eine ausgeprägte Trockenheit der Augen und des Mundes (Sicca-Symptomatik). Betroffene klagen über brennende, juckende Augen, ein Fremdkörpergefühl ("Sand in den Augen") sowie eine gerötete und entzündete Bindehaut. In schweren Fällen kann die Hornhaut Schaden nehmen und das Sehvermögen beeinträchtigt werden.
Auch der Mund ist oft stark betroffen. Der Speichelfluss nimmt ab, was zu
- Mundtrockenheit (Xerostomie),
- schlechtem Geschmack,
- Mundgeruch und
- Problemen beim Kauen, Sprechen oder Schlucken führen kann.
Die gereizte Schleimhaut ist anfälliger für Entzündungen, Pilzinfektionen und Karies. Zusätzlich entzünden sich bei etwa einem Drittel der Betroffenen zeitweise die Speicheldrüsen – meist die Ohrspeicheldrüsen – und schwellen schmerzhaft an.
Viele Betroffene leiden zudem unter einer ausgeprägten Erschöpfung – der sogenannten Fatigue. Sie äußert sich als bleierne Müdigkeit, die auch durch Schlaf nicht besser wird, und kann den Alltag stark beeinträchtigen.
Weitere mögliche Beschwerden |
Gelenk- und Muskelschmerzen, gelegentlich auch Gelenkentzündungen |
trockene Haut, oft mit Juckreiz |
Schlafstörungen |
Durchblutungsstörungen in Fingern und Zehen (Raynaud-Syndrom) |
Trockenheit der Scheidenschleimhaut, dadurch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr möglich |
wiederkehrende Atemwegsinfekte |
Atembeschwerden und Reizhusten |
Polyneuropathien (Nervenstörungen mit Kribbeln oder Taubheitsgefühl in Händen und Füßen) |
Nierenschäden |
Sjögren-Syndrom: Ursachen und Risikofaktoren
Das Sjögren-Syndrom gehört zu den Autoimmunerkrankungen. Das bedeutet: Das Immunsystem richtet sich irrtümlich gegen körpereigenes Gewebe. Warum diese Fehlsteuerung des Immunsystems auftritt, ist bisher nicht eindeutig geklärt.
Fachleute gehen jedoch davon aus, dass eine erbliche Veranlagung eine wichtige Rolle spielt: Viele Betroffene haben Angehörige, die ebenfalls an einer Autoimmunerkrankung leiden. Auch äußere Einflüsse wie
- Infektionen mit bestimmten Viren oder Bakterien (z. B. Hepatitis-C-Virus oder Helicobacter pylori),
- hormonelle Veränderungen oder
- starker psychischer Stress gelten als Risikofaktoren.
Ein erhöhtes Risiko besteht für Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. So entwickelt etwa ein Drittel der Patient*innen mit rheumatoider Arthritis, systemischem Lupus erythematodes oder anderen sogenannten Kollagenosen zusätzlich ein Sjögren-Syndrom.
Sjögren-Syndrom: Untersuchungen und Diagnose
Da Augentrockenheit und ein trockener Mund viele Ursachen haben können, wird das Sjögren-Syndrom häufig erst spät erkannt – oft vergehen Jahre bis zur Diagnose. Der erste Schritt ist ein ausführliches Gespräch über die Beschwerden, mögliche Vorerkrankungen und eingenommene Medikamente (Anamnese).
Danach erfolgen verschiedene Untersuchungen:
Schirmer-Test: Damit wird geprüft, ob die Tränendrüsen ausreichend Flüssigkeit produzieren. Dazu wird ein spezieller Papierstreifen in den Bindehautsack des Auges gelegt – färbt er sich nicht ein, fehlt Tränenflüssigkeit.
Saxon-Test: Um die Speichelproduktion zu messen, kaut die betroffene Person zwei Minuten lang auf einer Mullkompresse. Diese wird anschließend gewogen.
bildgebende Verfahren: Erhärtet sich der Verdacht, kommen bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Szintigraphie oder Kernspintomographie zum Einsatz. So lassen sich Veränderungen an den Speicheldrüsen sichtbar machen.
Blutuntersuchung: Typischerweise finden sich im Blut bestimmte Autoantikörper, vor allem SS-A(Ro)- und SS-B(La)-Antikörper. Diese sind jedoch nicht bei allen Betroffenen nachweisbar.
