Niacin
Niacin (früher auch Vitamin B3 genannt) ist lebensnotwendig. Unseren Bedarf daran decken wir über die Nahrung. Welche Lebensmittel liefern viel Niacin, wie ist seine Wirkung im Körper und was passiert bei einem Niacinmangel?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Allgemeines
Es gibt verschiedene Formen von Niacin. Dazu gehören vor allem Nicotinamid (bzw. Niacinamid) und Nicotinsäure. Der menschliche Körper kann beide Formen ineinander umwandeln.
Der Mensch nimmt Niacin direkt über niacinhaltige Lebensmittel auf. Der Körper bildet es aber auch aus eiweißhaltigen Lebensmitteln selbst: In der Leber kann er den Eiweißbaustein (bzw. die Aminosäure) Tryptophan aus der Nahrung in Niacin umwandeln. Aus 60 Milligramm (mg) Tryptophan entsteht so etwa 1 mg Niacin.
Darum ist es üblich, den Niacingehalt in Lebensmitteln und Angaben zum Niacinbedarf als Niacin-Äquivalente anzugeben. Dabei ist 1 mg Niacin-Äquivalente gleich
- 1 mg Niacin bzw.
- 60 mg Tryptophan
Steckbrief Niacin
- Formen: Nicotinamid (Niacinamid), Nicotinsäure und daraus abgeleitete Verbindungen
- Eigenschaften: wasserlöslich, relativ unempfindlich gegenüber Hitze und längerer Lagerung
- Vorkommen: v. a. in tierischen Lebensmitteln
- Tagesbedarf: 11 bis 17 mg Niacin-Äquivalente
- Niacinmangel: in Deutschland selten; fast nur infolge von Krankheiten (z. B. Alkoholismus, Magersucht, chronischer Durchfall, Leberzirrhose)
Niacin: Wirkung im Körper
Niacin ist an Reaktionen in allen Körperzellen beteiligt – zum Beispiel am Energiestoffwechsel, am Auf- und Abbau von Kohlenhydraten, Aminosäuren und Fettsäuren sowie an der Zellteilung. Zudem ist Niacin mitverantwortlich dafür, dass das Nervensystem und das Immunsystem funktionieren.
In der Medizin wird Niacin als Arzneimittel genutzt – vor allem zur Behandlung der Vitaminmangelerkrankung namens Pellagra. In Form von Nicotinsäure kam Niacin früher auch als Lipidsenker bei bestimmten Störungen des Fett- oder Cholesterinstoffwechsels zum Einsatz.
Daneben steckt Niacin wegen seiner positiven Wirkung auf die Haut in vielen Kosmetikprodukten zur äußerlichen Anwendung.
Zudem sind im Handel verschiedene Lebensmittel mit zugesetztem Niacin erhältlich. Dazu zählen auch Nahrungsergänzungsmittel. Welche gesundheitsbezogenen Aussagen zu solchen Produkten erlaubt sind, ist streng geregelt. So darf man Niacin beziehungsweise dessen Wirkung auf die Gesundheit wie folgt beschreiben:
- Niacin trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei.
- Niacin trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems bei.
- Niacin trägt zur normalen psychischen Funktion bei.
- Niacin trägt zur Erhaltung normaler Haut und Schleimhäute bei.
- Niacin trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.
Niacin: Tagesbedarf
Bei höherem Energieverbrauch benötigt der Körper mehr Niacin. Der Tagesbedarf unterscheidet sich darum je nach Alter und Geschlecht. Auch Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Niacinbedarf.
Zudem kann der Bedarf an Niacin durch bestimmte Erkrankungen (wie Alkoholismus oder Störungen des Verdauungssystems) erhöht sein.
