Gicht
Die Gicht äußert sich durch schmerzhafte Gelenkentzündungen. Behandelt wird sie mit Medikamenten. Eine wichtige Rolle in der Therapie spielt jedoch auch die Ernährung: wenig Fleisch, Meeresfrüchte und Fisch, so wenig Alkohol wie möglich.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Gicht
Was ist Gicht?
Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, die sich durch schmerzhafte Gelenkschwellungen äußert. Bei den Betroffenen sammelt sich zu viel Harnsäure im Blut an. Ab einer bestimmten Konzentration bildet die Harnsäure Kristalle, die sich im Körpergewebe ablagern – vor allem in Gelenken, Schleimbeuteln, Sehnen und inneren Organen. Die Ablagerungen bewirken, dass sich die Gelenke entzünden. Eine durch Gicht verursachte Gelenkentzündung bezeichnet man als Gichtarthritis, Arthritis urica oder – da die Erkrankung meist schubweise auftritt – als Gichtanfall.
Gicht ist besonders in Wohlstandsländern verbreitet. Grund dafür sind unter anderem die für diese Länder typischen Ernährungsgewohnheiten: Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte enthalten große Mengen bestimmter Eiweißstoffe (sogenannter Purine), die im Körper zu Harnsäure abgebaut werden. Alkohol bewirkt, dass der Körper mehr Harnsäure bildet und zugleich weniger Harnsäure ausscheidet.
Dadurch kommt es zu einem Harnsäure-Überschuss (Hyperurikämie), der Gichtanfälle hervorrufen kann. Doch auch wenn die Ernährung meist der Auslöser eines akuten Gichtanfalls ist, ist sie nicht die Ursache der Erkrankung. Schließlich können viele Menschen purinreiche Lebensmittel essen und Alkohol trinken, ohne eine Gicht zu entwickeln. Denn normalerweise entledigen sich die Nieren überschüssiger Harnsäure, bevor es zu einer Hyperurikämie kommt. Die Harnsäure wird mit dem Urin ausgeschieden.
Bei Menschen mit Gicht ist die sogenannte Harnsäuresekretion in der Niere gestört. Das heißt, ihre Nieren können einen Harnsäure-Überschuss im Körper nicht so schnell ausgleichen. In den meisten Fällen ist diese Störung genetisch bedingt, lässt sich also auf die erbliche Veranlagung zurückführen.
Häufigkeit
Etwa 25 bis 30 von 100 Menschen in Deutschland haben erhöhte Harnsäurewerte im Blut (Hyperurikämie). Die meisten von ihnen haben keine Beschwerden.
Von einer sogenannten manifesten Gicht oder Gichtarthritis, also durch Hyperurikämie bedingte Gelenkentzündungen, sind hierzulande etwa 2 von 100 Menschen in der Bevölkerung betroffen. Ein Großteil von ihnen sind älter als 40 Jahre. Bei Männern kommt die Gicht etwa zehnmal so häufig vor wie bei Frauen.
Gicht: Ursachen
Eine Gicht entwickelt sich, wenn der Körper entweder
- zu wenig Harnsäure ausscheidet, was bei den meisten Menschen mit Gicht der Fall ist, oder
- zu viel Harnsäure bildet. Dies ist jedoch selten und kommt nur bei bestimmten angeborenen Erkrankungen vor, z.B. beim Lesch-Nyhan-Syndrom.
Überschreitet der Harnsäurespiegel im Blut eine gewisse Menge, bilden sich sogenannte Harnsäurekristalle. Sie sind die Ursachen der typischen Gicht-Beschwerden: Die Kristalle lagern sich vor allem in Gelenken, Schleimbeuteln und Sehnen ab und können zu schmerzhaften Gelenkentzündungen führen. Sie können aber auch in den Harnwegen entstehen und Nierensteine bilden.
