Atropin

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 14.03.2017

Allgemeines

Atropin ist ein Wirkstoff, der fast nur im Krankenhaus zur Anwendung kommt. Er wird bei der Narkosevorbereitung eingesetzt, aber auch zur kurzzeitigen Therapie von akut aufgetretenen Herzrhythmusstörungen mit verlangsamtem Herzschlag.

 

Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?

  • Pupillen erweitern
  • Atemfunktion stärken
  • Herzleistung steigern
  • Verdauungsvorgänge dämpfen
  • Muskelspannung steigern

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Atropin im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Atropin nicht verwendet werden?

Atropin darf nicht angewendet werden bei

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff und chemisch ähnliche Substanzen
  • einer speziellen Form des Grünen Stars (Engwinkelglaukom)
  • Herzrasen, wenn es im Rahmen einer Herzmuskelschwäche oder Schilddrüsenüberfunktion oder einer Überdosierung von Schilddrüsenhormonen auftritt
  • schnellen Herzrhythmusstörungen
  • Verstopfung eines Herzkranzgefäßes
  • Verschlüssen des Magen-Darm-Kanals und Dünndarmlähmung
  • krankhaft erweiterten Dickdarmabschnitten (Megakolon)
  • Verlegung der Harnwege (beispielsweise durch gutartige Prostata-Vergrößerung mit Restharnbildung
  • der Muskelerkrankung Myasthenia gravis
  • akuter Wasseransammlung in der Lunge (Lungenödem)
  • Schwangerschaftsvergiftung.

Bei Gebrauch von Atropinals Gegenmittel bei Vergiftungen mit Cholinesterase-Hemmstoffen gelten die genannten Einschränkungen nur bedingt, da in diesen Fällen eine Atropin-Therapie als lebensrettend angesehen werden muss.

Nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt und unter seiner Kontrolle darf Atropin verwendet werden bei

  • Säuglingen und Kleinkindern bis zum zweiten Lebensjahr sowie Erwachsenen über 65 Jahren, ebenso Patienten mit Down-Syndrom, weil diese Personen sehr empfindlich auf den Wirkstoff reagieren
  • fiebernden Patienten, insbesondere bei Kindern und bei hoher Lufttemperatur, weil Atropin die Schweißbildung hemmt und es dadurch zu Überwärmung kommen kann
  • Patienten mit frischem Herzinfarkt, weil es zu schnellen Herzrhythmusstörungen bis zum Kammerflimmern kommen kann
  • Herzmuskelschwäche, Verlegung der Mitralklappe im Herzen, Bluthochdruck und Schilddrüsenüberfunktion, weil Herzrasen dabei unbedingt vermieden werden muss.
 

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Atropin wird in der Schwangerschaft nur unter strengster Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt, da ansonsten eine mögliche zu langsame Herzfunktion beim Ungeborenen übersehen werden könnte. Die Anwendung von Atropin während der Geburt und bei einer Kaiserschnitt-Operation ist verboten, da bei Mutter und Kind Herzrasen auftreten kann. Es besteht die Gefahr, dass das unbewussten Nervensystems beim Ungeborenen beeinträchtigt wird und somit nach der Geburt die Anpassung des Neugeborenen an die Umwelt beeinflusst wird.

Da Atropin in die Muttermilch übergeht, sollte bei Anwendung des Wirkstoffs abgestillt werden.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Auch Säuglinge und Kleinkinder können mit Atropin behandelt werden. Allerdings reagieren sie bis zum zweiten Lebensjahr besonders empfindlich auf Überdosierungen.

Welche Nebenwirkungen kann Atropin haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Atropin. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Die Nebenwirkungen von Atropin sind dosisabhängig.

In schwacher Dosierung bewirkt verlangsamt Atropin den Herzschlags und kann zu einer leichten Mundtrockenheit führen.

Mittlere Dosierungen führen regelmäßig zu Mundtrockenheit, Abnahme der Schweißproduktion (Hauttrockenheit), Herzrasen, Sehstörungen infolge Pupillenerweiterung und Störung des Scharfsehens.

Bei höherer Dosierung oder besonderer Empfindlichkeit können die genannten Nebenwirkungen verstärkt auftreten. Es kann zu Reizleitungsstörungen am Herzen kommen mit Herzrhythmusstörungen, die von den Herzkammern und darüber ausgehen. Weitere Nebenwirkungen sind Muskelschwäche und Bewegungsstörungen, Störungen des Harnlassens und der Verdauung, Schluckstörungen und Sodbrennen. Auch Sprachstörungen, Unruhe- und Erregungszustände, Wahnvorstellungen, Verwirrtheitszustände, Krämpfe, Delirium und Koma sind möglich. Atropin kann außerdem einen Anfall von Grünem Star auslösen.

