Eine Ärztin erklärt ihrem Patient etwas
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Nierenwerte: Wann sind sie zu hoch?

Von: Onmeda-Redaktion, Lydia Klöckner (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 17.10.2022

Weichen Nierenwerte im Blut wie Harnstoff, Kreatinin und die Kreatinin-Clearance vom Normalwert ab, kann dies ein Hinweis auf eine Nierenerkrankung sein. Was genau sagen die einzelnen Werte aus? In welchem Bereich sollten sie liegen?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was sind Nierenwerte?

Nierenwerte dienen dazu, festzustellen, ob die Nieren richtig arbeiten und gesund sind. Ermittelt werden sie in der Regel mithilfe von Blutuntersuchungen. Darüber hinaus können Ärzte auch mit Urinuntersuchungen, wie zum Beispiel mit Urinteststreifen oder einer Harnanalyse, die Funktion der Nieren prüfen.

Die Nierenwerte, die am häufigsten bestimmt werden, sind:

Normalwerte: Wann sind die Nierenwerte zu hoch?

Anhand der Nierenwerte kann man feststellen, ob die Nieren richtig arbeiten und gesund sind. Als Indikator hierfür gelten die Normalwerte von Harnstoff, Kreatinin und der Kreatinin-Clearance. Stellt der Arzt fest, dass die Nierenwerte über oder unter diesen Werten liegen, wird er weitere Untersuchungen durchführen, um herauszufinden, warum das so ist.

Hinweis: Sowohl die gemessenen Werte wie auch die definierten Grenzwerte können von Labor zu Labor unterschiedlich sein.

Harnstoff-Werte (in Milligramm pro Deziliter)

PatientNormalwerte
Erwachsener12-50 mg/dl
Kind15-36 mg/dl

Kreatinin-Werte (in Milligramm pro Deziliter)

PatientNormalwerte
Mannbis 1,1 mg/dl
Fraubis 0,9 mg/dl

Kreatinin-Clearance (in Millilitern pro Minute)

PatientNormalwerte (nach Alter)
Mannbis 30 Jahre ≥ 110 ml/min
40 Jahre ≥ 100 ml/min
50 Jahre ≥ 90 ml/min
60 Jahre ≥ 80 ml/min
70 Jahre ≥ 70 ml/min
Frau30 Jahre ≥ 95 ml/min
40 Jahre ≥ 85 ml/min
50 Jahre ≥ 75 ml/min
60 Jahre ≥ 65 ml/min
70 Jahre ≥ 55 ml/min

Nierenwerte: Was ist die Aufgabe der Nieren?

Die Hauptaufgabe der Niere ist es, das Blut zu filtern und dadurch zu reinigen. Sie halten dadurch auch den Körperhaushalt von Wasser, Mineralstoffen (Elektrolyten) sowie Säuren und Basen im Gleichgewicht. Giftstoffe wie auch Abbauprodukte, die im Stoffwechsel entstehen, werden ebenfalls über die Nieren ausgeschieden.

Kranke Nieren können ihre Filterfunktion oft nicht mehr wie gewohnt erfüllen, sodass vermehrt Stoffe ins Blut gelangen, die eigentlich mit dem Harn ausgeschieden werden sollten. Die erhöhte Konzentration dieser Stoffe im Blut kann der Arzt ermitteln – es sind die Nierenwerte.

So läuft die Filtration ab

Aus dem Blut, das durch die Nieren strömt, filtern sie die flüssigen Anteile – das sogenannte Plasma – heraus. Blutzellen und große Eiweiße passieren das Organ.

Aus dem Plasma produzieren die Nieren dann den sogenannten Primärharn. Dieser Primärharn enthält alle löslichen Stoffe des Bluts, sowohl die für den Körper wichtigen Substanzen, wie zum Beispiel Zucker (Glukose), als auch jene Stoffe, die für den Körper schädlich sind und ausgeschieden werden müssen.

Von dem Primärharn, auch Primärfiltrat genannt, bilden die Nieren etwa 180 Liter pro Tag. Dies ist möglich, da das gesamte Blutvolumen etliche Male durch die Nieren strömt und dabei wieder und wieder den Prozess aus Filtration und Konzentration durchläuft.

In weiteren Schritten entziehen die Nierenzellen dem Filtrat die für den Körper wertvollen Substanzen wieder (Resorption) und fügen dem Filtrat potenziell giftige Substanzen hinzu (Sekretion).

