Mann in Unterhose hält sich die Nieren
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Nephrotisches Syndrom: Ursachen, Symptome und Behandlung

Von: Paula Vradelis (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 09.01.2024 - 12:31 Uhr

Das nephrotische Syndrom ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern beschreibt eine Vielzahl von Symptomen, die auf eine eingeschränkte Funktion der Nieren zurückzuführen sind. Es kann sowohl Kinder als auch Erwachsene betreffen. Mehr über Symptome und Behandlungen beim nephrotischen Syndrom erfahren Sie hier.

Zusammenfassung

  • Definition: Das nephrotische Syndrom ist ein Komplex verschiedener Symptome, der auf eine gestörte Nierenfunktion hinweist und sowohl Kinder als auch Erwachsene betreffen kann.
  • Symptome: Zu den Hauptsymptomen gehören ausgeprägte Ödeme am Körper, schäumender Urin aufgrund vermehrter Eiweißausscheidung (Proteinurie), erhöhte Blutfettwerte (Hyperlipidämie) und eine Neigung zu Blutgerinnseln. Die Proteinurie führt oft zu einem niedrigen Eiweißgehalt im Blut (Hypalbuminämie), was wiederum die Ödeme verstärken kann.
  • Ursache: Die Ursachen variieren von primären Nierenerkrankungen bis hin zu systemischen Erkrankungen, die die Nieren indirekt beeinträchtigen.
  • Diagnose: Die Diagnose umfasst Urin- und Bluttests, Ultraschalluntersuchungen und manchmal eine Nierenbiopsie zur genauen Bestimmung der zugrundeliegenden Ursache.
  • Therapie: Die Behandlungsmethoden variieren von symptomlindernden Medikamenten bis hin zu gezielten Therapien, die sich gegen die Ursachen des Syndroms richten.
  • Verlauf und Prognose: Der Verlauf ist variabel und hängt stark von der Ursache, dem Ansprechen auf die Behandlung und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Betroffenen ab.
  • Vorbeugen: Direkte Präventionsmaßnahmen gibt es nicht, aber ein gesunder Lebensstil, die Kontrolle von Grunderkrankungen und die Vermeidung von Nierenschädigungen können das Risiko vermindern.

Was ist das nephrotische Syndrom?

Das nephrotische Syndrom beschreibt einen Symptomkomplex und keine eigenständige Krankheit. Aufgrund einer beeinträchtigen Filterfunktion der Nierenkörperchen wird Eiweiß, das normalerweise im Blut verbleiben sollte, mit dem Urin ausgeschieden (Proteinurie). Durch den Verlust von Eiweiß (insbesondere Albumin) aus dem Blut, sinkt der Eiweißgehalt im Körper (Hypoproteinämie). Dies kann einen Flüssigkeitsaustritt aus den Blutgefäßen und damit Schwellungen im Gewebe (Ödeme) sowie erhöhte Blutfettwerte verursachen.

Welche Symptome sind möglich beim nephrotischen Syndrom?

Das nephrotische Syndrom präsentiert sich mit einer Vielzahl von Symptomen:

  • Flüssigkeitsansammlungen im Körpergewebe (Ödeme), zunächst um die Augen (periorbital), später am gesamten Körper
    • zwischen Lunge und Brustwand (Pleurahöhle)
    •  im Herzbeutel
    • in der Bauchhöhle
    • an den Schamlippen
    • am Hodensack
    • bei bettlägerigen Patienten am Rücken und/oder am Gesäß
  • Gewichtszunahme
  • schäumender Urin
  • erhöhte Blutfettwerte
  • Bluthochdruck
  • Komplikationen durch Nährstoffverluste im Urin:
  • Mangelerscheinungen
  • verzögertes Wachstum bei Kindern
  • Osteoporose
  • brüchige Haare und Nägel
  • erhöhte Neigung zu Blutgerinnseln (Thrombosen)
  • höhere Anfälligkeit für Infekte

Was sind die Ursachen für das nephrotische Syndrom?

Die Nieren spielen eine entscheidende Rolle bei der Reinigung des Blutes und der Entfernung von Schadstoffen. Beim nephrotischen Syndrom ist diese Funktion beeinträchtigt, vor allem aufgrund einer Fehlfunktion der Nierenkörperchen, die das sogenannte Glomerulum enthalten, ein Knäuel aus kleinsten Blutgefäßen. Ursächlich für die beeinträchtigte glomeruläre Filterfunktion sind oft Glomerulopathien, Erkrankungen des Nierengewebes, die durch direkte Schäden oder durch Antikörper vermittelte Reaktionen entstehen und die Nieren direkt betreffen. Andere systemische Erkrankungen, die den gesamten Körper beeinflussen, können ebenfalls zu einer Schädigung der Nieren führen.