Tabelle: Empfohlene Niacin-Zufuhr
Alter bzw. Personengruppe | Niacin-Äquivalente in Milligramm (mg) pro Tag |
0 bis unter 4 Monate | 2 |
4 bis unter 12 Monate | 5 |
1 bis unter 4 Jahre | 8 |
4 bis unter 7 Jahre | 9 |
7 bis unter 10 Jahre | Jungen: 11, Mädchen: 10 |
10 bis unter 13 Jahre | Jungen: 13, Mädchen: 11 |
13 bis unter 15 Jahre | Jungen: 15, Mädchen: 13 |
15 bis unter 19 Jahre | Jungen: 17, Mädchen: 13 |
19 bis unter 25 Jahre | Männer: 16, Frauen: 13 |
25 bis unter 51 Jahre | Männer: 15, Frauen: 12 |
51 bis unter 65 Jahre | Männer: 15, Frauen: 11 |
65 und älter | Männer: 14, Frauen: 11 |
Schwangere im 2. Trimester | 14 |
Schwangere im 3. Trimester | 16 |
Stillende | 16 |
Niacin: Lebensmittel mit hohem Gehalt
Gute Quellen für Niacin sind vor allem tierische Lebensmittel. So steckt in Fisch (z. B. Sardellen, Thunfisch, Lachs, Makrele), Fleisch (magerem Rindfleisch, Kalbfleisch, Schweinefleisch und Geflügel) sowie in Innereien besonders viel Niacin. Hinzu kommt, dass der Körper das Niacin aus tierischen Lebensmitteln gut verwerten kann.
Auch einige nicht-tierische Lebensmittel (wie Hülsenfrüchte, Erdnüsse und Pilze) liefern viel Niacin. Doch manche pflanzlichen Lebensmittel (wie Getreide) enthalten Niacin größtenteils in gebundener Form. Diese kann der Körper nur schlecht aufspalten, sodass ein Großteil des Niacins ungenutzt bleibt.
Das lässt sich allerdings durch die Zubereitung der Lebensmittel ändern: So wird beispielsweise das in Maismehl gebundene Niacin für den Körper besser verwertbar, indem man das Mehl mit Kalkwasser vorbehandelt.
Bei den in Deutschland vorherrschenden Essgewohnheiten sind Fleisch, Kaffee und Brot die wichtigsten Lieferanten von Niacin.
Die meisten Menschen in Deutschland sind allein durch die Nahrung ausreichend mit Niacin versorgt. Denn wer gesund ist und sich ausgewogen ernährt, erreicht die empfohlenen Zufuhrwerte für Niacin problemlos. Angereicherte Lebensmittel oder niacinhaltige Nahrungsergänzungsmittel sind also in der Regel überflüssig.
Video: 5 Regeln für eine gesunde Ernährung
So nehmen 15- bis 19-jährige männliche Jugendliche, deren Bedarf an Niacin am höchsten ist, beispielsweise schon durch folgende Lebensmittel die empfohlene Menge zu sich:
- 150 g Makrele (gebraten), 2 Scheiben (100 g) Vollkornbrot und 2 Tassen Kaffee oder
- 25 g Erdnüsse und 100 g Austernpilze (gebraten) oder
- 1 Vollkornbrötchen mit Sonnenblumenkernen, 100 g Mungobohnen (Konserve, gebraten) und 150 g Putenbrust (gebraten).
Übrigens: Beim Erhitzen oder bei längerer Lagerung bleibt der Gehalt an Niacin in einem Lebensmittel vergleichsweise stabil. Allerdings geht das Vitamin beim Kochen ins Wasser über. Darum ist es ratsam, das Kochwasser weiterzuverwenden.
Niacinmangel: Symptome & Ursachen
Wer über lange Zeit zu wenig Tryptophan und Niacin aufnimmt, entwickelt durch den Mangel eine Krankheit namens Pellagra. Erste allgemeine Anzeichen für den Niacinmangel sind:
- körperliche Schwäche,
- Appetitlosigkeit und
- Verdauungsstörungen.
Erst im fortgeschrittenen Stadium verursacht der Niacinmangel die für Pellagra typischen Symptome: Dann kommt es an den Stellen, die häufig der Sonne ausgesetzt sind, zu Hautveränderungen (griech. pélla = Haut). Daneben macht sich der ausgeprägte Mangel an Niacin bemerkbar durch
- Durchfall,
- Demenz (die mit Depression, Verwirrtheit oder auch Halluzinationen einhergehen kann) und
- Schleimhautveränderungen im Verdauungstrakt.
Bleibt der Niacinmangel unbehandelt, führt Pellagra letztendlich zu Multiorganversagen.
