Mann leidet unter Schwindel und lehnt sich an Wand an.
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Schwindel (Vertigo): Ursachen und was hilft

Von: Jessica Rothberg (Medizinredakteurin), Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 04.07.2024 - 08:00 Uhr

Alles dreht sich, der Boden schwankt oder man hat das Gefühl, Karussell zu fahren: Schwindel kann sich auf viele Weisen äußern. Oft verschwindet er nach kurzer Zeit wieder und ist harmlos – er kann aber auch Anzeichen für Krankheiten sein. Wie entsteht Schwindel und wann ist ärztlicher Rat notwendig?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Häufige Fragen und Antworten rund um Schwindel

Zunächst sollte man sich hinsetzen oder hinlegen, um Stürze zu vermeiden. Ausreichend trinken und frische Luft schnappen können ebenfalls helfen. Treten Schwindelanfälle regelmäßig oder sehr stark auf, sollte ärztlicher Rat eingeholt werden, da auch ernsthafte Erkrankungen die Ursache sein können.

Beim Aufstehen sammelt sich durch die Schwerkraft Blut in den Venen der Beine und des Rumpfs. Dadurch sinkt der Blutdruck und die Menge des Bluts, das vom Herz ins Gehirn gepumpt wird und es kommt zu Schwindel. Ein weiterer möglicher Grund ist der periphere vestibuläre Schwindel, der durch Probleme im Innenohr verursacht wird.

In den meisten Fällen nicht. Treten weitere Symptome wie Sprach- und Sehstörungen oder ein Lähmungs- und Taubheitsgefühl auf, sollte umgehend der Notruf abgesetzt werden. Auch, wenn die Anfälle regelmäßig und ohne erkennbare Ursache auftreten, ist ärztlicher Rat einzuholen.

Was ist Schwindel?

Von Schwindel (Vertigo) sprechen Fachleute, wenn Betroffene Scheinbewegungen zwischen sich und der Umwelt wahrnehmen. Dabei handelt es sich nicht um eine Erkrankung, sondern um ein Symptom. Der Begriff Schwindel findet oft auch im weiteren Sinn Verwendung: So sagen viele Menschen, ihnen sei schwindelig, wenn sie

  • sich benommen fühlen,
  • ihnen schwarz vor Augen wird oder
  • sie das Gefühl haben, gleich hinzufallen.

Wenn Betroffene dabei allerdings keine Scheinbewegungen wahrnehmen, handelt es sich nicht um eine echte Vertigo, sondern um eine sogenannte Pseudovertigo (griech. pseudo = falsch).

Die Ursachen für Schwindel sind vielfältig und oftmals harmlos. Etwa 60 Prozent der Schwindelzustände verschwinden nach einiger Zeit wieder von selbst. Vertigo gilt jedoch auch als Leitsymptom verschiedener Krankheiten und sollte daher ernst genommen und ärztlich abgeklärt werden, wenn er besonders stark oder regelmäßig auftritt. 

Schwindel: Ursachen und Formen

Schwindel entsteht, wenn die Augen, die Rezeptoren in den Muskeln und das Gleichgewichtsorgan im Innenohr unterschiedliche Reize wahrnehmen. Derartige Inkonsistenzen bringen das Gehirn durcheinander und melden diesem, dass etwas aus dem "Gleichgewicht" geraten ist.

Ein Beispiel: Während einer rasanten Karussellfahrt folgen unsere Augen den vorbeiziehenden Objekten – das visuelle System registriert also eine Drehung und gibt diese Information an das Gehirn weiter. Das Gleichgewichtsorgan hingegen stellt bei konstanter Drehung keine Bewegungsänderung fest. Durch diese Diskrepanz sind Schwindelanfälle die Folge.

In anderen Fällen kommt es aufgrund von Durchblutungsstörungen oder Nährstoffmangel im Gehirn zu Schwindel – auch Giftstoffe können Auslöser sein. Weiterhin spielen Erkrankungen oder psychische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Schwindelgefühlen. Fachleute unterscheiden zwischen vestibulärem und nicht-vestibulärem Schwindel.