Primäre Nierenerkrankungen (direkte Nierenschäden) als Ursache für das nephrotische Syndrom

  • Minimal-Change-Krankheit: Dies ist die häufigste Ursache des nephrotischen Syndrom bei Kindern. Bei dieser Krankheit sind bestimmte Zellen in den Nieren, die für die Filterung zuständig sind, beschädigt.
  • Membranöse Nephropathie: Diese Erkrankung tritt öfter bei Erwachsenen auf. Hier greift das Immunsystem, das normalerweise den Körper vor Krankheiten schützt, irrtümlich die Nieren an. Dies führt zu einer Verdickung der Filterbereiche in den Nieren, was deren Fähigkeit, das Blut zu reinigen, beeinträchtig.
  • Fokal-segmentale Glomerulosklerose: Bei dieser Erkrankung bilden sich Narben in den Filterstrukturen der Nieren. Diese Narben stören die normale Nierenfunktion und können zu einer eingeschränkten Filterleistung führen.
  • Membranoproliferative Glomerulonephritis: Das ist eine sehr seltene Art der Nierenentzündung, die durch eine überschießende Reaktion des Immunsystems verursacht wird. Diese überaktive Immunantwort kann die Nieren schädigen und ihre Funktion beeinträchtigen.

Sekundäre Ursachen für das nephrotische Syndrom

Das nephrotische Syndrom kann außerdem bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen entstehen:

  • Diabetes mellitus: Ein hoher Blutzuckerspiegel kann im Laufe der Zeit die Nieren schädigen.
  • Präeklampsie: Eine Erkrankung, die während der Schwangerschaft auftritt und durch hohen Blutdruck sowie Eiweiß im Urin gekennzeichnet ist.
  • Krebserkrankungen (z. B. Lymphome)
  • Virusinfektionen (z. B. HIV, Hepatitis B und C)
  • Autoimmunerkrankungen (z. B. Lupus erythematodes): Erkrankungen, bei denen das Immunsystem den eigenen Körper angreift, können auch die Nieren schädigen.
  • Amyloidose: Eine Erkrankung, bei der es zu Eiweißablagerungen in verschiedenen Organen, einschließlich der Nieren, kommt.

Zusätzlich können bestimmte Medikamente, wie entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR) und einige Antibiotika, ein nephrotisches Syndrom auslösen. Ebenfalls können Allergien, vor allem gegen Insektengifte, Auslöser sein.

Wie wird das nephrotische Syndrom diagnostiziert?

Um das nephrotische Syndrom zu diagnostizieren, ist eine genaue körperliche Untersuchung sowie die Erfassung der aktuellen Symptome und möglicher Vorerkrankungen notwendig. Außerdem werden folgende Untersuchungen vorgenommen:

  • Urinanalyse: Durch die Überprüfung des Urins durch Schnelltests oder einer 24-Stunden Urinprobe können erhöhte Proteinspiegel im Urin ermittelt werden.
  • Bluttests:
    • Eiweißgehalt im Blut: Das Hauptprotein Albumin ist oftmals erniedrigt im Blut Betroffener.
    • Fettwerte im Blut: Häufig ist eine Erhöhung der Blutfette bei diesem Syndrom zu beobachten.
    • Überprüfung der Nierenfunktion mit den Nierenwerten: Werte wie das Muskelabbauprodukt Kreatinin und die geschätzte Filtrationsrate der Nieren (eGFR) geben Aufschluss über die Nierenleistung.

Diese Tests sind entscheidend, um das nephrotische Syndrom zu diagnostizieren und dessen Schweregrad einzuschätzen:

  • Ultraschalluntersuchung: Eine Ultraschalluntersuchung kann die Nierenstruktur beurteilen und nach Flüssigkeitsansammlungen zum Beispiel im Bereich des Herzens oder der Lunge suchen.
  • Nierenbiopsie: Insbesondere bei unklaren Fällen kann eine Gewebeprobe der Niere entnommen werden, um die Ursache des Syndroms genau zu bestimmen.

Wie kann das nephrotische Syndrom therapiert werden?

Die Behandlung des nephrotischen Syndroms umfasst eine Reihe von Maßnahmen, die sowohl auf die Linderung der Symptome als auch auf die Behandlung der zugrundeliegenden Ursachen abzielen. Die spezifischen Therapien können sich jedoch für Kinder und Erwachsene unterscheiden:

Allgemeine symptomatische Behandlung (Kinder und Erwachsene):

  • Diuretika (Entwässerungstabletten/harntreibende Medikamente): Diese Medikamente helfen, überschüssige Flüssigkeit aus dem Körper zu entfernen und Schwellungen zu reduzieren.
  • ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB): Sie wirken blutdrucksenkend und reduzieren gleichzeitig die Proteinmenge, die über den Urin ausgeschieden wird.
  • Statine: Hohe Blutfettwerte können durch die Einnahme von Statinen gesenkt werden.
  • Antikoagulanzien (Blutverdünner): Durch diese Arzneimittel kann das Risiko von Blutgerinnseln verringert werden.
  • Impfungen (z. B. Pneumokokken, Influenza): Impfungen sind wichtig, da das Immunsystem bei Betroffenen des nephrotischen Syndroms geschwächt sein kann.
  • Ernährung: Eine ausgewogene, salzarme Ernährung, kann dabei helfen, Schwellungen zu verringern und den allgemeinen Gesundheitszustand zu unterstützen.

