Junge Frau misst Blutzucker.
© Getty Images/simpson33

Hypoglykämie: Wenn der Blutzucker zu niedrig ist

Von: Dr. rer. nat. Brit Neuhaus (Medizinautorin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 28.06.2023

Bei einer Hypoglykämie ist der Blutzuckerspiegel zu niedrig. Eine häufige Ursache ist ein insulinpflichtiger Diabetes. Aber auch andere Erkrankungen können zu einer Unterzuckerung führen. Welche das sein können, typische Symptome und welche Maßnahmen helfen.

Zusammenfassung

  • Definition: Bei einer Hypoglykämie (Unterzuckerung) ist der Blutzuckerspiegel zu niedrig.
  • Symptome: Typische Anzeichen können Herzklopfen, kalter Schweiß, Blässe, Zittern, Kopfschmerzen, Heißhunger, Unruhe, Konzentrationsprobleme, Seh- und Sprachstörungen, Verwirrtheit, Bewusstseinsverlust sowie Krämpfe sein.
  • Ursachen: Häufigste Ursache ist eine Fehldosierung von Insulin und anderen blutzuckersenkenden Medikamenten bei Menschen mit Zuckerkrankheit. Seltener liegen andere Erkrankungen zugrunde.
  • Diagnose: Die Diagnose erfolgt anhand der typischen Symptome in Kombination mit einer Messung des Blutzuckers.
  • Behandlung: Die Akutbehandlung erfolgt durch die Zufuhr zuckerhaltiger Lebensmittel, bei einer fortgeschrittenen Hypoglykämie durch Gabe einer Glukoselösung über die Vene.
  • Verlauf: Eine leichte Hypoglykämie, die rasch behandelt wird, hat eine gute Prognose. Unbehandelt kann die Unterzuckerung innerhalb von Minuten lebensbedrohlich werden.

Was ist Hypoglykämie?

Bei einem gesunden Menschen liegt die Glukosekonzentration im Blut zwischen 60 und 140 Milligramm pro Deziliter (mg/dl). Gewisse Schwankungen sind also völlig normal. In der Regel ist der Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten am höchsten und erreicht am Morgen vor der ersten Mahlzeit seinen Tiefststand. Sinkt der Blutzucker unter 60 mg/dl, sprechen Fachleute von einer Hypoglykämie, manche Labore legen sogar einen Grenzwert von 70 mg/dl zugrunde. Das entspricht Werten unter 3,3 beziehungsweise unter 3,9 Millimol pro Liter (mmol/l).

Bei gesunden Menschen leitet der Körper in der Regel eine hormonelle Gegenregulation ein, wenn der Blutzucker zu stark abfällt, beispielsweise indem er die Freisetzung des Blutzucker-senkenden Hormons Insulin drosselt und seine Zuckerreserven mobilisiert. Das ist wichtig, da insbesondere das Gehirn zwingend Glukose als Energielieferant benötigt. Bei einigen Erkrankungen gerät das empfindliche Gleichgewicht aber leicht außer Kontrolle und der Blutzucker sinkt unter den Normwert.

Während ein geringfügiger Unterzucker meist keine ernsthaften Komplikationen nach sich zieht, kann eine schwere Unterzuckerung lebensbedrohlich sein. Allerdings lässt sich der Schweregrad einer Hypoglykämie weniger an einem bestimmten Blutzuckerwert als an den individuellen Symptomen festmachen: Einige Menschen sind schon bei geringfügig verringerten Werten auf fremde Hilfe angewiesen, andere können sich noch bei einer relativ ausgeprägten Unterzuckerung selbstständig helfen.

Welche Symptome verursacht eine Hypoglykämie?

Eine Unterzuckerung kann sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen. Mögliche Symptome sind zum Beispiel:

  • Herzklopfen, hoher Puls
  • kalter Schweiß
  • Blässe
  • Zittern
  • Kopfschmerzen
  • weiche Knie
  • Heißhunger
  • Erbrechen
  • Unruhe, Angstgefühle
  • Verhaltensänderungen, zum Beispiel Reizbarkeit oder Aggressivität
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Sprachstörungen
  • Sehstörungen

Ohne geeignete Gegenmaßnahmen kann es innerhalb weniger Minuten zu einer schweren Hypoglykämie mit zunehmender Verwirrtheit, Bewusstseinseintrübungen bis hin zu Bewusstlosigkeit, Koma und Krampfanfällen kommen. Eine langanhaltende schwere Unterzuckerung kann zu bleibenden Hirnschäden und zum Tod führen. Treten Symptome einer Hypoglykämie auf, ist deshalb schnelles Handeln erforderlich.

Wichtig zu wissen: Bei Diabetiker*innen mit häufigen Hypoglykämien tritt im Laufe der Zeit oft ein Gewöhnungseffekt ein: Sie nehmen die Anzeichen nicht mehr rechtzeitig wahr und haben dadurch ein erhöhtes Risiko, unbemerkt in eine schwere Hypoglykämie zu geraten. Zudem gibt es bestimmte Medikamente (zum Beispiel Psychopharmaka oder Betablocker), die eine Unterzuckerung verschleiern können. In diesem Fall ist unter Umständen eine Therapieanpassung durch die behandelnde Arztpraxis ratsam.

