Ernährung bei Diabetes
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Ernährung bei Diabetes

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin) , Miriam Funk (Medizinredakteurin und Redaktionsleitung)
Letzte Aktualisierung: 18.03.2022

Bis vor einigen Jahren hielt man bei Diabetes noch eine besondere Diätkost für sinnvoll. Heute rät man von speziellen Lebensmitteln oder Diäten für Diabetiker ab. Stattdessen wird  eine gesunde und ausgewogene Ernährung empfohlen, die im Grunde den Ernährungsempfehlungen für Nicht-Diabetiker entspricht.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Überblick

Erst einmal Entwarnung: Eine gesunde Ernährung bei Diabetes bedeutet nicht, dass man auf schmackhaftes Essen und Genuss verzichten muss. Die meisten Menschen mit Diabetes müssten in Sachen Ernährung wahrscheinlich sogar kaum etwas ändern, würden Familie und Freund*innen bereits die allgemeinen Regeln einer gesunden Ernährungsweise befolgen.

Was ist Diabetes eigentlich?

Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der die Blutzuckerwerte erhöht sind. Man unterscheidet vor allemzwei Formen von Diabetes – Typ 1 und 2. Daneben gibt es noch den meist vorübergehenden Schwangerschaftsdiabetes und ein paar seltene Typen, die durch Schäden am Erbgut oder bei bestimmten Erkrankungen entstehen können.

Ernährungsgrundsätze bei Diabetes: Worauf man allgemein achten sollte

Bei Diabetes mellitus Typ 2 (Zuckerkrankheit) ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung eine wichtige Grundlage für die Behandlung. Eine spezielle Diätkost mit Diabetiker-Lebensmitteln ist dagegen nicht notwendig.

Der Energiebedarf von normalgewichtigen Diabetiker*innen entspricht ansonsten dem von gesunden Personen. Lebensmittel, die reich an Kohlenhydraten sind und viele einfach ungesättigte Fettsäuren enthalten, sollten den Hauptteil der Energieversorgung ausmachen und dürfen deshalb auch bei Diabetes nicht in der Ernährung fehlen.

Weil Übergewicht ein Risikofaktor für Diabetes ist und sich vor allem auf Typ-2-Diabetes negativ auswirken kann, sollte Normalgewicht angestrebt werden. Außerdem sollten Nahrungssmittel ausgewählt werden, die den Blutzucker nicht zu sehr in die Höhe treiben.

Kohlenhydrate

Idealerweise sollten Kohlenhydrate 55 Prozent der täglichen Nahrung ausmachen. Für Menschen mit Diabetes ist es allerdings ratsam, bei der Ernährung pflanzliche Lebensmittel mit vielenBallaststoffen zu bevorzugen, denn durch Kohlenhydrate steigt der Blutzucker. Ballaststoffe beeinflussen den Blutzuckerspiegel positiv, indem sie den Anstieg verlangsamen.

Besonders ballaststoffreich sind:

  • Gemüse (z. B. Kohlsorten, Möhren, Fenchel)
  • Hülsenfrüchte (z. B. Erbsen, Linsen, Bohnen)
  • Vollkornprodukte (z. B. Vollkornnudeln, Vollkornreis, Vollkornbrot)
  • Obst (z. B. Äpfel, Birnen, Kiwis)

Als günstig gelten bei Diabetes etwa 40 Gramm Ballaststoffe pro Tag. Diese Menge erreicht man, wenn man pro Tag fünf Portionen Gemüse oder Obst verzehren und über die Woche verteilt vier oder mehr Portionen Hülsenfrüchte verzehrt. Als eine Portion gilt dabei etwa eine Handvoll. Bei Obst sind immer kleine Portionen ratsam, um einen starken Anstieg des Blutzuckers durch den Fruchtzucker zu vermeiden. Kohlenhydrate in Form von Zucker sollten Betroffene grundsätzlich nur in geringen Mengen verzehren und trinken.