In unklaren Fällen kann eine Gewebeprobe (Biopsie) aus einer Speicheldrüse helfen, die Diagnose zu sichern. Dabei wird unter örtlicher Betäubung eine kleine Menge Drüsengewebe entnommen und unter dem Mikroskop untersucht.
Behandlung: Wie wird das Sjögren-Syndrom therapiert?
Das Sjögren-Syndrom ist bislang nicht heilbar. Ziel der Behandlung ist es daher, die Beschwerden zu lindern, Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität zu verbessern. Betroffene sollten idealerweise von einem Team aus verschiedenen Fachrichtungen betreut werden – zum Beispiel aus der Rheumatologie, Augenheilkunde, Zahnmedizin, HNO und Gynäkologie.
Welche Maßnahmen infrage kommen, hängt von den jeweiligen Symptomen ab. Dabei kann eine Kombination aus Medikamenten und unterstützenden Maßnahmen sinnvoll sein.
Mögliche medikamentöse Therapien sind:
Künstliche Tränen: Sie befeuchten die Augen und lindern das Brennen – Anwendung tagsüber als Tropfen und nachts als Salbe oder Gel
Medikamente: Wirkstoffe wie Pilocarpin oder Cevimelin zur Anregung der Tränen- oder Speichelproduktion
Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): Beispielsweise Diclofenac oder Ibuprofen gegen Entzündungen und Schmerzen
Glukokortikoide: Kortison bei stärkeren Entzündungen
Malariamittel: Beispielsweise Hydroxychloroquin gegen Gelenkbeschwerden
Immunsuppressiva: Wirkstoffe wie Azathioprin oder Methotrexat unterdrücken das Immunsystem und wirken gegen Entzündungen im Körper
Biologika: Arzneimittel mit Rituximab bei schweren Verläufen – insbesondere wenn innere Organe betroffen sind
Ergänzende Alltagstipps für Betroffene |
mindestens zwei Liter täglich trinken (Wasser und ungesüßter Tee) |
zuckerfreie Kaugummis oder Bonbons regen die Speichelproduktion an |
künstlicher Speichel oder Mundsprays für die Mundschleimhaut |
fluoridhaltige, milde Zahnpasta zum Schutz vor Karies |
trockene Raumluft vermeiden, eventuell einen Luftbefeuchter verwenden |
Sonnenbrille oder Schutzbrille schützen die Augen vor Wind und trockener Luft |
Vaginalcremes gegen Scheidentrockenheit |
rückfettende Pflegeprodukte bei trockener Haut |
regelmäßige Ruhepausen oder ein kurzer Mittagsschlaf gegen Müdigkeit |
Verlauf und Prognose beim Sjögren-Syndrom
Das Sjögren-Syndrom ist meist nicht lebensbedrohlich. Viele Betroffene haben eine normale Lebenserwartung, insbesondere wenn die Krankheit früh erkannt und ausreichend behandelt wird.
Allerdings kann die Lebensqualität durch chronische Beschwerden und mögliche Organbeteiligungen eingeschränkt sein. In seltenen Fällen kann es zu ernsthaften Komplikationen kommen, etwa zu schweren Lungenveränderungen, Nierenversagen oder bösartigen Erkrankungen wie Lymphomen.
Besonders bei der primären Form ist das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen erhöht. Beim sekundären Sjögren-Syndrom richtet sich die Prognose in erster Linie nach der zugrunde liegenden Erkrankung, etwa einer rheumatoiden Arthritis oder Lupus.
Ärztlicher Rat ist wichtig bei:
- schmerzhafter Schwellung der Ohrspeicheldrüse, die länger als eine Woche anhält
- unklarer Gewichtsabnahme, Fieber oder nächtliches Schwitzen
- anhaltenden Atembeschwerden oder Nierensymptome
- neu auftretenden Taubheitsgefühle in Händen oder Füßen
Diese Beschwerden können auf Komplikationen oder ein erhöhtes Lymphomrisiko hinweisen.
Lässt sich dem Sjögren-Syndrom vorbeugen?
Eine gezielte Vorbeugung ist bislang nicht möglich. Dennoch gilt: Wer länger unter Trockenheit im Mund oder an Augentrockenheit leidet, sollte die Beschwerden frühzeitig ärztlich abklären lassen.