Abnehmspritze: Eine übergewichtige Frau spritzt sich Semaglutid.
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Semaglutid: Wirkung und Risiken der Abnehmspritze

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 25.07.2023

Abnehmen mithilfe einer Spritze? Der Wirkstoff Semaglutid macht genau das möglich. Er wurde zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt und war zunächst nur in den USA verfügbar. Nun wird die sogenannte Abnehmspritze auch in Deutschland verschrieben. Für wen ist Semaglutid geeignet, wie viel kostet die Spritze und welche Risiken sind möglich? 

FAQ: Häufige Fragen zu Semaglutid

Semaglutid ist zur Behandlung von Diabetes Typ 2 und Adipositas (BMI über 30) zulässig. Für andere Personengruppen ist der Wirkstoff nicht erforscht und darf entsprechend nicht verschrieben werden. Fachleute beobachten jedoch besorgt, dass in den sozialen Netzwerken mit dem Wirkstoff als Lifestyle-Trend geworben wird. 

Theoretisch ist es möglich, sich eine Überdosis zu spritzen. In der Praxis kommt es bei einer zu hohen Dosis jedoch zu so starken Nebenwirkungen, insbesondere zu Übelkeit, dass Anwendende die Behandlung meist vorzeitig abbrechen. In den wenigen bekannten Fällen einer Überdosis konnten sich alle Betroffenen wieder vollständig erholen.  

Nach aktuellem Wissensstand handelt es sich bei einer Semaglutid-Behandlung um eine lebenslange Therapie. Wird das Medikament abgesetzt, nehmen die meisten Menschen wieder an Gewicht zu. 

Nein, alle derzeit verfügbaren Medikamente mit dem Wirkstoff Semaglutid sind verschreibungspflichtig. Sie dürfen nur dann verschrieben werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (Diabetes Typ 2 oder Adipositas).

Was ist Semaglutid und wie wirkt es?

Semaglutid ist ein Wirkstoff, der ursprünglich zur Behandlung der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt wurde. 

Bei Typ-2-Diabetes reagiert der Körper nicht mehr ausreichend auf das Hormon Insulin oder produziert nicht genug davon. Insulin ist dafür verantwortlich, den Blutzuckerspiegel zu regulieren: Es sorgt dafür, dass Zucker aus dem Blut in die Zellen gelangt und ihnen als Energie zur Verfügung steht. Bei Menschen mit Diabetes ist dieser Prozess gestört. Ein Teil des Zuckers bleibt im Blutkreislauf und kann nicht verwertet werden. Die Folge ist ein hoher Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie), der langfristig verschiedene gesundheitliche Beschwerden wie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt hervorrufen kann. 

Hier setzt der Wirkstoff Semaglutid an. Er ahmt das natürliche Darmhormon GLP-1 nach, indem er den GLP-1-Rezeptor aktiviert und folgende Aufgaben übernimmt:

  • Insulin wird freigesetzt, wodurch das Sättigungsgefühl steigt.
  • Die Produktion des Hormons Glukagon wird verringert (Gegenspieler von Insulin, der den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt).
  • Die  Magen entleert sich langsamer.

Zusätzlich wirkt Semaglutid im zentralen Nervensystem: Als Hirnbotenstoff überbringt der Wirkstoff die Nachricht, dass dem Körper genug Nahrung zugeführt wurde. Der Appetit lässt nach, Betroffene essen weniger und verlieren in der Folge an Gewicht. 

Wie wird Semaglutid gespritzt?

Der Wirkstoff wird mit einem Fertigpen einmal wöchentlich ins Unterhautfettgewebe von Bauch, Oberarm oder Oberschenkel gespritzt – ähnlich wie eine Thrombosespritze. Ein Fertigpen ist eine Einweg-Spritze, die bereits mit einer Medikamenten-Dosis gefüllt ist. Das können Patient*innen eigenständig zuhause durchführen.

Interessierte können sich in ihrer hausärztlichen Praxis informieren. Der*die Arzt*Ärztin prüft, ob die Behandlung infrage kommt und kann den Injektionspen anschließend verschreiben. 

Ozempic und Wegovy: Medikamente mit Semaglutid

Semaglutid ist Bestandteil verschreibungspflichtiger Medikamente mit den Handelsnamen Ozempic und Wegovy. Ozempic wird in Deutschland schon länger zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt. Dabei zeigte sich, dass sich der Wirkstoff nicht nur positiv auf den Blutzuckerspiegel auswirkt, sondern auch eine starke Gewichtsabnahme zur Folge hat.

Auf dieser Grundlage entwickelten Fachleute das Medikament Wegovy. Die Injektionslösung ist doppelt so hoch dosiert wie Ozempic, was die Wirkung – also den Abnehmeffekt – noch verstärkt. Sie ist speziell für Menschen mit Adipositas gedacht und ist seit Juli 2023 auch in Deutschland erhältlich. Studien zufolge verlieren Patient*innen innerhalb von eineinhalb Jahren rund 10 bis 15 Prozent ihres Körpergewichts.