So kommt es zum Harnsäure-Überschuss
Harnsäure entsteht, wenn der Körper Purine abbaut. Diese Stoffe kommen als Bausteine der Erbsubstanz in jeder Zelle des menschlichen Körpers und auch in Zellen anderer Lebewesen vor. Der Abbau von Purin ist immer dann nötig, wenn
- eigene Körperzellen absterben und "entsorgt" werden müssen, oder
- man Lebewesen isst, deren Zellen Purin enthalten. Besonders purinreich sind Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte.
Je mehr Purine freiwerden, desto mehr Harnsäure bildet der Körper. Normalerweise kann der Körper die Harnsäure mit dem Urin ausscheiden. Dafür sorgen die Nieren.
Bei Menschen mit Gicht ist die Harnsäuresekretion in der Niere aber gestört. Das heißt, ihre Nieren können einen Harnsäure-Überschuss im Körper nicht so schnell ausgleichen. In den meisten Fällen ist diese Störung genetisch bedingt, lässt sich also auf die erbliche Veranlagung zurückführen. Ärzte sprechen dann von primärer Gicht. Sie geht häufig mit weiteren Stoffwechselstörungen einher: Viele Betroffene sind am metabolischen Syndrom erkrankt, das heißt, sie haben Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Diabetes mellitus Typ 2.
Übrigens: In Studien hat sich gezeigt, dass vor allem Menschen mit zu viel Viszeralfett zu einem erhöhten Harnsäurespiegel neigen. Viszeralfett ist das im Bauch eingelagerte Fett, welches die inneren Organe umgibt.
Die deutlich seltenere sekundäre Gicht entwickelt sich als Folgeerkrankung. Die Ursache ist dann entweder
- eine Erkrankung oder eine Therapie, die die Funktion der Nieren stört (z.B. Nierenerkrankungen, Diabetes Typ 2, Behandlung mit Diuretika oder Thiaziden), oder
- eine Erkrankung, bei der im Körper viele Zellen absterben (z.B. Krebs).
Auslöser eines Gichtanfalls
Meist führt ein plötzlicher Anstieg des Harnsäurespiegels zu einem akuten Gichtanfall, etwa durch übermäßigen Alkoholkonsum oder purinreiche Mahlzeiten.
Auch starke körperliche Anstrengung oder ein hoher Gewichtsverlust in kurzer Zeit (z.B. durch Fasten) kann Gichtanfälle auslösen: Wenn man längere Zeit nichts isst oder viel Energie verbraucht, sinkt der Blutzuckerspiegel stark ab und der Körper beginnt, Fett in Energie umzuwandeln. Dabei entstehen sogenannte Ketonkörper, die die Organe mit Energie versorgen, jedoch auch bewirken, dass die Nieren weniger Harnsäure ausscheiden.
Zudem muss der Körper, wenn man schnell abnimmt, viel körpereigenes Gewebe abbauen, sodass innerhalb kurzer Zeit viele Purine frei werden.
Gicht: Symptome
Eine Gicht entwickelt sich mitunter über Jahre oder sogar Jahrzehnte. In dieser Zeit steigt der Harnsäurespiegel im Blut unbemerkt an. Symptome treten erst auf, wenn die Harnsäurekonzentration einen kritischen Wert erreicht. Der erste Gichtanfall tritt oft überraschend auf.
Beim ersten Gichtanfall entzündet sich in der Regel nur ein Gelenk, meist das des großen Zehs. Es können jedoch auch Sprunggelenke sowie die Gelenke der Knie, Füße, Zehen, Hände, Finger (vor allem der Daumen) und der Ellbogen betroffen sein.
Symptome eines Gichtanfalls
Ein Gichtanfall ist eine akute Gelenkentzündung (Gichtarthritis, Arthritis urica), die sich durch eine schmerzhafte Schwellung im betroffenen Gelenk äußert.
Typische Symptome bei einem akuten Gichtanfall: Das Gelenk
- schmerzt und schwillt an,
- fühlt sich heiß an und
- verfärbt sich rot.
