Multiple Sklerose: Myelinreparatur als Therapie rückt in Griffweite
Wissenschaftlern aus Belfast (Nordirland) ist im Bereich der Multiple-Sklerose-Forschung eine wahrscheinlich zukunftsweisende Entdeckung gelungen: Bestimmte Immunzellen spielen eine Schlüsselrolle bei Reparaturvorgängen im Gehirn. Das könnte die Behandlung von multipler Sklerose (MS) sowie anderen neurologischen Erkrankungen, die mit Lähmungserscheinungen einhergehen, in neue Bahnen lenken.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Multiple Sklerose: Myelinreparatur als Therapie rückt in Griffweite
Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) und die häufigste Krankheit des Nervensystems bei jungen Erwachsenen. Anzeichen und Verlauf der Nervenerkrankung können von Fall zu Fall so verschieden sein, dass sie auch als "Krankheit mit tausend Gesichtern" gilt. In Deutschland leben etwa 120.000 Menschen mit MS.
Im Laufe von MS kann es zu neurologischen Ausfallserscheinungen kommen. Diese entstehen als Folge beschädigter Nerven oder genauer gesagt eines Schadens an der Myelinschicht. Das Myelin umgibt die Fortläufer der Nervenzellen als schützende Schicht. Bei Betroffenen mit multipler Sklerose greift das Immunsystem die Myelinschicht der Nerven in Gehirn und Rückenmark jedoch fälschlicherweise an und beschädigt diese. Dadurch kann es auf Dauer zu Beschwerden wie Sehstörungen, Gefühlsstörungen der Haut, Nervenschmerzen oder eben Lähmungserscheinungen kommen.
Bislang ist MS nicht heilbar. Mit den bisherigen Therapiemöglichkeiten lassen sich jedoch Krankheitsschübe verringern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, wenn auch nicht aufhalten. Mit dem zwar verlangsamten, aber doch stetigen Fortschreiten nehmen allerdings auch die Nervenschäden allmählich zu. Umkehren lassen sich diese Schäden bisher noch nicht.
Die Ergebnisse lassen hoffen
Die neuen Ergebnisse der in Nature Neuroscience veröffentlichten Studie lassen jedoch hoffen. Denn die Forscher konnten zeigen, wie bestimmte Immunzellen dazu beitragen, dass der Myelinschaden repariert und damit rückgängig gemacht werden kann. Das funktioniert folgendermaßen:
- Wenn bei Nervenzellen das Myelin beschädigt wird, werden sogenannte regulatorische T-Zellen, also eine spezielle Form von Zellen des Immunsystems, herbeigerufen.
- Die regulatorischen T-Zellen rufen dann das Reparaturkommando, indem sie ein Signalprotein namens CCN3 abgeben.
- Das Signalprotein aktiviert nahegelegene Stammzellen des Gehirns und sagt ihnen, sie sollen sich in eine spezielle Form der Nervenzellen umwandeln: in sogenannte Oligodendrozyten.
- Die Oligodendrozyten beginnen nun damit, die Myelinschäden zu reparieren.
Bislang war bekannt, dass Oligodendrozyten Myelinschäden reparieren können, nicht jedoch, welche Rolle die regulatorischen T-Zellen dabei spielen. Bei Menschen mit MS funktioniert diese körpereigene Myelinreparatur nicht, obwohl die dafür nötigen Stammzellen bei ihnen im Überfluss vorkommen. Diese Erkenntnisse bieten einen neuen Therapieansatz und könnten zur Entwicklung von Medikamenten beitragen, die die Reparaturarbeit dieser Zellen anstoßen und verstärken.
Laut Hauptautorin Yvonne Dombrowski sind diese neuen Erkenntnisse entscheidend, um neuartige Therapien für neurologische Erkrankungen wie MS zu entwickeln. Denn bei diesen Therapien könnten Schäden repariert werden, anstatt nur Krankheitsschübe zu verringern. In der Zukunft könnten beide Ansätze kombiniertzu einem besseren Therapieerfolg führen. Bisher gibt es jedoch nur Ergebnisse aus Versuchen mit tierischen Geweben. Weitere Studien sollen nun zeigen, ob sich die neuen Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragen lassen.