Semaglutid kaufen: Was kostet der Wirkstoff?

Die Kosten für das Medikament Ozempic werden derzeit nur von den Krankenkassen übernommen, wenn Diabetes diagnostiziert wurde. Bei Übergewicht zahlen die Patient*innen selber. Bei Wegovy werden die Kosten in keinem Fall übernommen, was sich aber noch ändern könnte. Der Preis variiert je nach Hersteller und Dosis. Im Schnitt belaufen sich die Kosten auf 200 bis 300 Euro pro Monat. 

Für wen ist Semaglutid geeignet?

Der Wegovy-Hersteller Novo Nordisk appelliert an medizinische Fachleute, das Arzneimittel nur zu verschreiben, wenn bestimmte Indikationen vorliegen.

Zugelassen ist die Semaglutid-Lösung für:

  • Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit Adipositas (BMI über 30)
  • Erwachsene mit starkem Übergewicht (BMI über 27), wenn Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Gelenkentzündungen oder Schlafapnoe vorliegen

Wichtig: Die Abnehmspritze sollte nie die einzige Maßnahme sein, um Übergewicht abzubauen. Vielmehr kann sie in Kombination mit körperlicher Aktivität und einer Ernährungsumstellung eingesetzt werden. Zudem sollte Semaglutid nur dann verschrieben werden, wenn es der betroffenen Person krankheitsbedingt nicht gelingt, ohne den Wirkstoff abzunehmen. Menschen, die lediglich leicht übergewichtig sind, sollten auf ausreichend Bewegung und eine ausgewogene, ballaststoff- und eiweißreiche Ernährung setzen. Hier können auch eine professionelle Ernährungsberatung sowie eine Psychotherapie helfen. 

Für wen eignet sich Semaglutid nicht?

Bislang wurde Semaglutid nur für Personen mit Diabetes sowie starkem Übergewicht geprüft. Für andere Personengruppen liegen keine Studiendaten vor. Deshalb gilt: Liegt nur leichtes Übergewicht (BMI zwischen 25 und 29,9) ohne Diabetes oder andere Begleiterkrankungen vor, ist der Einsatz von Semaglutid nicht vorgesehen. 

Zudem sollten folgende Personengruppen von einer Therapie mit Semaglutid absehen:

  • Frauen in der Schwangerschaft oder Stillzeit (Semaglutid sollte rund 2 Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden)
  • Kinder unter 12 Jahren
  • Personen, die auf den Wirkstoff Semaglutid reagieren
  • Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Nierenfunktionsstörungen

Risiken und Nebenwirkungen von Semaglutid

Semaglutid kann gerade zu Beginn der Behandlung Nebenwirkungen hervorrufen. Da das Medikament hauptsächlich im Verdauungstrakt und in der Bauchspeicheldrüse wirkt, kommt es insbesondere zu Magen-Darm-Beschwerden. Um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, wird die Dosis über den Zeitraum der Einnahme langsam gesteigert.

Sehr häufige Nebenwirkungen

Diese Beschwerden können zu einer Dehydrierung führen. Deshalb ist es wichtig, bei entsprechenden Symptomen viel zu trinken. Empfehlenswert sind Elektrolytgetränke, die Kalium, Salz und Zucker enthalten. 

Häufige Nebenwirkungen

Seltene Nebenwirkungen

Laut der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) könnte die Injektion von Semaglutid das Risiko von Schilddrüsenkrebs erhöhen. Grundlage der Annahme ist eine Studie mit Nagetieren. 

Wirkung kann ausbleiben

Nicht alle Menschen mit Übergewicht sprechen gleich auf den Wirkstoff an. In Einzelfällen bleibt eine Gewichtsabnahme aus – vermutlich passt der Rezeptor, der für die Kommunikation von Sättigung zuständig ist, nicht ausreichend mit dem Darmhormon GLP-1 zusammen. Auch bei Menschen mit der Essstörung Binge Eating kann es zu Schwierigkeiten kommen. Denn Betroffene essen typischerweise über ihr Hungergefühl hinaus.

Gewichtsverlust: Alternativen zu Semaglutid

Neben Semaglutid in Form von Ozempic und Wegovy gibt es weitere Wirkstoffe zur Gewichtsreduktion, die derzeit auf dem Markt sind. Jedes der Medikamente ist verschreibungspflichtig.

  • Saxenda mit dem Wirkstoff Liraglutid: Tägliche Injektion, reguliert den Appetit
  • Mysimba mit den Wirkstoffen Naltrexone/Burproprion: Einnahme in Tablettenform dreimal täglich, reguliert den Appetit
  • Orlistat mit dem gleichnamigen Wirkstoff: Einnahme in Tablettenform viermal täglich, hemmt den Fettaufbau.

Semaglutid gilt bisher jedoch als effektivstes Mittel in der Adipositas-Therapie. Die Pharmaindustrie forscht mit Hochdruck an weiteren Medikamenten auf Basis dieses Wirkstoffs.