Schließlich entziehen die Niere dem Urin (Harn) Wasser, sodass von den 180 Litern Primärfiltrat letztlich etwa ein bis eineinhalb Liter Harn pro Tag übrig bleiben (je nach Trinkmenge). Geschwächte Nieren sind zu dieser Leistung nicht mehr in der Lage. Da folglich mehr Wasser ins Urin gelangt, müssen Patienten mit Nierenerkrankungen häufiger zur Toilette.

Video: 7 Tipps für gesunde Nieren

Harnstoff

Harnstoff ist das Hauptabbauprodukt des Eiweißstoffwechsels. Er entsteht in der Leber aus Spaltprodukten von Eiweißen (Proteinen) und wird zu etwa 90 Prozent über die Nieren ausgeschieden. Nimmt die Filtrationsleistung der Nieren ab, steigt deshalb die Harnstoffkonzentration im Blut. Der Laborwert für Harnstoff ist dann erhöht.

Zur Früherkennung von Nierenerkrankungen eignet sich der Harnstoff-Wert allerdings nicht: Er steigt erst, wenn die Nieren bereits ein Viertel ihrer Filtrationsleistung eingebüßt haben.

Weiterhin spielt für die Menge an Harnstoff im Blut eine Rolle, wie viel Eiweiß eine Person mit der Nahrung aufnimmt und wie viel der Körper davon abbaut – was auch von der Muskelmasse abhängt.

Anders als der Harnstoffwert werden der Kreatininwert und die aus ihm abgeleitete glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von weniger Faktoren beeinflusst. Durch diese Werte lässt sich die Filtrationsfunktion der Nieren zuverlässiger bestimmen. Darum hat die Bestimmung des Harnstoffs an Bedeutung verloren.

Harnstoff-Normalwerte (in Milligramm pro Deziliter)

PatientNormalwerte
Erwachsener12-50 mg/dl
Kind15-36 mg/dl

Ist der Harnstoffwert erhöht?

Dann kann dies folgende Ursachen haben:

Ist der Harnstoffwert zu niedrig?

Dann kann dies folgende Ursachen haben:

Kreatinin

Kreatinin ist ein Abbauprodukt von Kreatin, einem Stoff, der den Muskeln als Energiespeicher dient. Wenn die Muskeln Energie benötigen, wandeln sie Kreatin in Kreatinin um, das dann über die Nieren in den Harn ausgeschieden wird.

Wenn die Niere ihre Funktion als Filter nicht mehr optimal erfüllen kann, bleibt vermehrt Kreatinin im Körper. Der erhöhte Wert lässt sich im Blut nachweisen. Darum können Ärzte anhand des Kreatininwerts im Blut die Nierenfunktion beurteilen. Ein erhöhter Wert kann darauf hindeuten, dass die Funktion der Nieren durch eine Erkrankung beeinträchtigt ist.

Allerdings ...

  • ... gibt es auch Nierenfunktionsstörungen, die nicht zu einem Anstieg der Kreatininkonzentration führen.
  • ... ist ein leicht erhöhter Wert nicht immer Zeichen für eine Erkrankung: Auch Flüssigkeitsmangel, eine fleischreiche Ernährung oder Muskelschädigungen können erhöhte Werte verursachen. Da die Nieren mit zunehmendem Alter schlechter arbeiten, haben auch ältere Menschen meist einen höheren Kreatininwert.

Die Aussagekraft des Kreatininwerts ist also begrenzt. Einzig ein stark erhöhter Kreatininwert ist ein sicheres Zeichen für ein Nierenversagen.

Kreatinin-Normwert (in Milligramm pro Deziliter)

PatientNormalwerte
Mannbis 1,1 mg/dl
Fraubis 0,9 mg/dl

Kreatininwert zu hoch: Ursachen und Symptome

Dann kann dies folgende Ursachen haben:

  • akutes oder chronisches Nierenversagen (Niereninsuffizienz)
  • Muskelzersetzung (Rhabdomylose)
  • verlegte Harnwege (Harnsteine, Fehlbildung, sog. Wassersackniere oder fachlich "Hydronephrose")
  • Medikamente (z.B. Therapie mit Antibiotika wie Aminoglykosiden, Erythromycin und bei Therapie mit Zytostatika)
  • exzessiver Fleischkonsum
  • massive Muskelquetschung
  • Akromegalie (Stoffwechselstörung, bei der die äußersten Enden des Körpers, z.B. Finger, Zehen, Hände, Füße, Nase, Kinn, stark vergrößert sind)

Ist der Kreatininwert zu niedrig?

