Eine Jugendliche liegt im krankenhausbett, ein Arzt setzt ihr eine Sauerstoffmaske auf
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PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome)

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin) , Brit Weirich (Medizinredakteurin. M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 09.05.2022

PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) ist eine seltene, aber gefährliche Entzündungsreaktion des Körpers bei Kindern, die sich etwa zwei bis sechs Wochen nach einer Covid-19-Infektion zeigt. Es können mehrere Organe betroffen sein. Ursache ist sehr wahrscheinlich eine Überreaktion des Immunsystems auf das Coronavirus SARS-CoV-2. Lesen Sie mehr über die Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. 

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

PIMS: Was ist das?

PIMS, auch als Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) bekannt, ist eine neue Erkrankung, die erstmals 2020 in Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen bei Kindern beschrieben wurde. Es beginnt häufig mit Fieber und Bauchschmerzen und tritt meist nach milden Verläufen oder sogar symptomlosen Infektionen auf.

Kinder mit PIMS müssen in einem Krankenhaus behandelt werden – die Mehrheit auf der Intensivstation. Die Erkrankung kann zu einem Schock mit niedrigem Blutdruck, Atemnot und Bewusstseinstrübung führen. Unbehandelt kann die Erkrankung tödlich enden. Bislang sind in Deutschland 840 Fälle Kinder und Jugendliche mit PIMS gemeldet und tödliche Verläufe hat es hierzulande noch nicht gegeben (Stand: 22.4.2022).

PIMS und Kawasaki-Syndrom

PIMS ähnelt in vielen Punkten dem Kawasaki-Syndrom, das ebenfalls eine Entzündungsreaktion des Körpers auf vorausgegangene Infektionen ist. Zum Beispiel treten beim Kawasaki-Syndrom wie bei PIMS hohes Fieber, Hautausschläge und geschwollene Hände und Füße auf. Je nach Verlauf haben an PIMS erkrankte Kinder eins bis fünf Symptome von Morbus Kawasaki.

Jedoch weisen die nach Covid-19 aufgetretenen Fälle Unterschiede zum Kawasaki-Syndrom auf. Während es sich beim Kawasaki-Syndrom um eine Gefäßentzündung (Vaskulitis) handelt, betrifft PIMS offenbar den ganzen Körper. So klagen die erkrankten Kinder zusätzlich über starke Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfälle. Die Altersspanne ist zudem größer. Während am Kawasaki-Syndrom vor allem kleine Kinder erkranken, betrifft PIMS auch ältere Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre. Bislang sind Kinder männlichen Geschlechts häufiger betroffen als Kinder weiblichen Geschlechts.

Es scheint sich also um ein eigenständiges Krankheitsbild zu handeln, bei dem der Körper speziell auf das Coronavirus SARS-CoV-2 reagiert. Aus diesem Grund hat man sich dazu entschlossen, der Erkrankung einen eigenen Namen zu geben: PIMS-TS – kurz PIMS – für "Pediatric inflammatory multisystem syndrome temporally associated with severe acute respiratory syndrome coronavirus 2".

PIMS: Symptome

Folgende Symptome kennzeichnen PIMS:

Folgende Kriterien müssen laut der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) erfüllt sein, damit ein Krankheitsfall als PIMS diagnostiziert wird:

  • Fieber
  • erhöhte Entzündungswerte
  • mindestens zwei Organbeteiligungen
  • Nachweis einer (vergangenen) Covid-19-Infektion
  • Ausschluss anderer Ursachen

PIMS: Ursachen

Wie beim Kawasaki-Syndrom sind die Ursachen für PIMS noch nicht geklärt. Einen Zusammenhang zwischen Covid-19 und PIMS gibt es ganz offensichtlich, jedoch ist er kausal noch nicht belegt. Es ist unklar, aus welchen Gründen manche Kinder das Syndrom entwickeln. Klar ist: Es kann auch nach symptomfreien Infektionen auftreten. Das betrifft sogar die Mehrheit der an PIMS erkrankten Kinder. 

Man geht davon aus, dass PIMS wie das Kawasaki-Syndrom vermutlich auch, auf eine zeitverzögerte, aber überschießende Immunreaktion des Körpers auf ein Antigen zurückzuführen ist. Ein Antigen ist ein Molekül auf der Oberfläche eines Bakteriums oder Virus – in diesem Fall SARS-CoV2. Anhand des Antigens erkennt und bekämpft unser Körper Krankheitserreger wie das Coronavirus.

Die überschießende Immunreaktion hat zur Folge, dass sich die Abwehrkräfte nicht mehr nur gegen den Erreger richten, sondern auch körpereigene Organe angreifen – ähnlich einer Autoimmunerkrankung. Dafür spricht, dass der Krankheitsbeginn mit dem Maximum der Antikörperproduktion zusammenfällt. Solche Überreaktionen des Immunsystems sind oft genetisch veranlagt und kommen in manchen Familien gehäuft vor. Anders als bei Autoimmunerkrankungen verläuft PIMS jedoch akut und nicht chronisch.