Vor allem für Menschen mit Typ-1-Diabetes ist es wichtig zu wissen, wie viele Kohlenhydrate eine Mahlzeit enthält – denn davon hängt ab, wie hoch sie das Insulin dosieren müssen. Hilfreich ist, dass bei allen Lebensmitteln der Kohlenhydratanteil pro 100 Gramm Lebensmittel auf der Verpackung steht. Mit Blutzuckermessungen vor und nach den Mahlzeiten lässt sich genau prüfen, wie sich das Essen auf den Blutzuckerspiegel auswirkt.

Fett in der Diabetes-Ernährung

Bei Menschen mit und ohne Zuckerkrankheit gilt gleichermaßen: Bis zu 30 Prozentder aufgenommenen Kalorien sollte aus Fetten bestehen. Dabei ist Fett nicht gleich Fett: Wichtig ist auch, wie sich die verschiedenen Fette anteilmäßig zusammensetzen.

Gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren

Gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren findet man vor allem in tierischen Fetten. Sie sollten weniger als 10 Prozent der täglichen Fettzufuhr ausmachen.

Gesättigte Fettsäuren sind zum Beispiel enthalten in:

  • Wurst, Fleisch
  • Butter, Sahne

Transfettsäuren nehmen Sie vor allem auf, wenn Sie Produkte mit sogenannten gehärteten Fetten essen, wie:

  • Chips und ähnliche Knabbererzeugnisse
  • frittierte Speisen

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sollten höchstens 10 Prozent der Nahrungsfette ausmachen. Ein hoher Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren findet sich zum Beispiel in:

  • Distelöl
  • Sonnenblumenöl

Einfach ungesättigte Fettsäuren

Etwa 10 bis 20 Prozent der Nahrungsfette dürfen aus einfach ungesättigten Fettsäuren bestehen. Diese liefern zum Beispiel:

  • Fettfische (z.B. Lachs, Hering, Aal, Thunfisch, Makrele)
  • pflanzliche Öle wie Olivenöl, Sojaöl, Rapsöl, Leinöl, Walnussöl
  • Nüsse und Samen

Cholesterin

Achten Sie darauf, pro Tag nicht mehr als 300 Milligramm Cholesterin zu sich zu nehmen. Cholesterinlieferanten sind ausschließlich tierische Nahrungsmittel, wie:

  • Eigelb
  • Speck
  • fette Fleischprodukte
  • fetter Käse
  • Sahne

Eiweiß (Proteine): Wie viel ist sinnvoll?

Vermeiden Sie einen zu großen Anteil von Eiweiß in der täglichen Nahrung: Etwa 10 bis 20 Prozent sind optimal. Wer allerdings bereits an einer diabetischen Nephropathie leidet, sollte nur 0,6 bis 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht täglich aufnehmen, um die Nieren zu schonen.

Gute Lieferanten für Eiweiß sind:

  • fettarmes Fleisch
  • Milch, Milchprodukte
  • Fisch
  • Kartoffeln
  • Getreideflocken (Vollkornprodukte)
  • Hülsenfrüchte

Getränke bei Diabetes

Getränke ohne Alkohol und ohne Zucker sind ideal, ebenso wie solche mit Süßstoffen. Fruchtsäfte enthalten oft einen sehr hohen Anteil an Zucker: Der Fruchtzucker lässt den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen. Auf Fruchtsäfte, die noch zusätzlich gezuckert sind, sollten Betroffene eher verzichten.

Nach ärztlicher Rücksprache können auch alkoholische Getränke genossen werden – allerdings in Maßen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Blutzucker durch Alkohol erst schnell ansteigt und dann rasch wieder absinkt. Diabetiker*innen, die die Wirkung von Alkohol nicht richtig einschätzen, müssen unter Umständen mit einer riskanten Unterzuckerung rechnen. Auf hochprozentigen Alkohol (Schnaps usw.) sollten sie verzichten. Auch regelmäßiger Alkoholkonsum ist nicht zu empfehlen, da er die Entstehung von Komplikationen fördern kann.

Diabetes Typ 1: Besonderheiten bei der Ernährung

Nur etwa 5 bis 10 Prozent aller Diabetiker*innen in Deutschland haben Typ-1-Diabetes. Diese Form tritt in der Regel bereits in jungen Jahren auf. Ursache für die Erkrankung ist eine Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Deshalb müssen Typ-1-Diabetiker*innen das fehlende Insulin von außen zuführen.