Dann kann dies folgende Ursachen haben:

  • Schwangerschaft
  • frühes Stadium des Diabetes mellitus
  • verminderte Muskelmasse

Kreatinin-Clearance

Die Kreatinin-Clearance ist eine sehr genaue Messmethode, um die Filtrationsleistung der Nieren zu bestimmen. Der englische Begriff Clearance bedeutet "Klärung" oder "Reinigung". Die Kreatinin-Clearance drückt also aus, wie viel Blutplasma die Nieren in einer bestimmten Zeit von Kreatin befreien, indem sie Harn bilden. Somit ist sie ein Wert für die Fähigkeit der Niere, Kreatinin auszuscheiden.

Der Vorteil der Kreatinin-Clearance: Während der Kreatininwert im Blutserum trotz stark gesunkener Nierenleistung noch im Normalbereich liegen kann, nimmt die Kreatinin-Clearance bereits krankhafte Werte an. Mit ihr lässt sich eine abnehmende Filtrationsleistung der Niere früher feststellen. Die Kreatinin-Clearance eignet sich folglich besser, um chronische Nierenerkrankungen oder eine kurzfristig eingeschränkte Funktion des Organs zu erkennen.

Der Nachteil der Kreatinin-Clearance: Die Messung ist vergleichsweise aufwändig. Zusätzlich zu einer Blutentnahme muss über einen Tag Urin gesammelt werden (sog. 24-Stunden-Urin). Der Arzt bestimmt dann neben der gesammelten Urinmenge die Kreatinin-Konzentration im Urin sowie in einer Blutprobe.

Daraus kann er die Kreatinin-Clearance errechnen, die angibt, wie viele Milliliter Blutplasma die Nieren pro Minute vom Kreatin gereinigt haben.

Kreatinin-Clearance (in Milliliter pro Minute)

PatientNormalwerte (nach Alter)
Mannbis 30 Jahre ≥ 110 ml/min
40 Jahre ≥ 100 ml/min
50 Jahre ≥ 90 ml/min
60 Jahre ≥ 80 ml/min
70 Jahre ≥ 70 ml/min
Frau30 Jahre ≥ 95 ml/min
40 Jahre ≥ 85 ml/min
50 Jahre ≥ 75 ml/min
60 Jahre ≥ 65 ml/min
70 Jahre ≥ 55 ml/min

Ist der Wert der Kreatinin-Clearance zu hoch?

Dann kann dies folgende Ursachen haben:

Ist der Wert der Kreatinin-Clearance zu niedrig?

Dann kann dies folgende Ursachen haben:

  • akutes oder chronisches Nierenversagen (Niereninsuffizienz)
  • verlegte Harnwege (Steinleiden, Fehlbildung, sog. Wassersackniere oder fachlich "Hydronephrose")
  • Medikamente (Überwachungsmaßnahme, z.B. bei Therapie mit Antibiotika wie Aminoglykosiden, Erythromycin sowie bei Therapie mit Zytostatika)

Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)

Als Glomeruli bezeichnet man die kleinen Gefäßknäuel, die in den Nieren für die Filtration des Blutes zuständig sind. Die sogenannte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gibt an, wie gut die Nieren ihre Filterfunktion erfüllen. Anhand der GFR teilen Ärzte beispielsweise Nierenkrankheiten in verschiedene Schweregrade ein.

Berechnung der GFR (glomeruläre Filtrationsrate): GFR = Kreatinin (Urin) / Kreatinin (Plasma) x Urinvolumen

Der Normalwert der GFR variiert je nach Alter und Geschlecht. Im Gegensatz zur Konzentration des Serumkreatinins, die mit nachlassender Nierenfunktion steigt, fällt die Kreatinin-Clearance beziehungsweise GFR, wenn sich die Funktion der Nieren verschlechtert.

Da die Bestimmung der GFR so aufwändig ist, gibt es auch verschiedene Näherungsformeln, mit deren Hilfe sich die GFR mit deutlich weniger zeitlichem Aufwand bestimmen lässt. Diese sind jedoch etwas ungenauer und nicht in allen Situationen geeignet. Am bekanntesten ist die sogenannte Cockroft-Gault-Formel sowie die aktuell am häufigsten angewendete sogenannte MDRD-Formel. Beide berücksichtigen neben dem Kreatinin-Wert im Blutplasma auch das Alter und das Geschlecht der Patienten, die Cockroft-Gault-Formel zusätzlich auch noch deren Körpergewicht