Frau sitzt auf Sofa und berührt ihr Bein aufgrund von Taubheitsgefühlen.
© Getty Images/dragana991

Taubheitsgefühl: Ursachen und Behandlung von Hypästhesie

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin), Romina Enz (Medizinredakteurin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 17.09.2024

Taubheitsgefühle (Hypästhesie) in Finger, Fingerspitzen, Fuß, Bein oder Gesicht können unangenehm und störend sein. Ursachen für die veränderte Wahrnehmung gibt es viele. Häufig ist ein Taubheitsgefühl harmlos und verschwindet nach kurzer Zeit von selbst. Es kann aber auch ernstzunehmende Gründe geben. Was hinter der Missempfindung stecken kann.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antwort zum Thema Taubheitsgefühl

Ja, Stress kann durch Muskelverspannungen vorübergehende Taubheitsgefühle auslösen, besonders in den Händen und im Gesicht.

Häufige Ursachen sind das Karpaltunnelsyndrom, diabetische Polyneuropathie, Bandscheibenvorfall, Vitamin-B12-Mangel und eingeklemmte Nerven.

Ja, bei einem Bandscheibenvorfall kann es durch Druck auf Nerven zu Taubheit in den Beinen kommen, oft begleitet von Schmerzen.

Taubheitsgefühl: Wie zeigt sich Hypästhesie?

Bei einem Taubheitsgefühl ist das Berührungsempfinden der Haut herabgesetzt. Betroffene haben das Gefühl, dass ein bestimmter Bereich der Haut (zum Beispiel die Hand) teilweise oder gänzlich ohne Empfinden ist. Er wirkt möglicherweise wie abgestorben oder eingeschlafen.

Taubheitsgefühle zählen zu den Sensibilitätsstörungen. Der Fachausdruck für Taubheitsgefühle lautet Hypästhesie.

Je nachdem, wie sich das Taubheitsgefühl äußert, handelt es sich um eine bestimmte Form der Hypästhesie:

  • Taktile Hypästhesie: Das Berührungs- und Druckempfinden ist herabgesetzt.
  • Thermhypästhesie: Das Hitze- oder Kälteempfinden ist abgeschwächt.
  • Hypalgesie: Die Schmerzempfindlichkeit ist verringert.
  • Pallhypästhesie: Vibrationen werden weniger wahrgenommen.

Einen vollständigen Sensibilitätsausfall bezeichnet man als Anästhesie. Diese kann krankheitsbedingt sein oder bewusst als örtliche Betäubung (Lokalanästhesie) oder Narkose herbeigeführt werden.

Wo treten Taubheitsgefühle häufig auf?

Ein Taubheitsgefühl tritt häufig an den Gliedmaßen auf, also an Armen oder Beinen. Das taube Gefühl kann sich dabei ein- oder beidseitig einstellen. Taube Finger oder Zehen kommen ebenfalls häufiger vor. Am Rumpf oder im Gesicht treten Taubheitsgefühle dagegen eher selten auf. Eine Hypästhesie kann sich jedoch auch hier halb- oder beidseitig zeigen.

Je nach Ursache begleiten das Taubheitsgefühl weitere Symptome, wie:

Verschwindet das Taubheitsgefühl von alleine, kann es danach zu einem typischen Kribbeln in den betroffenen Körperteilen kommen. 

Achtung: Sollten einseitig Taubheitsgefühle und Lähmungserscheinungen in Arm oder/und Bein auftreten, kann ein lebensgefährlicher Schlaganfall vorliegen. Weitere Anzeichen sind oft Sprach- und Sehstörungen sowie Schwindel und Kopfschmerzen. Treten diese Symptome auf, sollte in jedem Fall der Notruf (112) verständigt werden. 

Woher kommt ein Taubheitsgefühl? Mögliche Ursachen der Hypästhesie

Taubheitsgefühle können unterschiedliche Ursachen haben, etwa eine Durchblutungsstörung im betroffenen Körperteil oder eine Nervenschädigung.

Die Dauer des Taubheitsgefühls kann bereits einen Hinweis auf die Ursache geben. Ein vorübergehendes Taubheitsgefühl tritt beispielsweise häufig auf, wenn durch eine ungünstige Körperhaltung ein Nerv abgeklemmt wird. Das kann unter anderem durch das Abstützen des Oberarms über eine Stuhllehne oder längeres Liegen auf den Ellenbogen in Bauchlage entstehen. 

Auch bei einer ungünstigen Schlafposition, bei der die Arme schlecht durchblutet werden oder wenn man die Beine länger übereinanderschlägt, können Taubheitsgefühle entstehen beziehungsweise die Arme oder Beine "einschlafen".