Vestibulärer Schwindel

Bei dieser Schwindelform hängen die Ursachen direkt oder indirekt mit dem Gleichgewichtssinn zusammen. Das kann sowohl das Gleichgewichtsorgan im Ohr als auch das Gleichgewichtszentrum oder die Gleichgewichtsnerven im Gehirn betreffen. 

Fachleute teilen vestibulären Schwindel in diese Formen ein:

  • peripherer vestibulärer Schwindel: Ursprung im Gleichgewichtsnerv oder Innenohr
  • zentraler vestibulärer Schwindel: Erkrankungen von Groß- oder Kleinhirn sowie des Hirnstamms

Peripherer vestibulärer Schwindel

Diese Form mit peripheren Ursachen tritt am häufigsten auf als:

  • gutartiger (bzw. benigner) paroxysmaler Lagerungsschwindel: Manche Betroffene klagen vor allem morgens beim Aufstehen, bei Kopfbewegungen, insbesondere beim Hoch- oder Runterschauen über kurze Schwindelattacken, die selten länger als eine Minute dauern. Dieser Lagerungsschwindel, auch Bewegungsschwindel genannt, entsteht überwiegend durch Kalksteinchen im Innenohr. Ihr Gewicht verursacht eine Funktionsstörung des hinteren Bogengangs, der daraufhin überempfindlich auf Drehbeschleunigungen reagiert. Meist geht diesem Zustand ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs oder längere Bettlägerigkeit voraus.

  • Morbus Menière: Die genauen Ursachen dieser Innenohrerkrankung sind unbekannt. Für das Schwindelgefühl ist eine Ansammlung von Flüssigkeit (Endolymphe) verantwortlich, die sich im Innenohr anstaut: Durch den anhaltenden Lymphstau zerreißen regelmäßig die Trennhäute zwischen zwei verschiedenen Räumen des Innenohrs – dem häutigen Labyrinth –, was zu einer Durchmischung mit einer anderen Flüssigkeit (Perilymphe) führt und wahrscheinlich die Vertigo auslöst.

  • akute Entzündung des Gleichgewichtsnervs (Neuritis vestibularis): Als mögliche Ursache gilt eine Infektion des Gleichgewichtsnervs mit Herpes-simplex-Viren.

Eine weitere Form des peripheren vestibulären Schwindels ist die Vestibularisparoxysmie. Hierbei kommt es zu Sekunden bis wenige Minuten andauernden Schwindelanfällen, wenn im Gehirn ein Blutgefäß sehr nah am Gleichgewichtsnerv liegt und diesen beim Pulsieren des Blutes berührt.

Zentraler vestibulärer Schwindel

Ein vestibulärer Schwindel mit zentralen Ursachen kommt zum Beispiel bei einer bestimmten Form von Migräne (vestibuläre Migräne) vor. Oft stecken auch Gefäßerkrankungen, entzündliche oder degenerative (mit Abbau oder Funktionsverlust einhergehende) Erkrankungen des Gehirns hinter Vertigo. Zum Beispiel:

Vestibulärer Schwindel kann auch infolge von Unfällen auftreten (z. B. beim Schädel-Hirn-Trauma). 

Weitere Ursachen vestibulären Schwindels

Als Ursachen für diese Schwindelform kommen auch einige Medikamente infrage, etwa:

  • Mittel gegen Bluthochdruck, Depression, Epilepsie und Migräne
  • Beruhigungsmittel (Sedativa)
  • bestimmte Antibiotika (aus der Gruppe der Aminoglykoside), die Vertigo als Nebenwirkung hervorrufen

Auch im Rahmen einer Reisekrankheit (Kinetose) kann es zu Vertigo kommen. Auslöser sind etwa Auto- oder Busfahrten, Flugreisen oder Bootsfahrten bei starkem Wellengang.