Neben einer ausgewogenen Ernährung ist für Menschen mit Typ-1-Diabetes im Alltag vor allem wichtig, wie vieleKohlenhydrate sie in welcher Form mit der Nahrung aufnehmen, denn: Nur Kohlenhydrate können den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Von den aufgenommenen Kohlenhydraten hängt also ab, wie viel Insulin sich Betroffene spritzen müssen.

Damit der Blutzuckerspiegel optimal eingestellt ist, müssen Betroffene über ein gutes Wissen über den Kohlenhydratanteil in der Nahrung verfügen. Bei verpackten Nahrungsmitteln ist es hierfür hilfreich, dass der Kohlenhydratanteil pro 100 Gramm Lebensmittel auf der Verpackung angegeben sein muss. Ein älteres Hilfsmittel sind die sogenannten Broteinheiten (BE) oder Kohlenhydrateinheiten (KE).

Broteinheiten

Eine Broteinheit (BE) entspricht etwa 10 bis 12 Gramm Kohlenhydraten. Ein anderer Ausdruck für Broteinheit ist Berechnungseinheit, auch wenn Broteinheiten genaugenommen zum Einschätzen des Kohlenhydratanteils dienen – und nicht zum Berechnen. In speziellen Tabellen ist aufgeführt, welche Menge eines Nahrungsmittels einer Broteinheit entspricht. Wenn Diabetiker*innen die Menge der Broteinheiten falsch einschätzen, können sie auch die benötigte Insulinmenge nicht richtig berechnen, was Auswirkungen auf den Blutzucker hat.

Wurst und Käse haben keinen BE-Wert und müssen nicht in die Berechnung mit einfließen. Trotzdem sollten Diabetiker*innen Wurst und Käse nicht in großen Mengen verzehren. Zwar wirken sie sich nicht auf den Blutzuckerspiegel aus, sie haben aber dennoch einen hohen Fett- und Eiweißanteil und können sich aufs Gewicht niederschlagen.

Auf der Arbeit

Wer regelmäßig in der Kantine isst, für den ist es sinnvoll, Lebensmittel mit Kohlenhydraten immer wieder mal testweise in der heimischen Küche abzuwiegen. So bekommt man ein gutes Gefühl dafür, wie bestimmte Gewichtsmengen eines Lebensmittels aussehen. Wer sich sein Essen zu Hause zubereitet und mitnimmt, erledigt das Einschätzen der Broteinheiten natürlich gleich dort.

Diabetes Typ 2: Ernährung & Co.

Typ-2-Diabetes tritt eher im Laufe des Lebens und meist bei älteren Menschen auf, kommt aber immer öfter auch bei Kindern und Jugendlichen vor. Dabei stellt der Körper zwar immer noch Insulin her, die Körperzellen werden aber allmählich immer unempfindlicher gegenüber Insulin und können es nicht mehr aufnehmen.

In Deutschland haben etwa 80 bis 90 Prozent aller Diabetiker*innen Typ-2-Diabetes – und sind oft gleichzeitig übergewichtig. Übergewicht gilt als entscheidender Risikofaktor für die Entstehung der Erkrankung. Deshalb zählt eine Umstellung der Lebensgewohnheiten mit zu den wichtigsten Maßnahmen: Wer die Ernährung umstellt, für ausreichend Bewegung sorgt und Übergewicht abbaut, benötigt häufig weniger oder gar keine Medikamente und beugt Komplikationen wie der diabetischen Retinopathie vor. Häufig reichen solche Maßnahmen bereits aus, um den Blutzuckerspiegel gut in den Griff zu bekommen. Viele Typ-2-Diabetiker*innen können daher nach einer erfolgreichen Ernährungsumstellung oft auf Medikamente verzichten oder zumindest deren Dosis verringern.

Auch Menschen mit Typ-2-Diabetes brauchen bei ihrer Ernährung keine spezielle Diätkost. Stattdessen sollte eine ausgewogene, fettarmeErnährung im Vordergrund stehen, die allgemeinen Ernährungsgrundsätzen folgt und bei der Vollwertkost im Vordergrund steht.