Weitere mögliche Ursachen für ein Taubheitsgefühl sind zum Beispiel:

Taubheitsgefühl in Arm, Hand oder Finger

Andauernde Taubheitsgefühle in der Hand und den Fingern können unter anderem auf ein Karpaltunnelsyndrom hindeuten. Der Karpaltunnel befindet sich im Handgelenk und wird von Sehnen und dem sogenannten Mittelnerv (Medianusnerv) durchzogen. Ist er zu eng, entsteht Druck auf den Mittelnerv, was zu Taubheit und Empfindungsstörungen führen kann. Häufig beginnen die Missempfindungen an den Fingerspitzen von Daumen-, Zeige- und Mittelfinger. Die Beschwerden treten zudem in der Regel nachts oder nach Handarbeit auf. 

Weitere Gründe für andauernde Taubheitsgefühle in den Händen können sein:

  • Muskelverspannungen im Nackenbereich
  • Stoffwechselstörungen wie Diabetes 
  • Nährstoffmangel, zum Beispiel ein Vitamin-B12-Mangel

Gelegentlich auftretende Taubheitsgefühle der Hand zum Beispiel am Morgen beim Aufstehen sind meist harmlos und auf eine ungünstige Schlafposition zurückzuführen. 

Taubheitsgefühl im Arm

Taubheitsgefühle im Arm können viele Ursachen haben. Dazu zählen unter anderem:

  • Schlaganfall und Herzinfarkt: Fühlt sich ein Arm plötzlich taub an und liegen weitere Symptome wie Sprachstörungen, Kopfschmerzen, Benommenheit, Lähmungen und Gangstörungen vor, kann dies auf einen Schlaganfall hindeuten. Strahlen die Missempfindungen und mitunter Schmerzen in den Oberkörper, Hals, Kiefer, die Schulterblätter oder den Oberbauch aus, kann ein Herzinfarkt vorliegen. Beide Vorfälle sind Notfälle und müssen ärztlich abgeklärt werden (Notruf 112 wählen). 

  • HWS-Syndrom: Auch ein HWS-Syndrom, bei dem es zu verschleißbedingten Veränderungen der Wirbel oder zu Entzündungen im Bereich der Halswirbelsäule kommt, kann zu Taubheitsgefühlen und Kribbeln in Armen und Nackenbereich führen. Generell sind Veränderungen der Wirbelsäule wie ein Bandscheibenvorfall mögliche Auslöser von Missempfindungen im Körper. Dabei ist entscheidend, in welchem Bereich die Wirbelsäule betroffen ist. Abhängig davon sind Auswirkungen an verschiedenen Körperstellen spürbar.

  • Bandscheibenvorfall der HWS: Taubheitsgefühle oder Kribbeln im Arm, häufig begleitet von Schmerzen, können auf einen Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule (HWS) hindeuten. Dabei wird durch den Vorfall der Bandscheibe eine Nervenwurzel abgeklemmt, was zu den Symptomen führen kann.

  • Guillain-Barré-Syndrom: Taubheit und Kribbeln in Armen und Beinen können zudem auf das Guillain-Barré-Syndrom hinweisen, das nach viralen oder bakteriellen Infektionen auftreten kann. Die Nervenerkrankung geht aber meist mit weiteren Symptomen wie Gangschwierigkeiten, Seh-, Sprach- und Schluckstörungen einher. Unter anderem ist das GBS-Risiko nach einer Corona-Infektion erhöht. Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 wiederum senkt die Wahrscheinlichkeit, GBS zu entwickeln.

Taubheitsgefühl in Bein, Fuß und Zehen

Die folgenden Ursachen können hinter Taubheitsgefühlen in den Beinen, Füßen oder Zehen stecken:

  • Nervenschädigungen: Empfindungsstörungen der Beine, Füße und Zehen sind häufig auf Probleme der Wirbelsäule und gereizte Nerven zurückzuführen. Ist ein Nerv am Rückenmark oder im Verlauf des Beines geschädigt, kann es zu Taubheit im Bein kommen.

  • Bandscheibenvorfall in der LWS: Eine Hypästhesie kann auch infolge eines Bandscheibenvorfalls entstehen. Drückt eine Bandscheibe eine Nervenwurzel zusammen, kann es zu Empfindungsstörungen kommen. Ein Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS) ist eine mögliche Ursache für ein Taubheitsgefühl der Beine.

  • Ischias: Auch Schmerzen ausgehend vom Ischiasnervs (Nervus ischiadicus) können von Taubheit im hinteren Bereich des Beins begleitet werden.

  • Polyneuropathie: Taubheitsgefühle gelten als typisches Symptom für eine Polyneuropathie, eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Diese tritt zum Beispiel häufiger bei Menschen mit Diabetes mellitus als sogenannte diabetische Polyneuropathie auf. Dabei ist die Empfindsamkeit der Füße deutlich vermindert, sodass es unbemerkt zu ernsten Verletzungen kommen kann.

  • falsches Schuhwerk: Taube Zehen oder ein Taubheitsgefühl im Fuß zum Beispiel auf der Oberseite wiederum können auch durch zu enges Schuhwerk oder das ständige Tragen von High-Heels begünstigt werden.

  • Morton Neurom: Dabei handelt es sich um eine Verdickung der Nerven im Mittelfuß, die neben Taubheit vor allem in den Zehen zu Schmerzen führt. 