Spezifische Behandlung:

  • Kortikosteroide (wie Kortison): Sie sind oft die erste Wahl der Behandlung bei Kindern und Erwachsenen, insbesondere bei der Minimal-Change-Krankheit. Diese Medikamente wirken entzündungshemmend und helfen, die Ausscheidung von Proteinen im Urin zu verringern.
  • Immunsuppressiva: Unterdrücken das Immunsystem, um zu verhindern, dass es die Nieren angreift. Sie kommen bei Betroffenen zum Einsatz, die nicht auf Kortikosteroide ansprechen oder bei denen häufig Rückfälle auftreten. Beispiele für solche Immunsuppressiva sind Cyclophosphamid und Ciclosporin.
  • Antikörper-Therapien: In bestimmten Fällen, insbesondere bei glomerulären Erkrankungen, bei denen das Immunsystem die eigenen Nieren angreift, können Antikörper-Therapien wie Rituximab eingesetzt werden. Diese Therapien zielen darauf ab, spezifische Komponenten des Immunsystems zu blockieren oder zu modulieren, um die Nierenschädigung zu reduzieren.

Bei Erwachsenen kann eine längere oder intensivere Behandlung erforderlich sein, vor allem, wenn sekundäre Ursachen wie beispielsweise Diabetes mellitus oder Lupus erythematodes beteiligt sind.

In schweren Fällen mit Nierenversagen erfolgt die Behandlung per Dialyse. Dabei handelt es sich um ein medizinisches Verfahren, das zum Einsatz kommt, wenn die Nieren nicht mehr ausreichend funktionieren, um Abfallstoffe und überschüssige Flüssigkeit zu filtern.

Wie ist die Prognose des nephrotischen Syndroms?

Die Prognose des nephrotischen Syndroms variiert stark und ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu zählen die spezifische Ursache des Syndroms, das Alter und die allgemeine Gesundheit der Patient*innen. Hinzu kommen die Reaktion auf die Behandlung sowie das Vorhandensein eventueller Komplikationen.

Kinder, insbesondere solche, die von der Minimal-Change-Krankheit betroffen sind, haben oft eine gute Prognose. Obwohl sie meist auf die Kortikosteroidtherapie gut ansprechen und eine vollständige Genesung erreichen, sind regelmäßige Überwachungen wichtig, da Rückfälle bei dieser Form des nephrotischen Syndroms nicht ungewöhnlich sind. Daher kann eine fortgesetzte oder wiederholte Behandlung notwendig sein, um die Gesundheit langfristig zu sichern.

Die Prognose bei Erwachsenen ist sehr unterschiedlich und kann weniger günstig sein, insbesondere wenn die Erkrankung durch eine zugrundeliegende Systemerkrankung verursacht wird. Bestimmte Formen des Syndroms, wie die membranöse Nephropathie oder die fokal-segmentale Glomerulosklerose, können ein höheres Risiko für ein chronisches Nierenversagen darstellen.

Eine frühzeitige und wirksame Behandlung ist entscheidend für eine gute Prognose. Die Kontrolle der Symptome und der zugrundeliegenden Ursachen kann helfen, das Risiko von Komplikationen wie Infektionen, Thrombosen und letztlich einem Nierenversagen zu verringern.

Wie kann dem nephrotischen Syndrom vorgebeugt werden?

Direkte Vorbeugemaßnahmen für das nephrotische Syndrom gibt es nicht, da es sich oft um eine Folge komplexer und manchmal unbekannter Ursachen handelt. Allerdings können einige Maßnahmen unternommen werden, um das Risiko für Erkrankungen, die zum nephrotischen Syndrom führen können, zu verringern. Gleichzeitig lassen sich auf diese Weise Auswirkungen mildern, falls das Syndrom auftritt.

Gesunder Lebensstil:

  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, reich an Obst, Gemüse und Vollkornprodukten und arm an gesättigten Fetten und Zucker, kann helfen, die Gesundheit der Nieren zu unterstützen.
  • Körperliche Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann dazu beitragen, den Blutdruck zu senken und das Risiko von Erkrankungen zu reduzieren, die das nephrotische Syndrom auslösen könnten.

Kontrolle von bestehenden Erkrankungen

Die Kontrolle von bestehenden Grunderkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck oder Diabetes mellitus ist entscheidend, da diese Erkrankungen unter anderem auch zu Nierenschädigungen führen können.

Regelmäßige ärztliche Gesundheitschecks können dabei helfen, Probleme zu erkennen und frühzeitig zu behandeln.

Vermeidung von nierenschädigenden Substanzen:

  • Medikamente und Toxine: Einige Medikamente und Toxine können schädlich für die Nieren sein. Eine langfristige Einnahme von Schmerzmedikamenten (nichtsteroidale Entzündungshemmer, z.B. Diclofenac) sollte vermieden werden.
  • Rauchen stoppen: Durch das Rauchen kann es zu Bluthochdruck kommen und einer verschlechterten Durchblutung der Nieren. Somit steigt das Risiko für Nierenerkrankungen.

Grundsätzlich ist auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme zu achten. Diese unterstützt die Nierenfunktion und hilft, Abfallstoffe aus dem Körper zu entfernen