Forschende aus Australien gingen den genauen Ursachen von PIMS oder einem akuten Atemnot-Syndrom (ARDS) bei Kindern auf den Grund. Die Fachleute verglichen das Blut von 34 Kindern mit schwerem Covid-19-Verlauf mit Proben von 20 gesunden. 

Das Blut von Kindern, welche an PIMS oder ARDS litten, wies Gemeinsamkeiten auf. Bei gesunden Kindern waren diese Veränderungen nicht vorhanden. Insgesamt kamen 82 spezifische Proteine im Blut in Verbindung mit PIMS und 52 Proteine bei ARDS-Proband*innen vor.

Diese beiden Faktoren offenbarten, dass besonders die Blutgerinnung sowie die Reaktion von Proteinen innerhalb des Immunsystem als Reaktion auf Sars-CoV-2 schwere Folgen verursachen.

Die Untersuchung zeigt das erste Mal die Relevanz der Blutgerinnungs- und Immunproteinwege bei Covid-19. Die Erkenntnisse sollen künftig bei der Behandlung der Corona-Folgen beachtet werden.

Warum vor allem Kinder und Jugendliche betroffen sind, ist ebenfalls noch unklar. Wissenschaftler*innen vermuten, dass das Immunsystem bei jungen Menschen reaktionsfreudiger ist und deshalb eher zu einer überschießenden Immunantwort neigt. 

PIMS: Diagnose

Um PIMS als Diagnose festzulegen, müssen folgende sechs Kriterien erfüllt sein:

  • Alter der*des Betroffenen zwischen 0 und 19 Jahren
  • Fieber, das mindestens drei Tage lang anhält
  • Anzeichen einer Erkrankung von mindestens zwei Organen (Haut/Schleimhäute/Augen, niedriger Blutdruck oder Schock, Herzerkrankung, Blutgerinnungsstörungen, akute Magen-Darm-Beschwerden)
  • Eine Blutuntersuchung ergibt erhöhte Entzündungswerte (bestimmt werden BSG, CRP oder Procalcitonin)
  • Es gibt keine andere Erklärung für die Beschwerden (etwa eine Sepsis oder ein bakterieller Infekt)
  • Eine Covid-19-Infektion kann mittels PCR-Test oder Antikörpertest nachgewiesen werden oder es bestand Kontakt zu einer infizierten Person

Kinder mit Verdacht auf PIMS werden in ein Krankenhaus eingewiesen. Neben einer körperlichen Untersuchung erfolgen eine Blutuntersuchung und ein Corona-Test. Andere mögliche Erkrankungen wie eine Sepsis, das toxische Schocksyndrom, eine Darminfektion oder eine Herz-Lungen-Erkrankung gilt es auszuschließen.

PIMS: Therapie

Da sich PIMS und Kawasaki-Syndrom sehr ähneln und rund 50 Prozent der PIMS-Patient*innen auch die Symptome des Kawasaki-Syndroms aufweisen, ist die Behandlung fast identisch.

Diese umfasst zum einen die Gabe von Immunglobulinen ins Blut, um die Immunreaktion zu vermindern. Und zum anderen erhalten die betroffenen Kinder Acetylsalicylsäure (ASS), um die Blutgerinnung zu hemmen und so Spätfolgen wie Aneurysmen und Herzinfarkte zu verhindern. Häufig kommen außerdem Kortikosteroide zur Hemmung der Entzündung zum Einsatz. Bei einem Schockzustand oder bei Blutdruckabfall kann Vasopressin als blutdrucksteigerndes Mittel verabreicht werden.

Bei Bedarf werden die Patient*innen beatmet, selten ist eine ECMO erforderlich.

PIMS: Komplikationen und Prognose

Da das Syndrom noch sehr neu und zudem selten ist, lässt sich noch nicht viel über die Prognose und eventuelle Langzeitschäden sagen. Ersten Studien zufolge ist die Prognose jedoch trotz der Schwere der Erkrankung sehr gut. Todesfälle sind äußerst selten und in der Regel werden die Kinder wieder ganz gesund.

Einer amerikanischen Metastudie zum Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome zufolge, die 39 Beobachtungsstudien und 662 Patient*innen erfasste,

  • benötigten 60 % der Kinder Vasopressin zur Blutdrucksteigerung bei Blutdruckabfall oder einem Schockzustand,
  • 71 % wurden auf einer Intensivstation behandelt,
  • elf Kinder starben,
  • mehr als 98 % der Patient*innen überlebten die akute Phase.

