Man sieht Hände und Füße einer an Vitiligo erkrankten Frau
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Autoimmunerkrankungen: Symptome und Lebenserwartung

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 23.02.2024

Bei einer Autoimmunerkrankung richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper, zum Beispiel gegen die Haut oder die Schilddrüse. Die Liste der Autoimmunerkrankungen ist lang: Typ-1-Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis und Multiple Sklerose gehören beispielsweise dazu. Erfahren Sie mehr über Ursachen, Symptome und Lebenserwartung der verschiedenen Autoimmunkrankheiten.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu Autoimmunerkrankungen

Die genauen Gründe, warum eine Autoimmunerkrankung entsteht, sind nicht geklärt. Neben einer genetischen Veranlagung kommen auch äußere Faktoren, unter anderem chronischer Stress, als mögliche Ursachen infrage. Denn die Ausschüttung von Stresshormonen wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus.

In der Regel sind Autoimmunerkrankungen nicht heilbar, sondern bleiben ein Leben lang bestehen. In sehr seltenen Fällen verschwinden manche Autoimmunkrankheiten wieder. So kommt es etwa bei der Sarkoidose, einer Krankheit, die vor allem die Lungen betrifft, manchmal zu einer Spontanheilung.

Da bei einer Autoimmunkrankheit eine chronische Entzündung im Körper vorliegt, sind häufig die Entzündungswerte wie das C-reaktive Protein (CRP-Wert) und die Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht. Außerdem finden sich im Blut meist erhöhte Werte von Autoantikörpern, die sich gegen das eigene Gewebe richten.

Die meisten Autoimmunerkrankungen begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Die Beschwerden lassen sich jedoch behandeln und die Betroffenen haben in der Regel eine uneingeschränkte Lebenserwartung und eine gute Lebensqualität. Unbehandelt können einige Autoimmunerkrankungen jedoch tödlich enden.

Was ist eine Autoimmunerkrankung?

Bei einer Autoimmunerkrankung zerstören Antikörper gesunde, körpereigene Zellen. Dies ist ein chronisch-entzündlicher Prozess, der sich in den meisten Fällen nur symptomatisch und nicht ursächlich behandeln lässt.

Normalerweise ist der Körper in der Lage, körpereigene Oberflächeneiweiße von körperfremden Antigenen zu unterscheiden. Deshalb toleriert das Immunsystem körpereigene Zellen und bekämpft körperfremde. Doch manchmal kommt es zu einer Fehlfunktion des Immunsystems. Der Körper hält fälschlicherweise körpereigene Strukturen für eine Gefahr und bildet Antikörper dagegen.

Betroffen sein können alle Bereiche des Körpers. Manchmal richten sich die fehlgesteuerten Immunzellen gegen ein bestimmtes Organ. Bei Hashimoto-Thyreoiditis beispielsweise gegen die Schilddrüse. Bei Diabetes Typ 1 dagegen zerstören sie die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. 

Es kann aber auch sein, dass die Immunzellen fälschlicherweise Gewebe zerstören, das an ganz verschiedenen Stellen im Körper vorkommt. Das ist zum Beispiel beim systemischen Lupus erythematodes der Fall, der alle Organe befallen kann. 

Liste der Autoimmunerkrankungen: Welche gibt es?

Es sind rund 100 verschiedene Autoimmunerkrankungen bekannt. Weltweit sind etwa fünf bis acht Prozent der Menschen betroffen, überwiegend Frauen. Wer bereits an einer Autoimmunerkrankung leidet, hat ein erhöhtes Risiko, weitere Autoimmunkrankheiten zu entwickeln. Nur selten sind Kinder betroffen. Meist entwickelt sich eine Autoimmunerkrankung spontan im Laufe des Lebens.

Zu den Autoimmunerkrankungen zählen beispielsweise:

Autoimmunerkrankung Neurodermitis?

Nicht abschließend geklärt ist, ob Neurodermitis zu den Autoimmunerkrankungen zählt. Überaktive Immunzellen sind jedenfalls ein Erklärungsansatz von vielen. In Studien konnten Risikogene identifiziert werden, die auch mit Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht werden.

Autoimmunerkrankung: Symptome sind vielfältig

Da eine Autoimmunreaktion fast jeden Bereich des Körpers betreffen kann, sind die Symptome je nach Krankheit sehr unterschiedlich.

Sie können zum Beispiel

  • die Haut betreffen,
  • Funktionsstörungen von Organen wie Nieren oder Lunge zur Folge haben,
  • Gelenk- und Muskelschmerzen verursachen,
  • trockene Augen oder
  • Juckreiz hervorrufen.

Bei Morbus Addison ist die Nebennierenrinde betroffen, bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Zöliakie der Darm, beim Sjögren-Syndrom unter anderem die Augen.

Symptome bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse

Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse sind Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmun­thyreoiditis) und Morbus Basedow.

​​​Bei der Hashimoto-Thyreoiditis wird Schilddrüsengewebe zerstört. Dementsprechend kommt es zu einer Unterfunktion der Schilddrüse mit den typischen Symptomen wie:

Bei Morbus Basedow wird das Schilddrüsengewebe im Gegenteil dazu angeregt, sich zu vermehren. Entsprechend führt die Erkrankung zu einer Überproduktion von Schilddrüsenhormonen mit Beschwerden wie:

Autoimmunerkrankungen der Haut

Die Haut ist gleich Ziel mehrerer Autoimmunerkrankungen. Dazu gehören unter anderem die Weißfleckenkrankheit (Vitiligo), Lupus erythematodes und Schuppenflechte (Psoriasis).

  • Vitiligo: Bei der entzündlichen Pigmentstörung sterben Pigmente in der Haut ab und es entstehen weiße Flecken.

  • Lupus erythematodes: Die Schmetterlingsflechte macht sich meist durch einen schmetterlingsförmigen, roten Ausschlag im Gesicht bemerkbar.

  • Psoriasis: Schuppenflechte ist durch scharf abgegrenzte rote Flecken gekennzeichnet, auf denen silberne Schuppen zu sehen sind. Sie ruft starken Juckreiz hervor.

Wie entsteht eine Autoimmunerkrankung?

Welche Ursachen Autoimmunerkrankungen auslösen, ist unbekannt. Fachleute vermuten eine erbliche Veranlagung zur Entwicklung einer Autoimmunerkrankung, weil diese in manchen Familien gehäuft auftreten. Eine direkte Vererbung als alleinige Ursache ist allerdings unwahrscheinlich. Vielmehr spielen offenbar äußere Faktoren eine Rolle.

Solche Faktoren können sein:

  • Infektionen mit Viren oder Bakterien
  • Bestimmte Medikamente
  • Stress
  • Umweltgifte

Vermutlich kommen verschiedene Auslöser zusammen.

Warum Frauen häufiger betroffen sind als Männer, ist noch nicht endgültig geklärt. Dass es Unterschiede in der Immunreaktion gibt, ist jedoch bekannt. Frauen entwickeln schneller mehr Antikörper als Männer, was auf die weiblichen Geschlechtshormone zurückzuführen sein könnte. Auch eine Schwangerschaft kann die Entstehung von Autoimmunerkrankungen begünstigen.

Grund für eine Autoimmunerkrankung ist nicht ein schwaches, sondern vielmehr ein überschießendes Immunsystem.

Autoimmunerkrankung: Lebenserwartung und Verlauf

Verlauf und Lebenserwartung sind je nach Autoimmunerkrankung sehr verschieden. Oftmals entwickeln sich Autoimmunerkrankungen nach und nach in unvorhersehbaren Schüben.

