Guillain-Barré-syndrom: Nervenzellen
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Guillain-Barré-Syndrom – eine seltene Erkrankung der Nerven

Von: Dr. rer. nat. Brit Neuhaus (Medizinautorin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 29.08.2022

Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich bestimmte Nervenzellen entzünden und in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Es kommt zu unterschiedlich stark ausgeprägten Lähmungen und Ausfallerscheinungen. Diese können auch lebenswichtige Funktionen wie die Atmung betreffen. Lesen Sie hier, wie das Guillain-Barré-Syndrom verläuft, wie es behandelt wird und welche Komplikationen auftreten können.

Was ist das Guillain-Barré-Syndrom?

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine Neuropathie, also eine Erkrankung des peripheren Nervensystems (PNS). Zum PNS zählen alle Nerven, die außerhalb des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) liegen. Periphere Nerven funktionieren als Bindeglied zwischen dem ZNS und den Zielorganen, die die einlaufenden Nervenimpulse empfangen (zum Beispiel den Muskeln).

Bei Menschen mit Guillain-Barré-Syndrom entzünden sich diese Nerven, weil sie aufgrund einer Fehlsteuerung des Immunsystems von körpereigenen Abwehrzellen und Abwehrstoffen, den Autoantikörpern, angegriffen werden. Fachleute sprechen deshalb auch von einer Autoimmunerkrankung.

Die Angriffe durch das Immunsystem schädigen die Nervenzellen und behindern dadurch die Weiterleitung von Nervenimpulsen zwischen ZNS und Zielorgan. Deshalb führt das GBS zu unterschiedlichen Ausfallerscheinungen, wie zum Beispiel Muskelschwäche oder Lähmungen. In einigen Fällen kommt es auch zu einer Beteiligung der Hirnnerven, insbesondere des Gesichtsnervs (Nervus facialis), der die mimische Muskulatur steuert.

Das Guillain-Barré-Syndrom kann in jedem Alter auftreten, in seltenen Fällen auch im Kindesalter. Besonders häufig kommt es jedoch bei älteren Menschen zu der Erkrankung, der Altersgipfel liegt bei 70 bis 80 Jahren. Jungen und Männer sind häufiger betroffen als Mädchen und Frauen.

Welche Symptome treten beim Guillain-Barré-Syndrom auf?

Das Guillain-Barré-Syndrom verläuft in der Regel akut, dass heißt die Beschwerden treten plötzlich auf. Häufige Symptome sind unter anderem:

  • Schwächegefühl in den Beinen
  • Lähmungserscheinungen, die meist in den Beinen beginnen, aber rasch auf Becken, Rumpf und Arme übergehen können
  • Missempfindungen in Armen und Beinen (wie Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Brennen)
  • Fehlende oder abgeschwächte Reflexe
  • Atemstörungen
  • Herz-Kreislauf-Beschwerden (wie Blutdruckschwankungen oder Herzrhythmusstörungen)
  • Blasen- und Darmstörungen
  • Probleme beim Schlucken und Sprechen
  • Schmerzen, vor allem in Rücken und Beinen
  • Gesichtslähmung bei Ausfall des Geschichtsnervs

Die Beschwerden sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt und reichen von geringfügigen Einschränkungen bis hin zu schwerwiegenden, zum Teil lebensbedrohlichen Funktionsstörungen. Das gilt insbesondere, wenn die Atemmuskulatur betroffen ist oder Teile des autonomen Nervensystems geschädigt sind. Dieses steuert lebensnotwendige Organfunktionen wie Blutdruck, Herzfrequenz, Körpertemperatur, Stoffwechsel, Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt.

Was verursacht das Guillain-Barré-Syndrom?

Das Guillain-Barré-Syndrom zählt zu den Autoimmunerkrankung. Während das Immunsystem normalerweise auf die Abwehr von Bakterien, Viren und anderen Krankheitserregern spezialisiert ist, richtet es sich bei einer Autoimmunerkrankung fälschlicherweise gegen körpereigene Strukturen. Es kommt zu einer Entzündungsreaktion, die die betroffenen Organe und Gewebe schädigt und in ihrer Funktion einschränkt.

Warum es zu der fehlgesteuerten Immunreaktion kommt, ist bis heute nicht bekannt. Allerdings tritt das GBS häufig einige Tage oder Wochen nach bakteriellen oder viralen Infektionen auf, wie beispielsweise einer Erkältung oder einer Magen-Darm-Grippe. Häufige Krankheitserreger sind zum Beispiel

Zudem gibt es Hinweise darauf, dass in seltenen Fällen Impfungen den Ausbruch der Erkrankung begünstigen können. Auch im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung oder einer Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ist das Guillain-Barré-Syndrom bereits aufgetreten.