Nicht-vestibulärer Schwindel

Zudem können hinter Vertigo Ursachen stecken, die mit keiner Störung des Gleichgewichtssinns in Verbindung stehen: Ein derartiger Schwindel geht meist auf unterschiedliche Krankheiten und Zustände zurück – zum Beispiel:

  • Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie niedriger Blutdruck, Bluthochdruck, Schlaganfall oder Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
  • posturales Tachykardiesyndrom (POTS)
  • bakterielle Infektionen
  • Lungenerkrankungen wie eine Lungenembolie
  • Blutarmut (Anämie)
  • Halswirbelsäulen-Syndrom (HWS-Syndrom)
  • Gefäßverkalkung (Arteriosklerose)
  • niedriger Blutzuckerspiegel (Unterzuckerung)
  • Nervenerkrankungen (Polyneuropathie), etwa vegetative diabetische Polyneuropathie 
  • Augenerkrankungen mit Sehstörungen
  • Hyperventilation (schnelles, tiefes und übermäßiges Atmen)
  • Vergiftungen
  • Medikamente
  • Konsum von Drogen oder Alkohol

Weiterhin kann ein nicht-vestibulärer Schwindel beispielsweise durch zu geringe Flüssigkeitsaufnahme, hohes Fieber und unzureichende Sauerstoffversorgung entstehen. Auch eine Schwangerschaft kann aufgrund von Schwankungen des Blutdrucks mit dem Symptom einhergehen. Weiterhin berichten Covid-19-Betroffene oftmals von Schwindelanfällen. 

Seelische Ursachen: Psychogener Schwindel

Schwindelgefühle können auch seelische Ursachen haben: Ein solcher psychogener Schwindel kann beispielsweise durch Stress, Konflikte oder Angst bedingt sein. Ein typisches Beispiel für seelisch bedingte Vertigo ist phobischer Schwankschwindel. Diese Schwindelform betrifft oftmals junge Erwachsene. Vor allem in folgenden Situationen kann es Betroffenen schwindelig werden:

  • beim Autofahren
  • beim Laufen über eine Brücke oder einen weiten Platz
  • beim Treppensteigen
  • beim Betreten eines leeren Raums
  • durch besondere soziale und kommunikative Anforderungen (z. B. beim Halten eines Vortrags)

Spezialform: Schwindel im Alter

Ältere Menschen leiden mit zunehmendem Alter häufig unter Schwindel, da das Gleichgewichtssystem altersbedingten Veränderungen unterliegt. So nimmt etwa die Empfindlichkeit und Funktion der Ohren oder Augen ab. Auch Nebenwirkungen von Medikamenten und eine zunehmende Gangunsicherheit sind vor allem im Alter Grund für Schwindelanfälle. 

Wie äußert sich Schwindel?

Je nachdem, um welche Schwindelform es sich handelt, kommt es zu unterschiedlichen Beschwerden: 

  • Schwankschwindel: Einige Betroffene haben das Gefühl, dass der Boden schwankt oder sie in eine Richtung gezogen werden; sie können aber auch scheinbare Drehbewegungen oder Auf- und Abwärtsbewegungen wahrnehmen. Das Schwindelgefühl entsteht oder verstärkt sich typischerweise durch Bewegungen – Begleitsymptome treten in der Regel nicht auf.

  • Drehschwindel: Betroffene sind unsicher beim Stehen und Gehen und weisen eine Fallneigung auf. Häufige mögliche begleitende Beschwerden sind Ohrgeräusche (Tinnitus), Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Blässe und starkes Schwitzen sind ebenfalls typisch. Auch ein unwillkürliches Zittern der Augen (Nystagmus) kann vorkommen.

  • Liftschwindel: Menschen mit Liftschwindel fühlen sich, als würden sie fallen oder angehoben werden – ähnlich wie das Gefühl in einem Aufzug. Mitunter ist diese Form mit Gleichgewichtsstörungen, Gangunsicherheiten, Benommenheit und einem erhöhten Risiko für Stürze verbunden. 

Schwindel: Diagnose und Untersuchungen

Wer häufiger unter Schwindel leidet, sollte sich unbedingt ärztlich untersuchen lassen. Erste Anlaufstelle ist die hausärztliche Praxis, die unter Umständen an Fachpraxen wie eine Hals-Nasen-Ohren-Praxis oder augenärztliche sowie neurologische Praxis überweisen kann. Die*der Ärztin*Arzt kann feststellen, ob der Schwindel zum Beispiel durch eine Störung des Gehirns, durch eine Schädigung des Gleichgewichtsorgans im Ohr oder durch eine andere Krankheit verursacht wird.

Zunächst steht ein ausführliches Gespräch (Anamnese) an, bei dem etwa Fragen zu Symptomen, Einnahme von Medikamenten und Vorerkrankungen geklärt werden. Oftmals liefert die Befragung bereits erste Hinweise auf die Ursache. 

Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei welcher der Blutdruck, der Puls und die Augenbewegungen überprüft werden. Häufig kommen zur Diagnose auch ein Hörtest und eine Überprüfung des Gangbilds zum Einsatz.

Darüber hinaus stehen, je nach vermuteter Grunderkrankung und Auslöser des Schwindels, weitere Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Einige Beispiele sind:

Bei rund fünfzig Prozent der Betroffenen bleibt die Ursache des Schwindelgefühls unentdeckt. Dann lautet die Diagnose meist psychogener Schwindel oder Altersschwindel.

Um die Diagnose zu erleichtern, hilft Ärzt*innen oftmals ein Schwindeltagebuch. In dieses tragen Betroffene ein, wann und in welcher Form das Symptom auftritt.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bei Schwindel gibt es?

Grundvoraussetzung für die richtige Behandlung ist eine korrekte Diagnose – oftmals ist die Therapie durch Fachleute nötig. Zur Behandlung kommen Arzneimittel, aber auch konservative Methoden wie Physiotherapie infrage. 

Gegebenenfalls ist auch eine Operation notwendig, wenn etwa Tumoren für den Schwindel verantwortlich sind. Treten die Schwindelattacken besonders häufig oder über Jahre (Dauerschwindel, chronischer Schwindel) auf und ist gleichzeitig die Hörfähigkeit eingeschränkt, kann in sehr seltenen Fällen eine operative Entfernung des betroffenen Gleichgewichtsorgans notwendig sein. 

Nichtmedikamentöse Therapie von Schwindel

Bei Reisekrankheit reicht es oft schon, in regelmäßigen Abständen eine Pause einzulegen. Langfristig kann es auch helfen, wenn sich Patient*innen vorsichtig in kurzen Abständen wiederholt den entsprechenden Reizen aussetzen.

Oft sind auch physiotherapeutische Maßnahmen ein wichtiger Bestandteil der Therapie. So heilen beispielsweise ein anhaltender Drehschwindel bei entzündetem Gleichgewichtsnerv und ein gutartiger (benigner) paroxysmaler Lagerungsschwindel durch krankengymnastische Übungen erheblich schneller. Betroffenen helfen verschiedene Lagerungsmanöver. Dabei sollen durch bestimmte Drehungen des Kopfes und Oberkörpers die Kristalle im Bogengang des Innenohres gelöst werden.

Auch bei einem Altersschwindel können frühzeitige Krankengymnastik und Gleichgewichtstraining zur Linderung des Symptoms beitragen. 

Medikamentöse Behandlung von Schwindel 

Je nach Auslöser der Schwindelgefühle können verschiedene Medikamente zum Einsatz kommen, wie: 

  • Antibiotika
  • Glukokortikoide
  • Medikamente gegen Reisekrankheit wie Antihistaminika (z. B. Dimenhydrinat), Anticholinergika (z. B. Scopolamin) und Betahistin
  • Medikamente gegen Migräne, auch vorbeugend eingesetzt wie Betablocker (beispielsweise Metoprololsuccinat)
  • Antidepressiva

Schwindel: Verlauf und Vorbeugen

Bei Schwindel hängt der Verlauf von der Ursache ab. Kann der Auslöser für den Schwindel behandelt werden, ist die Prognose in der Regel gut. Ein Dauerschwindel, der über Monate oder gar Jahre anhält, weist häufig auf einen seelischen Auslöser hin. Dann ist es wichtig, die psychische Ursache festzustellen und gegebenenfalls im Zuge einer Psychotherapie anzugehen. 

Lässt sich einem Schwindel vorbeugen?

Schwindel kann man nicht vorbeugen – besonders, wenn das Schwindelgefühl als Begleiterscheinung einer Erkrankung des Nervensystems auftritt. Vorbeugende Maßnahmen sind darauf begrenzt, mit Schwindel verbundene Krankheiten entsprechend zu behandeln und so weitere Schwindelattacken zu verhindern.

Wer bei ungewohnten Bewegungssituationen – wie im Auto oder auf einem Schiff – zu Schwindel neigt, sollte versuchen, sich langsam an die neue Umgebung zu gewöhnen.