Blutzuckerwerte: Was ist normal?
Experten diskutieren über Blutzuckerwerte und mögliche Schäden der in ärztlichen Leitlinien empfohlenen Blutzuckersenkung. Das verunsichert die Patienten.
Blutzuckerwerte: Was ist normal?
Patienten mit Diabetes Typ 2 bekommen in der Regel Medikamente, die die Blutzuckerwerte in den Normal-Bereich absenken. Ob diese Therapie, die in den Leitlinien empfohlen wird, aber tatsächlich zum Wohle der Betroffenen ist, stellt eine Untersuchung des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Frage. Der "Nutzen einer normnahen Blutzuckersenkung bei Typ-2-Diabetes bleibt unklar", heißt es in dem Bericht. Das Institut verweist in seinem Gutachten auf Studien, wonach Patienten durch eine strenge Einstellung der Blutzuckerwerte zwar das Risiko für einen nicht-tödlichen Herzinfarkt senken, dafür aber häufiger eine sogenannte Hypoglykämie bekommen, einen viel zu niedrigen Blutzuckerwert. Er kann zur Bewusstlosigkeit oder selten zum Tode führen.
Blutzuckerwerte oft jahrelang schlecht eingestellt
Die Studien, auf die sich das Institut beruft, wurden vor mehreren Jahren in den USA und Europa durchgeführt. "An diesen Studien haben Patienten teilgenommen, die schon zehn Jahre an Diabetes erkrankt waren", sagt Prof. Andreas Fritsche, Pressesprecher der Deutschen Diabetesgesellschaft. "Die Blutzuckerwerte waren jahrelang schlecht eingestellt und Patienten erhielten plötzlich viele Medikamente, oft in wenig untersuchten Mehrfachkombinationen." Viele der oft übergewichtigen Langzeitpatienten litten außerdem bereits an Herz- und Kreislauferkrankungen.
Experte: Blutzuckerspiegel sollte gesenkt werden
"Manche Menschen könnten jetzt vielleicht sagen, dass bei lang bestehendem Typ-2-Diabetes das Senken des Blutzuckerspiegels mit allen Mitteln nichts bringt", meint der Tübinger Diabetologe Prof. Fritsche. "Das heißt aber noch lange nicht, dass man Typ-2-Diabetes nicht behandeln braucht, davor warne ich. Grundsätzlich gilt für die Wissenschaft: Es nützt sehr wohl, den Blutzuckerspiegel zu senken." Zu hohe Blutzuckerwerte können sich sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht gefährlich auswirken. Häufiges Wasserlassen, quälender Durst, Schwäche, Müdigkeit, Konzentrations-, Koordinations- und Sehstörungen können die Folge sein. Sehr hoher Blutzucker kann zur Bewusstlosigkeit und dem sogenannten diabetischen Koma führen, das sogar tödlich sein kann. Langfristig ruft ein erhöhter Zuckerspiegel unter Umständen Gefäßschäden, vor allem an Augen, Nieren und Nerven, der Herzkranzgefäße sowie der Hirn- und Beinarterien hervor.
Nur nüchtern sind die Blutzuckerwerte normal
Als in Ordnung gilt ein Blutzucker von 80 bis 100 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) und zwar nüchtern, das heißt wenn man mindestens acht Stunden nichts gegessen hat. Diese Maßeinheit Milligramm pro Deziliter Vollblut oder Blutplasma wird in Teilen Deutschlands und in Österreich verwendet, in manchen Teilen Deutschlands wird auch Millimol/Liter (mmol/l) verwendet. Im Laufe des Tages kann der Blutzuckerwert auf 140 mg/dl (7,7 mmol/l) ansteigen.
"Blutzuckerspiegel sollte sofort nach Diagnose gesenkt werden"
Sind die Blutzuckerwerte nüchtern höher als 126 mg/dl (7 mmol/l) oder weist der Patient neben den deutlichen klassischen Symptomen (siehe Kasten) einen hohen Zuckerwert über 200 mg/dl (11,1 mmol/l) im Blut auf, ist die Diagnose Diabetes eindeutig. "Es ist wichtig, dass der Diabetes gleich nach der Diagnose richtig behandelt wird und damit der Blutzuckerspiegel sofort gesenkt wird", sagt Prof. Fritsche. Ob das langfristig gut gelingt, wird am sogenannten HbA1c-Wert gemessen, der bei Gesunden meist unter 6 Prozent liegt. Bei Typ-2-Diabetikern sollten diese Blutzuckerwerte zwischen 6,5 und 7,5 Prozent liegen. Bei jüngeren Patienten sind niedrigere, bei älteren und kränkeren höhere HbA1c-Werte empfohlen.
Zunächst Umstellung auf vollwertige Ernährung
Die wichtigsten Säulen der Behandlung beim Typ-2-Diabetes sind zunächst die Umstellung auf eine vollwertige Ernährung, Gewichtsabnahme und regelmäßige körperliche Bewegung. Patienten können dies in Diabeteschulungen gemeinsam lernen. Empfohlen wird eine Gewichtsabnahme
- um 10 Prozent bei einem Body-Mass-Index (BMI) über 35
- um 5 Prozent bei einem BMI zwischen 27 und 35
Erst wenn dies nicht ausreicht, muss eine medikamentöse Therapie zur Senkung der Blutzuckerwerte begonnen werden. Neben den Antidiabetika in Tablettenform, die den Blutzuckersspiegel herabsetzen, müssen Patienten oft auch Insulin spritzen. Häufig benötigen sie auch Arzneien, die den Blutdruck und Blutfette (unter 100 mg/dl LDL-Cholesterin) senken.
Alarmzeichen für Diabetes
Typ 1: Wer seine Blutzuckerwerte nicht regelmäßig beim Arzt kontrollieren lässt, bei dem bleibt ein entstehender Diabetes zunächst unerkannt. Typisches Alarmzeichen für Diabetes vom Typ 1 ist meist ein ständig quälender Durst. Dadurch müssen Patienten häufiger Wasser lassen, besonders nachts. Zudem kann man sich allgemein schwach fühlen und Gewicht verlieren. Da die Körperzellen den Zucker nicht aufnehmen können, gewinnt der Körper die benötigte Energie aus Fettgewebe. Weitere Symptome können verschwommenes Sehen, Juckreiz und Infektionen der Haut oder der Harnwege sein. Die Symptome entwickeln sich beim Typ 1 oft in wenigen Wochen, die Messung der Blutzuckerwerte bringt Klarheit.
Typ 2: Die Anzeichen eines Typ-2-Diabetes dagegen bemerken viele noch weniger. Meist ist eine leichte, aber ständige Müdigkeit mit einer allgemeinen Schwäche das einzige Signal. Oft wird der Typ-2-Diabetes zufällig entdeckt, wenn beim Arzt die Blutzuckerwerte bestimmt werden. Bei Typ-2-Diabetes erregen manchmal erst Langzeitfolgen des Diabetes den Verdacht auf das Vorliegen der Erkrankung. Dazu gehören eine Herzkrankheit, Sehstörungen, Gefühllosigkeit in den Füßen oder schlecht heilende, offene Hautstellen an den Füßen.