Ein so starker Niacinmangel kommt aber hauptsächlich in Entwicklungsländern vor. Ursache ist meist eine dauerhaft einseitige, niacinarme Ernährung: Zum Beispiel, weil die Menschen sich überwiegend mit unbehandelten Mais- oder Hirseprodukten ernähren. Denn das darin enthaltene Niacin kann der Magen-Darm-Trakt nur schwer aufschließen.
In Deutschland und anderen Industrieländern hingegen ist Niacinmangel sehr selten. Die meisten Menschen in Deutschland nehmen sogar mehr Niacin zu sich als nötig.
Ist der Bedarf an Niacin erhöht, kann jedoch ein leichter Mangel auftreten – etwa in der Schwangerschaft oder Stillzeit. Zudem kann eine sehr einseitige Ernährung, eine extreme Diät oder langes Fasten Mangelerscheinungen nach sich ziehen.
Wenn jemand in Deutschland einen schwerwiegenden Niacinmangel entwickelt, steckt meist eine Krankheit dahinter, bei der die Zufuhr, die Verwertung oder der Stoffwechsel von Niacin und/oder Tryptophan beeinträchtigt ist. Beispiele hierfür sind:
- Alkoholismus
- Magersucht
- entzündliche Darmerkrankungen mit chronischem Durchfall
- Magenkrebs
- Leberzirrhose
- Hartnup-Krankheit (eine vererbte Stoffwechselstörung)
Niacin: Überdosierung
Zu viel Niacin kann der Gesundheit schaden. Wer sich ausgewogen ernährt und dabei auf Lebensmittel mit natürlichem Gehalt an Niacin setzt, muss jedoch keine Überdosierung befürchten.
Anders ist das bei Nahrungsergänzungsmitteln, angereicherten Lebensmitteln oder Medikamenten, die Niacin enthalten: Darüber kann es eher zu einer Überdosierung mit Nebenwirkungen kommen. Entscheidend ist dabei jedoch die Form des Niacins.
Nicotinsäure kann in zu hohen Mengen verschiedene Nebenwirkungen verursachen. Wie sich die Überdosierung auswirkt, hängt von der Zufuhrmenge ab:
- Ab einer Tagesdosis von ca. 30 bis 50 mg Nicotinsäure kommt es häufig zur sogenannten Flush-Symptomatik mit
- örtlichen Hautrötungen (v. a. an Gesicht, Nacken und Armen),
- Hitzegefühl,
- Nesselsucht,
- Juckreiz und
- manchmal auch Schmerzen.
- Sehr hohe Dosierungen von mehreren g Nicotinsäure verursachen Magen-Darm-Beschwerden wie
- Langfristig kann eine starke Überdosierung von Nicotinsäure schwerwiegende Folgen haben, z. B.
- Gelbsucht,
- Schädigung der Leber,
- Störung des Glukosestoffwechsels und
- Augenschäden bis hin zur Erblindung (niacininduzierte Makulopathie).
Hingegen führt Niacin in Form von Nicotinamid nur selten zu Nebenwirkungen. Auch die Flush-Symptome bleiben bei einer Überdosierung mit Nicotinamid typischerweise aus.
Um unerwünschte Wirkungen von Niacin zu vermeiden, sollte laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die tägliche Gesamtzufuhr (durch die normale Ernährung plus angereicherte Lebensmittel und/oder Nahrungsergänzungsmittel) begrenzt sein auf:
- max. 10 mg Nicotinsäure und
- max. 900 mg Nicotinamid.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, nicht mehr als 4 mg Nicotinsäure oder 160 mg Nicotinamid pro Tag in Form von Nahrungsergänzungsmitteln einzunehmen. Präparate mit Einnahmeempfehlungen bis hin zu mehreren Gramm pro Tag sind laut BfR nicht sicher.
Hinweis: Die Empfehlungen zur Begrenzung der Niacinzufuhr gelten nicht für Fälle, in denen Nicotinsäure oder Nicotinamid aus medizinischen Gründen als Wirkstoff unter ärztlicher Kontrolle zum Einsatz kommt.
Übrigens: Zusätzlich eingenommenes Niacin birgt nicht nur das Risiko einer Überdosierung, sondern kann auch zu Wechselwirkungen mit Medikamenten führen (z. B. mit Diabetesmedikamenten oder Gerinnungshemmern). Wenn Sie Medikamente einnehmen, sollten Sie darum immer erst mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sprechen, bevor Sie zu niacinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln greifen.