Sehr seltene Nebenwirkungen sind Angina pectoris-Beschwerden und eine starke Erhöhung des Blutdruckes bis hin zur Hochdruckkrise.

Bei länger dauernder Behandlung kann sich eine Speicheldrüsenentzündung als Folge der gehemmten Speichelproduktion entwickeln.

Bei Patienten mit Down-Syndrom können schon bei niedrigen Dosen eine starke Pupillenerweiterung und ausgeprägtes Herzrasen auftreten.

Überempfindlichkeitsreaktionen können in Form von Bindehautentzündung, Hautentzündung rund um das Auge, Juckreiz, Hautausschlag und -rötung sowie Nesselsucht auftreten. Sehr selten kommt es zum allergischen Schock.

 

Welche Wechselwirkungen zeigt Atropin?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Atropin verstärkt die Wirkung und Nebenwirkungen folgender Substanzen:

Die gleichzeitige Anwendung des Magenmittels Cisaprid und Atropin führt zu einer vollständigen Aufhebung der Cisaprid-Wirkung.

Infolge der durch Atropin verminderten Darmtätigkeit werden gleichzeitig verabreichtes Digoxin (ein Herzglykosid) und Nitrofurantoin (ein Antibiotikum) verstärkt, das Psychopharmakon Phenothiazin und das Parkinson-Mittel Levodopa vermindert in den Körper aufgenommen.
 

 

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Besonders bei der Therapie von Herzrhythmusstörungen muss der Arzt das EKG und den Patienten ständig überwachen.
  • Das Medikament darf nur unter Aufsicht eines Arztes verwendet werden.
  • Das Medikament kann die Sehleistung und das Reaktionsvermögen so weit herabsetzen, dass Autofahren, das Bedienen von Maschinen oder das Arbeiten ohne sicheren Halt gefährlich sind. Dies gilt im verstärkten Maß im Zusammenwirken mit Alkohol.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

 

Welche Medikamente beinhalten Atropin?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Atropin enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

 
Medikament
Darreichungsform
ATROPINSULFAT AGUETTANT 100/ -200 Mikrogramm/ml Injektionslösung in einer Fertigspritze
Injektionslösung

 

So wirkt Atropin

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Atropin. Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe Antiarrhythmika, zu welcher der Wirkstoff Atropin gehört.

Anwendungsgebiet des Wirkstoffs Atropin

Atropin ist ein Wirkstoff, der fast nur im Krankenhaus zur Anwendung kommt. Er wird bei der Narkosevorbereitung eingesetzt, aber auch zur kurzzeitigen Therapie von akut aufgetretenen Herzrhythmusstörungen mit verlangsamtem Herzschlag.

Außerdem dient Atropin als Gegenmittel bei einer Vergiftung mit Cholinesterase-Hemmstoffen. Solche werden als Medikamente eingesetzt, sind aber auch Bestandteil von Pflanzenschutzmitteln und Giftpilzen.

 

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Atropin sind vertiefende Informationen verfügbar:

Wirkungsweise von Atropin

Atropin kommt in verschiedenen Nachtschattengewächsen wie beispielsweise der Tollkirsche (Atropa belladonna) vor.

Atropin stellen den Gegenspieler von Acetylcholin dar. Acetylcholin ist ein Nervenbotenstoff, der den Parasympathicus erregt, einen Teil des unbewussten Nervensystems. Acetylcholin sorgt beim Andocken an die entsprechenden Nerven-Rezeptoren für einen Ruhemodus des Körpers: Der Herzschlag wird langsamer, die Muskelspannung lässt nach und das gesamte Verdauungssystem wird aktiviert.

Atropin hebt alle diese Wirkungen auf. Es beschleunigt den Herzschlag, hemmt den Speichelfluss und die Bewegungen des Magen-Darm-Kanals, hemmt die Schleimproduktion, löst Bronchialkrämpfe und lässt die Harnblase erschlaffen. Zudem erweitert es die Pupille und verursacht verschwommenes Sehen, weil die Muskeln, die für eine Scharfstellung der Linse sorgen, gelähmt werden.

 

Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.