Ohne Behandlung kann es einige Tage bis drei Wochen dauern, bis die Symptome der Entzündung abgeklungen sind. Danach folgt meist eine Monate bis Jahre andauernde Phase, in der keine Symptome auftreten (sog. interkritische Phase).
Chronische Gicht & Gichtknoten
Bei lange unerkannter oder unzureichend behandelter Gicht kann die Erkrankung chronisch werden. Das passiert selten. Typische Symptome einer chronischen Gicht sind
- dauerhafte Schmerzen, die sowohl in Ruhe als auch bei Bewegung auftreten,
- und bleibende Gelenkveränderungen, die zunehmend die Funktion des Gelenks beeinträchtigen und
- Gichtknoten, auch Gichttophigenannt.
Gichtknoten sind Ansammlungen von Harnsäurekristallen unmittelbar unter der Haut. Brechen sie auf, entleert sich eine weiße Masse, die vorwiegend aus Harnsäure besteht.
Die maximal ein Zentimeter dicken Knötchen treten vor allem in der Nähe von Gelenken auf – zum Beispiel an Ellenbogen, Hand und Fuß. Sie können sich aber auch fernab eines Gelenks bilden, etwa am Rand des Ohrknorpels, an den Augenlidern oder den Nasenflügeln.
Eine Gicht kann im weiteren Verlauf zu verschiedenen Komplikationen führen, insbesondere, wenn sie unbehandelt bleibt. Neben ausgeprägten Gelenkschäden (Arthritis urica) können Nierensteine entstehen. Wenn sich zu viel Harnsäure in den Nieren ablagert, können die Nieren versagen (sog. chronische Gichtniere).
Gicht: Diagnose
Der erste Verdacht auf Gicht entsteht meist, wenn die typischen Symptome eines akuten Gichtanfalls auftreten.
Um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um Gicht handelt, wird der Arzt eine Blutprobe entnehmen, um die Harnsäurewerte zu bestimmen. Bei den meisten Gichtpatienten ist der Harnsäurespiegel im Blut erhöht.
Während eines Gichtanfalls kann der Harnsäurespiegel auch im Normalbereich liegen. Das kommt vor, wenn ein großer Teil der Harnsäure nicht mehr im Blut gelöst, sondern auskristallisiert ist und sich im Körpergewebe abgesetzt hat. In diesem Fall kann der Arzt zwei bis vier Wochen nach Abklingen der akuten Entzündung eine erneute Messung vornehmen. Ist der Harnsäurespiegel dann erhöht, spricht dies für eine Gicht.
Die Harnsäurewerte gelten als erhöht, wenn sie
- bei Frauen über 6 Milligramm pro 100 Milliliter Blutserum und
- bei Männern über 7 Milligramm pro 100 Milliliter Blutserum liegen.
Im weiteren Verlauf verursacht die Gicht zunehmend erkennbare Veränderungen in den Gelenken, die dann auf dem Röntgenbild zu erkennen sind, und zu Gichtknoten. Wenn untypischerweise nur die Fingergelenke von den Knoten betroffen sind, wird der Arzt gegebenenfalls weitere Untersuchungen veranlassen, um mögliche andere Ursachen auszuschließen (z.B. arthrotische Veränderungen der Fingergelenke).
Gicht: Ernährung
Eine Ernährungsumstellung ist bei Gicht der wichtigste Teil der Therapie. Gichtpatienten sollten
- ein gesundes Körpergewicht anstreben: Übergewicht begünstigt einen erhöhten Harnsäurespiegel.
- purinreiche Speisen und Getränke meiden (siehe Tabelle).
- möglichst wenige Lebensmittel zu sich nehmen, die die Harnsäure-Ausscheidung durch die Nieren hemmen. Dazu zählen vor allem fettreiche Nahrungsmittel und Süßgetränke.
- viel trinken: Je mehr Flüssigkeit man zu sich nimmt, umso mehr Harn scheiden die Nieren aus. 1,5 bis 2,5 Liter täglich sollten es beim Gesunden sein, vorwiegend in Form von Wasser oder ungesüstem Tee. Patienten mit Herzschwäche sollten nicht über 1,5 Liter trinken.