Was verursacht eine Hypoglykämie?

Eine Unterzuckerung tritt am häufigsten bei Menschen auf, die aufgrund einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2) Insulin oder bestimmte andere blutzuckerregulierende Medikamente (zum Beispiel Sulfonylharnstoffe) einnehmen. Insulin sorgt nach einer Mahlzeit dafür, dass die Glukose aus dem Blut heraus in die Körperzellen transportiert wird, die den Zucker zur Energiegewinnung benötigen.

Damit dem Blut durch das Insulin nicht zu viel oder zu wenig Zucker entzogen wird, müssen Diabetikerinnen und Diabetiker ihren täglichen Insulinbedarf möglichst genau berechnen. Dieser ist allerdings nicht nur vom Kohlenhydratgehalt der Mahlzeiten, sondern auch vom täglichen Energieverbrauch – und damit beispielsweise von der körperlichen Aktivität – abhängig.

Faktoren wie unerwartete körperliche Belastungen, Stress, eine zu kleine oder große Portion beim Essen oder eine ungeplante oder vergessene Zwischenmahlzeit können also leicht dazu führen, dass die zuvor berechnete Insulinmenge nicht mit dem tatsächlichen Insulinbedarf übereinstimmt. Ist die gespritzte Insulinmenge zu hoch, sinkt der Blutzuckerspiegel zu stark ab und es kommt zu einer Unterzuckerung.

Hypoglykämie bei Menschen ohne Diabetes

Neben einem Diabetes können auch andere Faktoren und Erkrankungen eine Unterzuckerung begünstigen oder herbeiführen. Dazu zählen zum Beispiel:

  • starke körperliche Belastung
  • unzureichende Nahrungsaufnahme (zum Beispiel bei Diäten oder Essstörungen)
  • Leber- und Nierenversagen sowie einige andere Leber- und Nierenerkrankungen
  • Alkoholkonsum und Alkoholvergiftung
  • Cannabiskonsum
  • Blutvergiftung (Sepsis) und septischer Schock
  • Insulinome, also gutartige, Insulin-produzierende Tumoren der Bauchspeicheldrüse
  • ein Mangel an Wachstumshormonen
  • Unterfunktion hormonausschüttender Organe, zum Beispiel der Schilddrüse, der Nebenniere oder der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)
  • Operationen am Magen
  • Autoimmunerkrankungen
  • Störungen des Kohlenhydrat-, Aminosäure- oder Fettstoffwechsels

Welche Diagnostik ist bei Hypoglykämie notwendig?

Bei Patient*innen, die mit typischen Symptomen einer Hypoglykämie die Arztpraxis aufsuchen, erfolgt zunächst eine Messung des Blutzuckerwerts: Ist er zu niedrig und bessern sich zudem die Beschwerden nach der Zufuhr von Zucker rasch, bestätigt das den Verdacht auf eine Unterzuckerung.

Ist bereits ein Diabetes bekannt, geht es im nächsten Schritt darum, die möglichen Auslöser zu finden. Dabei spielen Faktoren wie körperliche Aktivität, Ernährung und Alkoholkonsum eine wichtige Rolle. Auch Fehler bei der Dosierung oder Einnahme des Insulins oder anderer Antidiabetika sind eine wichtige Ursache für zu niedrige Blutzuckerspiegel.

Bei Menschen ohne bekannten Diabetes sind unter Umständen weitere Untersuchungen notwendig, um die Ursache für die Hypoglykämie ausfindig zu machen. Häufig wird in diesem Fall ein Fastentest durchgeführt. Der Test erfolgt unter stationärer Überwachung im Krankenhaus und erfordert, dass die Betroffenen für längere Zeit, maximal aber 72 Stunden, keine Nahrung zu sich nehmen.

In dieser Zeit entnimmt das Behandlungsteam zu bestimmten Zeitpunkten Blut und ermittelt den Blutzucker, den Insulinspiegel sowie das sogenannte C-Peptid, das bei der Insulinbildung als Nebenprodukt entsteht. Aus der Entwicklung dieser Blutwerte sind erste Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Erkrankung möglich. Je nach konkretem Verdacht schließen sich danach weitere, gezielte Untersuchungen an. So geben zum Beispiel weitere Bluttests Aufschluss über die Funktion der Schilddrüse, der Niere oder der Leber.

Wie wird eine Hypoglykämie behandelt?

Eine Hypoglykämie erfordert im ersten Schritt eine Akutbehandlung, um den Blutzuckerspiegel schnellstmöglich zu normalisieren. Sobald die Ursache für die Hypoglykämie bekannt ist, erfolgt eine gezielte Therapie, um weitere Unterzuckerungen zu verhindern.