Offenbar sind die Organe nur sehr selten so schwer geschädigt, dass Langzeitschäden zurückbleiben. Dies ist bei etwa sieben Prozent der Kinder der Fall, meist handelt es sich um Folgeschäden am Herzen.

Mögliche Komplikationen sind Studien zufolge:

PIMS: Vorbeugung

Da bislang keine Risikofaktoren für PIMS bekannt sind, besteht die einzige Möglichkeit, der seltenen Erkrankung vorzubeugen, Kinder vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Inzwischen empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung gegen Covid-19 ab zwölf Jahren. Auch im Alter von fünf bis elf ist die Impfung bereits möglich. 

Studie: Impfung scheint effektiv vor PIMS zu schützen

Wie sinnvoll der Impfschutz zur Vorbeugung von PIMS ist, hat ein Forschungsteam des US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) kürzlich in einer Studie untersucht. An der Studie nahmen 283 Kinder und Jugendliche teil, die zwischen Juli und Dezember 2021 wegen PIMS in medizinischer Behandlung waren.

Mit folgenden Ergebnissen: 

  • Der Großteil der Betroffenen war ungeimpft (95 Prozent).
  • Insgesamt benötigten 39 Prozent der PIMS-Patient*innen lebenserhaltende Maßnahmen, alle waren ungeimpft.
  • Insgesamt waren nur fünf der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen vollständig geimpft (mit Comirnaty von BioNTech/Pfizer). Sie benötigten keinerlei lebenserhaltende Maßnahmen. 

Innerhalb der Studie konnte eine Wirksamkeit des BioNTech-Impfstoffs von 91 Prozent zur Vorbeugung von PIMS errechnet werden. Allerdings ist die Studie nur bedingt aussagekräftig. Zum Zeitpunkt der Durchführung dominierte Delta. Daher sind die Ergebnisse lediglich für diese Variante valide. Zudem wurden ausschließlich Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren untersucht. Als die Studie durchgeführt wurde, war der Impfstoff für jüngere Kinder noch nicht zugelassen. 

Für Kinder unter fünf Jahren ist derzeit noch kein Impfstoff zugelassen. Für sie ist es daher besonders wichtig, die AHA-Regeln einzuhalten.

Das bedeutet:

  • mindestens 1,5 Meter Abstand zu anderen Menschen halten
  • auf Hygiene achten und regelmäßig die Hände waschen
  • eine Maske tragen

In geschlossenen Räumen wie etwa in der Schule sollte außerdem regelmäßig gelüftet werden. In der Schule finden zudem mehrmals wöchentlich Corona-Tests statt, um potenzielle Infektionsausbrüche möglichst schnell zu unterbinden.

PIMS nach Corona-Impfung seltener als bei Infektion

In einzelnen Fällen kann PIMS bei Kindern und Jugendlichen auch nach einer Corona-Impfung auftreten. In Deutschland wurden von insgesamt 840 gemeldeten PIMS-Erkrankungen 23 Fälle trotz oder wegen einer Corona-Impfung gemeldet, was einem Anteil von circa 2,74 Prozent entspricht.

Hierbei ist allerdings anzumerken, dass PIMS besonders in der ersten Phase der Corona-Pandemie während der Wellen des Urtyps sowie der Alpha-Variante aufgetreten ist und in diesem Zeitraum keine Corona-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt worden sind. Werden diese Komponenten berücksichtigt, erhöht sich der Anteil auf 23 von 400 Fällen und somit auf sechs Prozent.

Welche Risikofaktoren für PIMS bei Kindern nach einer Corona-Impfung bestehen, ist aufgrund einer geringen Fallzahl nicht zu bewerten. Auch über eine mögliche Dunkelziffer ist noch nichts bekannt.

Das Risiko, nach einer Corona-Impfung an PIMS zu erkranken, ist allerdings weiterhin sehr gering. Die Impfung schützt vor schweren Corona-Verläufen und kann somit auch die Wahrscheinlichkeit, an Folgen einer Infektion zu erkranken, reduzieren.

Zahlen aus den USA zeigen, dass weniger als ein Prozent der PIMS-Fälle nach einer Corona-Impfung auftreten. Von 21 Fällen lag bei sechs Kindern und Jugendlichen kein positiver Nachweis einer Infektion vor. Bei einem Kind traten die Beschwerden nach der ersten Dosis auf, bei den weiteren Fällen nach der zweiten Impfung.

Bei insgesamt 21 Millionen Impfungen bei Kindern und Jugendlichen sind umgerechnet 0,3 PIMS-Fälle pro 1 Million Geimpften aufgetreten. Das Risiko, nach einer Impfung an PIMS zu erkranken, ist deutlicher geringer als nach einer Corona-Infektion. Zudem schützt die Impfung vor einem schweren Verlauf mit Covid-19 und weiteren möglichen Folgeerkrankungen.