Antiarrhythmika

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 18.01.2016

auch bezeichnet als:
Mittel gegen Herzrhythmusstörungen

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Antiarrhythmika" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Antiarrythmika werden bei Herzrhythmusstörungen angewendet. Die Ursache für diese Störungen kann entweder im Herzen selbst begründet sein, von einer anderen Krankheit herrühren oder als Nebenwirkung von Medikamenten auftreten. Weitaus am häufigsten sind schnelle Herzrhythmusstörungen mit einem beschleunigten Herzschlag (Tachykardie). Bei ihnen besteht immer die Gefahr, dass sie in das so genannte Kammerflattern oder Kammerflimmern übergehen und damit zum Herzstillstand führen. Langsame Herzrhythmusstörungen sind durch einen verzögerten Herzschlag (Bradykardie) oder auch ausbleibende, stolpernde Herzschläge (Synkopen) gekennzeichnet.

Bei der Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit Herzschlagbeschleunigung kommen vier Klassen von Antiarrhythmika zum Einsatz. Sie beinhalten auch Substanzen aus anderen Wirkstoffgruppen:
  • Klasse-I-Antiarrhythmika umfassen die so genannten "Natriumkanalblocker".
  • Klasse-II-Antiarrhythmika sind die Betablocker.
  • Klasse-III-Antiarrhythmika sind die so genannten "Kaliumkanalblocker".
  • Klasse-IV-Antiarrhythmika sind Calciumkanalblocker mit antiarrhythmischen Eigenschaften.
Weitere wirksame Substanzen gegen schnelle Arrhythmien sind Herzglycoside, Ivabradin, Adenosin und auch die Mineralien Kalium und Magnesium.

Arrhythmien mit verlangsamtem Herzschlag behandelt man heute fast ausschließlich durch den Einsatz von Herzschrittmachern. Das sind elektrische Taktgeber, die unter das Schlüsselbein gepflanzt werden. Sie bestehen aus einer Kompaktbatterie, einer Steuerungseinheit und Elektroden, die bis ins Herz reichen. Die Steuereinheit ist mit Sensoren ausgerüstet, welche den Herzschlag nach Bewegung und Temperatur regeln. Durch Einleitung von elektrischen Impulsen löst der Schrittmacher die Zusammenziehung des Herzmuskels aus. Lediglich bei Notfällen und kurzfristig kommen Medikamente für die Therapie eines drohenden Herzstillstandes durch Aussetzen des Herzschlags zum Einsatz.

Wirkung

Die Wirkung der Antiarrhythmika beruht im wesentlichen auf zwei Prinzipien: der Einflussnahme auf die Rezeptoren an den Herznerven und der Beeinflussung des Mineralhaushalts in den Muskel- und Nervenzellen des Herzens.