Wichtig: Eine schnelle Gewichtsabnahme kann Gichtanfälle auslösen. Daher sollten Gichtpatienten langsam abnehmen. Strenges Fasten ist nicht ratsam.
Folgende Tabelle zeigt, welche Lebensmittel und Genussmittel gilt es bei Gicht zu meiden gilt, und was Erkrankte bedenkenlos essen können:
möglichst meiden | nur in geringen Mengen verzehren | empfehlenswert |
|
|
Nach aktuell geltenden Empfehlungen sollten sich Gichtpatienten so purinarm ernähren, dass ihr Körper bei der Verwertung der Nahrung nicht mehr als 300 Milligramm Harnsäure pro Tag beziehungsweise 3000 Milligramm Harnsäure pro Woche bildet. Wie viel Harnsäure beim Abbau verschiedener Lebensmitteln anfällt, ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Purinreiche Lebensmittel im Vergleich
Lebensmittel | Harnsäure in mg pro 100 g |
Innereien | |
Kalbsbries | 900 |
Kalbsleber | 260 |
Kalbsherz | 180 |
Schweinefleisch | 150-170 |
Geflügel | 240 |
Rindfleisch | 140-150 |
Kalbfleisch | 140-160 |
Fisch/Meeresfrüchte | |
Anchovis, Sardellen | 260 |
Forelle | 200 |
Thunfisch | 180 |
Krabben | 160 |
Scholle | 130 |
Gicht: Medikamente
Nicht immer führen erhöhte Harnsäurewerte zu Beschwerden. In diesem Fall sind keine Medikamente notwendig. Hat der Überschuss an Harnsäure hingegen bereits zu Gelenkentzündungen geführt, kann der Arzt Medikamente verschreiben. Es gibt
- zum einen Mittel, die bei einem akuten Gichtanfall die Beschwerden lindern, und
- zum anderen Medikamente zur langfristigen Gichttherapie.
Medikamente beim akuten Gichtanfall
Bei einem Gichtanfall sollte man möglichst zeitnah zum Arzt, damit die Gelenkarthritis sich nicht schlimmer wird und sich nicht noch weitere Gelenke entzünden. Der Arzt kann folgende Medikamente verordnen:
- Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): Als Mittel der ersten Wahl gelten entzündungshemmend wirkende NSAR wie Naproxen oder Diclofenac, um die Schmerzen zu lindern.
- Kortisolhaltige (steroidale) Glukokortikoide: Zusätzlich oder als Alternative zu NSAR kann der Arzt Kortisonpräparate verschreiben. Diese enthalten in der Regel den Wirkstoff Prednisolon und können auch bei starken Schmerzen helfen.
- Colchicin: Bei einem akuten Gichtanfall ist Colchicin ein sehr wirksames Mittel gegen die Gelenkschmerzen. Der Wirkstoff wird aus einer Pflanze, der Herbstzeitlose, gewonnen. Anders als früher kommt Colchicin aufgrund seiner vielen Nebenwirkungen (z.B. Bauchkrämpfe, Durchfall) heutzutage jedoch nur zum Einsatz, wenn andere Medikamente nicht infrage kommen.
Schmerzmittel mit Acetylsalicylsäure sind nichtgeeignet – im Gegenteil: Sie können den Harnsäurespiegel im Blut erhöhen und somit das Risiko für einen erneuten Gichtanfall steigern.
Wichtig: Entzündete Gelenke sollten ruhig und hoch gelagert und gekühlt werden. Die Kälte hilft nicht nur gegen die Schmerzen, sondern wirkt auch der Ansammlung von Wasser (Ödembildung) in den Gelenken entgegen, sodass die Schwellungen nachlassen.
Medikamente zur Dauertherapie
Es gibt verschiedene Medikamente, die den Harnsäurespiegel im Blut langfristig senken und somit das Risiko für weitere Gichtanfälle minimieren können:
- Urikostatika (z.B. