Frau mit Stiff-Person-Syndrom sitzt auf der Couch und fasst sich an schmerzenden Rücken.
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Stiff-Person-Syndrom (SPS): Seltene Autoimmunkrankheit

Von: Jessica Rothberg (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 12.12.2022

Das Stiff-Person-Syndrom ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die sich vor allem durch Muskelverhärtungen und Steifigkeit im Rücken und in den Beinen äußert. Betroffene können sich mitunter kaum mehr bewegen und erstarren förmlich. Was steckt hinter dem Stiff-Person-Syndrom und wie lässt es sich behandeln?

Was ist das Stiff-Person-Syndrom?

Beim Stiff-Person-Syndrom (kurz SPS) handelt es sich um eine seltene neurologische Krankheit, die zu den Autoimmunerkrankungen zählt. Die veraltete Bezeichnung lautet auch Stiff-Man-Syndrom (kurz SMS). Bei der SPS greift das körpereigene Immunsystem ein Enzym im Gehirn an. 

In den meisten Fällen ist das Enzym Glutamat-Decarboxylase (GAD) betroffen. Dieses Enzym üernimmt eine entscheidende Funktion bei der Kontrolle der Nervenzellen – das Nervensystem funktioniert in der Folge nicht mehr richtig. Bei Menschen mit Stiff-Person-Syndrom kommt es deshalb zu einer steigernden Tonuserhöhung der Muskulatur (Grundspannung der Muskulatur). Diese nimmt über Monate bis Jahre hinweg zu und geht mit anfallartigen Krämpfen der Muskulatur einher. 

Das SPS zählt zu den seltenen Erkrankungen, jährlich kommt es etwa zu einer Neuerkrankung pro einer Million Menschen. Im Durchschnitt sind Patient*innen 46 Jahre alt, wenn sie die Diagnose erhalten. Rund zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. 

Welche Symptome verursacht das Stiff-Person-Syndrom?

Das Stiff-Person-Syndrom kann sich durch viele unterschiedliche Symptome äußern. Typisch sind vor allem eine Starrheit (Rigidität) und Muskelkrämpfe (Spasmen), die insbesondere den Rumpf und die Beine betreffen. Diese treten oftmals symmetrisch auf und können gelegentlich auch an Füßen, Gesicht, Armen und Händen entstehen. Ursache hierfür ist ein gesteigerter Muskeltonus, der sich mit der Zeit meist stetig erhöht. 

Darüber hinaus sind diese Symptome beim SPS möglich:

  • Gangstörungen
  • Skelettdeformationen
  • Fehlhaltungen
  • gesteigerte Reflexanfälligkeit
  • Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen wie Geräusche, Kälte oder Wärme sowie Berührung
  • Schreckhaftigkeit
  • Angstattacken

Zudem sind episodisch auftretende Beschwerden möglich, wie: 

  • Überwärmung (Hyperthermie)
  • starkes Schwitzen
  • zu schneller Herzschlag (Tachykardie)
  • Bluthochdruck (arterielle Hypertension)
  • Weitstellung der Pupillen (Mydriasis)
  • gesteigerte Atemfrequenz
  • subjektiv empfundene Atemnot

Oft leiden Menschen mit Stiff-Person-Syndrom zugleich an weiteren Autoimmunkrankheiten wie Schilddrüsenerkrankungen, atrophische Gastritis, Weißfleckenkrankheit (Vitiligo) oder Diabetes mellitus.

Stiff-Person-Syndrom: Ursachen

Das Stiff-Person-Syndrom zählt zu den Autoimmunerkrankungen, wobei das Immunsystem Antikörper gegen bestimmte Enzyme bildet. Aufgrund dieser Autoimmunstörung kommt es zu einer gesteigerten Erregbarkeit der Muskulatur, da die Antikörper gegen Eiweiße an den Übertragungspunkten zwischen Nervenzellen (Synapsen) wirken.

Das SPS kann je nach Ursache in verschiedene Typen eingeteilt werden: 

  • Autoimmun-Typ: Dabei leiden Betroffene oft an anderen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes, perniziöse Anämie, Vitiligo oder Schilddrüsenerkrankungen. Bei rund 70 Prozent liegt ein Autoantikörper (Protein) gegen das Enzym Glutaminsäure-Decarboxylase (GAD) vor, welches bei der Produktion des Neurotransmitters GABA (gamma-Aminobuttersäure) eine Rolle spielt. In der Folge kommt es zu Schädigungen bestimmter Neuronen im Vorderhorn des Rückenmarks.

  • paraneoplastischer Typ: Dieser Typ tritt bei rund ein bis zwei Prozent der Fälle auf, wobei Betroffene zugleich unter bösartigen Tumorerkrankungen leiden wie Brustkrebs, Lymphom oder Thymom. Mitunter sind in diesem Fall gegen das Protein Amphiphysin Autoantikörper vorhanden. 

  • idiopathischer Typ: Das SPS entwickelt sich bei diesem Typ ohne erkennbare Ursache.

Wie lässt sich das Stiff-Person-Syndrom diagnostizieren?

Im Rahmen der Diagnose des Stiff-Person-Syndroms stellt die*der Ärztin*Arzt zunächst Fragen zu den genauen Beschwerden, Vorerkrankungen und der Familiengeschichte (Anamnese) mit anschließender körperlicher Untersuchung. Danach folgen in der Regel weitere Untersuchungen: 

  • Elektromyographie (EMG) 
  • Antikörpertests im Blut
  • unter Umständen eine Liquoruntersuchung (Nervenwasser) und Magnetresonanztomograhpie (MRT) von Hirn und Rückenmark

Stiff-Person-Syndrom: Wie erfolgt die Behandlung?

Das Stiff-Person-Syndrom ist eine chronische Erkrankung und nicht heilbar. Ziel der Therapie ist deshalb, die Symptome zu lindern. Zur symptomatischen Behandlung können 

zum Einsatz kommen. Bei anderen zeitgleich bestehenden Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Schilddrüsenerkrankung ist es essenziell, diese entsprechend zu behandeln. Unter Umständen lässt sich mit hochdosiertem Kortison, Immunglobulinen und Diazepam dem überaktiven Immunsystem gegensteuern und Nervenzellen beruhigen.

Mitunter kann bei manchen Patient*innen auch eine Blutwäschebehandlung (Plasmapherese) verordnet werden, sofern eine akute Krise besteht und Immunglobuline nicht wirken.

Stiff-Person-Syndrom: Was Betroffene unterstützend tun können

Menschen mit Stiff-Person-Syndrom sollten bestenfalls darauf achten, mögliche verstärkende oder auslösende Faktoren zu meiden. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Stress
  • laute Geräusche 
  • extreme Kälte oder Wärme

Auch verschiedene Medikamente wie etwa gegen Parkinson können die Symptome verstärken. Arzneimittel sollten jedoch nur nach ärztlicher Absprache abgesetzt oder gewechselt werden. Zudem kann der Austausch mit Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe dabei helfen, besser mit der Erkrankung zurechtzukommen.

Stiff-Person-Syndrom: Verlauf und Prognose

Die Beschwerden des SPS entwickeln sich oft schleichend über Monate und Jahre hinweg – dabei sind auch stabile Phasen und akute Krankheitsschübe möglich. Das Stiff-Person-Syndrom ist eine chronische Erkrankung. Spontanheilungen sind sehr selten. Bei einer konsequenten Therapie lässt sich in der Regel eine langanhaltende und erhebliche Besserung der Symptome erzielen.