  • Fehlstellungen: Fehlstellungen der Beine oder Füße können zu einem falschen Gangbild und Fehlbelastungen führen, welche wiederum Taubheitsgefühle in Zehen oder dem Fuß auslösen können. 

  • Tarsaltunnelsyndrom: Im Bereich des Innenknöchels verläuft der Tarsaltunnel. Er wird vom Nervus tibialis (Schienbeinnerv) durchzogen. Entsteht zu viel Druck, kommt es zu Empfindungsstörungen im Fuß und mitunter zu seitlichen Fersenschmerzen

  • Muskelverhärtungen: Ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel kann unter anderem auf eine verhärtete Muskulatur des Oberschenkels oder im Bereich der Leiste zurückgeführt werden.

Taubheitsgefühl im Gesicht

Fühlen sich Bereiche des Gesichts taub an oder kribbeln, kann dies von der Wirbelsäule, genauer der Halswirbelsäule, herrühren. Ebenso kann eine Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) hinter den Gefühlsstörungen stecken. Die CMD ist eine Störung des Kausystems, die den Kiefer und die Kaumuskulatur betrifft.

Taubheitsgefühl: Wie erfolgt die Diagnose von Hypästhesie?

Um herauszufinden, wodurch das Taubheitsgefühl entsteht, benötigt der*die Arzt*Ärztin einige Informationen von Betroffenen, wie zum Beispiel:

  • Wann ist das Taubheitsgefühl zum ersten Mal aufgetreten?
  • Hält die Hypästhesie seitdem an oder verschwindet sie zwischendurch wieder?
  • Tritt die Hypästhesie ein- oder beidseitig auf?

Entscheidend ist auch, ob das Taubheitsgefühl nach einem bestimmten Vorfall aufgetreten ist, beispielsweise nach einer ungeschickten Bewegung oder nach einem Unfall. Ein wichtiger Aspekt für die Diagnose sind außerdem mögliche Vorerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus, die bei einer Hypästhesie als mögliche Ursache infrage kommen.

Zusätzlich wird versucht, mithilfe einer körperlichen Untersuchung genauer herauszufinden, welcher Bereich von dem Taubheitsgefühl betroffen ist. Sind nur einige Finger oder die ganze Hand betroffen? Fühlen sich mehrere Stellen am Körper taub an oder kribbeln? Auf diese Weise lassen sich mögliche Nervenschädigungen oft schon aufspüren. Um neurologische Ausfälle festzustellen, werden zudem die Eigenreflexe, das Gehör, die visuelle Wahrnehmung (der Sehsinn) und der Gleichgewichtssinn der Betroffenen geprüft.

Je nach vermuteter Ursache der Hypästhesie können weitere Untersuchungen notwendig sein, so zum Beispiel:

Länger bestehende Missempfindungen sollten ärztlich abgeklärt werden. Neurolog*innen sind häufig eine gute Anlaufstelle, wenn es um Taubheitsgefühle und Kribbeln geht.

Taubheitsgefühl: Welche Therapie gibt es?

Bei einem Taubheitsgefühl richtet sich die Therapie nach der jeweiligen Ursache. Ist das Taubheitsgefühl das Begleitsymptom einer bestehenden Grunderkrankung, ist die zielgerichtete Behandlung dieser Krankheit erforderlich. Einige Beispiele sind:

  • Steckt eine Polyneuropathie hinter dem Taubheitsgefühl, hängt die Therapie davon ab, welche Form dieser Erkrankung vorliegt. Eine angeborene Polyneuropathie beispielsweise kann bisher nicht ursächlich behandelt werden, die Behandlung konzentriert sich deswegen vor allem auf eine Linderung der Beschwerden. Eine diabetische Polyneuropathie erfordert hingegen vor allem eine optimale Einstellung des Blutzuckers und den kompletten Verzicht auf Alkohol. Liegt ein Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure vor, bessern sich die Symptome unter Umständen, wenn man den Mangel ausgleicht.

  • Tritt die Hypästhesie infolge einer bakteriellen Infektion (zum Beispiel Borreliose) auf, hilft eine Therapie mit Antibiotika. Wenn das Taubheitsgefühl mit Gürtelrose zusammenhängt, behandelt der*die Arzt*Ärztin diese zumeist mit dem Wirkstoff Aciclovir.

  • Ist ein Bandscheibenvorfall die Ursache der Hypästhesie, besteht die Therapie vor allem darin, die Wirbelsäule zu entlasten – zum Beispiel durch eine Stufenbettlagerung. Um die Schmerzen zu lindern, verabreichen Fachleute mitunter entzündungshemmende Schmerzmittel (zum Beispiel aus der Gruppe der NSAR) oder Glukokortikoide und Mittel zur Muskelentspannung (Muskelrelaxanzien). Um langfristig die Rückenmuskulatur zu kräftigen, empfiehlt sich anschließend eine Physiotherapie. In schweren Fällen kann auch eine Operation an der betroffenen Bandscheibe notwendig sein.