Akutbehandlung bei Hypoglykämie

Bei Symptomen einer Hypoglykämie ist rasches Handeln wichtig, denn wenn der Blutzucker zu stark absinkt, besteht Lebensgefahr.

  • Erste und schnelle Hilfe bieten etwas Traubenzucker oder Süßigkeiten (zum Beispiel Gummibärchen), ein Glas Fruchtsaft oder eine zuckerhaltige Limonade.

Süßstoffhaltige Getränke sind ungeeignet, da sie den Glukosespiegel nicht steigen lassen. Hat sich der Blutzuckerwert wieder normalisiert, ist es ratsam, zusätzlich eine kohlenhydrathaltige Mahlzeit zu sich zu nehmen, um einer erneuten Unterzuckerung vorzubeugen.

Bei Verdacht auf Unterzuckerung Dritter ist es wichtig, die andere Person dazu zu animieren, etwas Zuckerhaltiges zu sich zu nehmen, sofern sie noch bei Bewusstsein ist. Einige Menschen sind im Falle einer Hypoglykämie nicht mehr in der Lage, sich selbstständig zu versorgen und benötigen bei Bedarf Unterstützung beim Essen oder Trinken.

Menschen mit Typ-1-Diabetes, die ein besonders hohes Risiko für schwere Hypoglykämien haben, führen in der Regel ein Notfallmedikament mit sich. Es enthält das Hormon Glukagon, das dafür sorgt, dass Glukose aus den Glukosespeichern des Organismus ins Blut freigesetzt wird und der Blutzuckerspiegel wieder ansteigt. Sind Traubenzucker oder Notfallmedikament nicht zur Hand, ist es wichtig, schnellstmöglich den Notruf zu verständigen. Verliert die betroffene Person das Bewusstsein, muss sie in die stabile Seitenlage gebracht werden.

Menschen mit einer schweren Hypoglykämie werden häufig stationär im Krankenhaus behandelt, wo sie Glukose über die Vene erhalten, bis sich der Blutzucker normalisiert hat. Manchmal ist auch die Gabe von Sauerstoff über eine Sauerstoffmaske erforderlich.

Ursächliche Behandlung bei Hypoglykämie

Ist die Hypoglykämie unter Kontrolle, ist es wichtig, die Ursachen zu identifizieren, um eine gezielte Behandlung einleiten zu können.

Bei Diabetiker*innen, bei denen es häufiger zu einer Hypoglykämie kommt, ist oft eine Therapieanpassung erforderlich. In vielen Fällen ist auch ein spezielles Schulungsprogramm sinnvoll, das Betroffenen hilft, ihre medikamentöse Behandlung zu optimieren, Auslöser einer Hypoglykämie zu erkennen und zu vermeiden und im Falle einer Unterzuckerung richtig zu reagieren. Betroffene sollten für Notfälle außerdem immer Traubenzucker in fester oder flüssiger Form sowie ein Notfallset mit Glukagon bei sich haben.

Liegt eine andere Grunderkrankung vor, ist es notwendig, diese optimal zu behandeln, um weitere Hypoglykämien zu verhindern. Wie die Therapie genau aussieht, ist von Erkrankung zu Erkrankung unterschiedlich. Ein Insulinom (seltener Tumor) lässt sich beispielsweise operativ entfernen und eine Schilddrüsenunterfunktion wird mit Hormontabletten behandelt, um den Mangel an Schilddrüsenhormonen auszugleichen.

Verlauf und Hypoglykämie vorbeugen

Wie eine Hypoglykämie verläuft, hängt vor allem davon ab, ob es gelingt, rechtzeitig gegenzusteuern, also dem Organismus rasch schnell verwertbare Kohlenhydrate zuzuführen. Kommt es zu einer starken Hypoglykämie, sind schwere Verläufe mit Bewusstseinsverlust, Koma und bleibenden Hirnschäden bis hin zum Tod möglich.

Ob man einer Unterzuckerung vorbeugen kann, hängt von der Ursache ab. Häufigste Ursache für eine Hypoglykämie ist ein insulinpflichtiger Diabetes. In diesem Fall lässt sich eine Hypoglykämie durch eine optimale Therapieanpassung und intensive Schulungen oftmals verhindern.

Es ist immer wichtig, auf die Signale des Körpers zu hören und nicht zu zögern, eine ärztliche Praxis aufzusuchen, wenn Anzeichen einer Hypoglykämie auftreten oder das Blutzuckermessgerät zu niedrige Blutzuckerwerte anzeigt. Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes sollten zudem auch die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen in ihrer diabetologischen Praxis wahrnehmen, damit das Behandlungsteam Probleme in der Blutzuckereinstellung rechtzeitig erkennen und die Therapie bei Bedarf anpassen kann. Einer beginnenden Unterzuckerung lässt sich unterwegs durch mitgeführten Traubenzucker und einem Glukagon-Notfallset direkt entgegenwirken.