Wirkung an den Rezeptoren:
  • Das Herz hat ein eigenes Nervensystem, durch dessen Erregung der Rhythmus des Herzschlags vorgegeben sowie die Arbeit von Vorhöfen und Herzkammern abgestimmt wird. Die Erregung pflanzt sich dabei vom Sinusknoten (das ist der Schrittmacher des Herzens) zum sogenannten AV-Knoten (Atrioventrikularknoten, steuert die Herzvorhöfe) und von dort in weitere, untergeordnete Gebiete am Herzen fort. Durch den Sinusknoten wird im Normalfall die Herzfrequenz (das bedeutet, wie schnell das Herz schlägt) vorgegeben. An allen diesen Nervenzellen der Herzsteuerung sitzen Bindungsstellen (Rezeptoren) für Botenstoffe des vegetativen Nervensystems.
  • Das vegetative Nervensystem kann von uns nicht willentlich beeinflusst werden, da es von untergeordneten und daher unbewussten Hirnregionen gesteuert wird. Seine Aufgabe ist die Koordination und Regulation unserer Körper- und Organfunktionen. Es wird von zwei Nervensträngen, dem Sympathikus und dem Parasympathikus, beherrscht, die Gegenspieler sind. Im Wachen, bei Aktivität und unter Stress-Situationen ist der Sympathikus aktiviert. Mittels seiner Botenstoffe, der so genannten Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin, steigert der Sympathikus die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und stellt Energie für das bewusste Handeln bereit. Unter anderem schlägt das Herz schneller und der Blutdruck steigt.
  • Stellt sich der Mensch auf Ruhe und Nahrungsaufnahme ein, übernimmt der Parasympathikus die Steuerung. Normalerweise wird die Erregung des Parasympathikus durch den körpereigenen Botenstoff Acetylcholin (auch Muscarin genannt) ausgelöst. Das Acetylcholin bindet sich dabei an Muscarin-Rezeptoren des Parasympathikus unter anderem an der Muskulatur der inneren Organe und am Herzen. Jetzt beginnen die Muskeln des Verdauungstraktes und der Harnwege zu arbeiten, während das Herz langsamer schlägt und der Blutdruck sinkt.
Wirkung auf den Mineralhaushalt:
  • In den Herzmuskelzellen spielt die Menge bestimmter Mineralien (wie Natrium und Kalium) eine große Rolle für die Antwort auf den Nervenreiz und den richtigen Ablauf des Herzschlags. Durch Senkung oder Erhöhung der Konzentrationen dieser Mineralstoffe wird die Herzfrequenz beschleunigt oder verlangsamt.
  • In den Herznervenzellen entscheidet die Mineralienkonzentration an Calcium und Kalium über die Fortpflanzung des elektrischen Impulses und damit über die Geschwindigkeit der Reizweiterleitung.
Die Klassen-Einteilung der Wirkstoffe gegen schnelle Arrhythmien erfolgt nach ihrer Einflussnahme auf die verschiedenen Bedingungen für die Reizweiterleitung und -verarbeitung:
  • Klasse-I-Antiarrhythmika oder Natriumkanalblocker verhindern den Natriumeinstrom in die Herzmuskelzellen. Die Natriumblockade stabilisiert die Zellmembran und macht sie unempfindlicher für eintreffende Reize. Auf einen Reiz von den Schrittmachern des Herzens reagieren die Herzzellen nun langsamer oder schwächer. Zu diesen Substanzen zählen Chinidin, Disopyramid, Prajmalin, Detajmium, Lidocain, Mexiletin, Propafenon und Flecainid.
  • Klasse-II-Antiarrhythmika oder Betablocker wirken an bestimmten Rezeptoren des Nervensystems am Herzen. An diese Rezeptoren binden sich normalerweise Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin und regen das Herz an, schneller zu arbeiten. Durch die Blockierung dieser Signale kann das Herz wieder regelmäßiger und langsamer schlagen. Aufgrund ihrer relativ guten Verträglichkeit gelten die Betablocker als Basistherapie bei schnellen Herzrhythmusstörungen.
  • Klasse-III-Antiarrhythmika blockieren Kalium in seiner Wirkung in den Herzmuskelzellen und verlängern damit die Dauer der Herzaktion (das so genannte Aktionspotenzial, in dem sich das Herz zusammenzieht). Das Herz schlägt langsamer. Zusätzlich wird das Herz unempfindlicher gegen neue Reize, die einen weiteren, gleich anschließenden Herzschlag auslösen würden. Die Herabsetzung der Herzempfindlichkeit kann Unregelmäßigkeiten im Herzschlag weitgehend verhindern. Amiodaron, Ibutilid und Sotalol (letzteres gehört auch zu den Betablockern) sind Vertreter dieser Gruppe.
  • Klasse-IV-Antiarrhythmika oder Calciumkanalblocker verringern am Sinus- und AV-Knoten den Calciumeinstrom in die Nervenzellen. Dadurch wird eine schnelle Weiterleitung der Signale zur Erhöhung der Herzfrequenz gebremst, das Herz schlägt langsamer. Dazu gehören Verapamil, Diltiazem und Gallopamil.
Die Wirkmechanismen der übrigen genannten Antiarrhythmika werden im Folgenden beschrieben:
  • Herzglycoside hemmen die Erregungsleitung von den Vorhöfen zu den Herzkammern und bewirken neben einer Verstärkung der Zusammenziehung des Herzmuskels eine Abnahme der Herzfrequenz.
  • Adenosin öffnet Kaliumkanäle am Sinusknoten und schließt Calciumkanäle am AV-Knoten. Daraus ergibt sich eine längere Zeit der Reizunempfindlichkeit der Herznerven und eine Blockade der Reizleitung von den Vorhöfen und den Herzkammern.
  • Ivabradin hemmt einen elektrischen Strom am Haupttaktgeber im Herzen, dem Sinusknoten. Dadurch wird der Pulsschlag verlangsamt. Auf die Aktivität der nachgeschalteten Nervenbündel im Herzen hat Ivabradin keinen Einfluss.
  • Kalium und Magnesium sind für die normale Herzfunktion absolut notwendig. Wie oben dargestellt, spielt Kalium eine Schlüsselrolle sowohl in den Herzmuskelzellen wie in den Zellen der Herznerven. Patienten mit schnellen Arrhythmien haben daher meist auch eine zu niedrige Kaliumkonzentration im Blut, die oft zusammen mit zu niedrigen Magnesiumwerten auftritt. Untersuchungen haben gezeigt, dass Magnesium die Aufnahme von Kalium in die Zellen fördert.
Bei langsamen Herzrhythmusstörungen wirken Atropin und Ipatropium aus der Gruppe der Muscarinrezeptor-Antagonisten auf das vegetative Nervensystem als Gegenspieler des Botenstoffs Acetylcholin. Sie besetzen dessen Rezeptoren, ohne die gleichen Effekte auszuösen. Daher wirken sie am Herzen beschleunigend auf den Herzschlag. Den gleichen Effekt, nur durch Förderung des Nervenbotenstoffs Adrenalin, haben Adrenalin selbst und Orciprenalin aus der Wirkstoffgruppe der Beta-Sympathomimetika.