Diagnose des Guillain-Barré-Syndroms

Wichtige Hinweise auf das Guillain-Barré-Syndrom ergeben sich in der Regel aus der Krankengeschichte, insbesondere vorausgegangenen Infekten, und den typischen Beschwerden. Vor allem eine aufsteigende Lähmung mit fehlenden oder abgeschwächten Reflexen sowie Sensibilitätsstörungen ermöglichen eine Verdachtsdiagnose.

Um diese zu bestätigen, erfolgt nach einer körperlichen Untersuchung in der Regel eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor). Dieses wird im Bereich der Lendenwirbelsäule mit einer speziellen Nadel aus dem Wirbelkanal entnommen (Lumbalpunktion) und anschließend im Labor auf typische Veränderungen getestet. Charakteristisch für ein GBS ist ein stark erhöhter Eiweißgehalt des Nervenwassers.

Durch eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie) lässt sich feststellen, inwieweit die peripheren Nerven noch in der Lage sind, Nervenimpulse weiterzuleiten. Hingegen gibt eine Elektromyographie Aufschluss darüber, ob die Muskeln angemessen auf die eintreffenden Nervenimpulse reagieren.

Bei manchen Patienten und Patientinnen mit Guillain-Barré-Syndrom lassen sich außerdem Autoantikörper im Blut nachweisen.

Sind die Befunde aus diesen Untersuchungen nicht eindeutig, ist unter Umständen eine Magnetresonanztomographie (MRT)erforderlich, insbesondere um andere Erkrankungen des Gehirns und des Rückenmarks auszuschließen.

Behandlung beim Guillain-Barré-Syndrom

Bei Patienten und Patientinnen mit Guillain-Barré-Syndrom erfolgt die Behandlung in der Regel im Krankenhaus, bei schwerem Verlauf auf der Intensivstation. Das ist notwendig, weil sich die Symptome sehr rasch verschlechtern und lebensbedrohliche Komplikationen auftreten können. Durch eine regelmäßige Kontrolle von Puls, Blutdruck, Atmung und anderen Vitalparametern ist es möglich, solche Probleme rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Ist die Atemmuskulatur betroffen, ist häufig eine Beatmung erforderlich.

Medikamente, mit denen sich das Guillain-Barré-Syndrom ursächlich behandeln lässt, stehen bis heute nicht zur Verfügung. Allerdings ist es oftmals möglich, den Krankheitsverlauf zu verkürzen. In der Regel erhalten Betroffene aus diesem Grund für einige Wochen Immunglobuline. Das sind Antikörper gesunder Spender, die das Immunsystem beeinflussen und die Rückbildung der Symptome beschleunigen. Eine alternative Therapie ist die Plasmapherese, bei der das Blut maschinell gereinigt und von den schädlichen Autoantikörpern befreit wird.

Da viele Betroffene in der Akutphase des GBS bettlägerig und in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, erhalten sie zudem gerinnungshemmende Medikamente, die die Bildung von Blutgerinnseln verhindern sollen. Auch physiotherapeutische Maßnahmen kommen zur Vorbeugung von Thrombosen zum Einsatz. Außerdem wirken sie einem Muskelabbau entgegen.

Wie verläuft das Guillain-Barré-Syndrom?

Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine akute, oftmals schnell voranschreitende und schwer verlaufende Erkrankung. In der Regel erreichen die Symptome nach drei bis vier Wochen ihren Höhepunkt, bleiben dann für etwa eine bis vier weitere Wochen konstant und klingen danach langsam wieder ab. Bis zur vollständigen Heilung vergehen in der Regel einige Wochen bis Monate.

Etwa 70 Prozent der Betroffenen erholen sich vollständig, bei etwa 30 Prozent bleiben auch mehrere Jahre nach der Infektion noch Restlähmungen zurück, bei bis zu fünf Prozent entwickelt sich ein chronischer Verlauf. Etwa zwei bis drei Prozent der Patienten und Patientinnen versterben an der Erkrankung. Grund dafür sind in der Regel schwerwiegende Komplikationen wie eine Lähmung der Atemmuskulatur, Herzrhythmusstörungen und die Bildung von Blutgerinnseln mit dem Risiko einer Lungenembolie.

Kinder, die am Guillain-Barré-Syndrom erkranken, haben in der Regel eine bessere Langzeitprognose als Erwachsene und erholen sich in der Regel vollständig.

Lässt sich dem Guillain-Barré-Syndrom vorbeugen?

Da die Ursachen der Erkrankung nicht bekannt sind, ist es nicht möglich, dem GBS gezielt vorzubeugen.