Die meisten Erkrankungen können zwar nicht geheilt, jedoch so behandelt werden, dass ein normales Leben möglich und die Lebenserwartung nicht eingeschränkt ist. Einige Autoimmunerkrankungen können unbehandelt jedoch tödlich enden. Dazu gehören beispielsweise die Vaskulitis, bei der sich die Gefäßwände entzünden, und der systemische Lupus erythematodes. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Autoimmunerkrankungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Hinzu kommt, dass zerstörtes Gewebe in vielen Fällen nicht wiederhergestellt werden kann, wie etwa bei der Hashimoto-Thyreoiditis. Die Betroffenen sind daher lebenslang auf Medikamente angewiesen.

Es kommt jedoch auch vor, dass eine Autoimmunerkrankung spontan heilt. Zudem wird in dem Bereich der Autoimmunerkrankungen intensiv geforscht, zum Beispiel an Therapien auf mRNA-Basis.

Wie wird eine Autoimmunerkrankung: festgestellt?

Die Symptome der autoimmunen Reaktionen sind häufig vielfältig, diffus und nicht zu jeder Zeit gleich stark ausgeprägt. Daher ist es wichtig, andere Ursachen auszuschließen. Bei vielen Autoimmunerkrankungen sind bestimmte Autoantikörper im Blut nachweisbar. Ein wichtiges Mittel ist deshalb, die entsprechenden Antikörper zu identifizieren, die für die entzündlichen Prozesse verantwortlich sind.

Jedoch erfolgt eine Diagnose niemals allein aufgrund dieser Laborwerte. Denn auch bei gesunden Menschen können erhöhte Autoantikörperwerte vorkommen und nicht bei allen Erkrankten und Erkrankungen lassen sich Autoantikörper nachweisen. Gemeinsam mit den jeweiligen Symptomen ergibt sich jedoch häufig ein typisches Bild. Auch die Darstellung der Organe mittels Ultraschall, CT oder MRT können zur Diagnose beitragen. Manchmal ist auch eine Biopsie nötig.

Autoimmunerkrankungen behandeln

Da bei Autoimmunkrankheiten keine Bakterien oder Viren den Körper angreifen, sondern das eigene Immunsystem, ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich. In der Regel werden daher ausschließlich die Symptome gelindert. Die genaue Therapie richtet sich nach der Erkrankung.

Zum Einsatz kommen zum Beispiel:

  • Entzündungshemmende Medikamente: Kortison oder entzündungshemmende Schmerzmittel kommen bei verschiedenen Erkrankungen mit Autoimmunreaktion wie beispielsweise Rheumatoider Arthritis zum Einsatz.

  • Substitutionsbehandlung: Produziert der Körper aufgrund von eingeschränkter Organfunktion unzureichend Hormone, werden diese in Form von Tabletten oder Spritzen zugeführt. Zum Beispiel nehmen Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis Schilddrüsenhormone ein und Patient*innen mit Diabetes Typ 1 müssen Insulin spritzen.

  • Immunsuppressiva: Bei systemischen Autoimmunreaktionen, die den ganzen Körper betreffen, ist manchmal der Einsatz von Medikamenten nötig, die das Immunsystem unterdrücken. Dann ist jedoch nicht nur die Immunreaktion gegen den eigenen Körper abgeschwächt, sondern auch die Immunabwehr gegen Krankheitserreger von außen.

  • Lichttherapie: Bei Autoimmunerkrankungen der Haut kann beispielsweise eine Lichttherapie hilfreich sein.

  • Ernährungsumstellung: Bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa kann eine Umstellung der Ernährung möglicherweise kdie Symptome lindern.

  • Blutreinigung: Bei Multipler Sklerose (MS) können mittels einer Apherese schädigende Autoantikörper vorübergehend aus dem Blut entfernt werden.

  • Biologika: Die gentechnisch hergestellten Medikamente, die aus lebenden Zellen hergestellt werden, unterdrücken die vermehrte Produktion von Entzündungsstoffen und kommen beispielsweise bei Multipler Sklerose und Rheuma zum Einsatz.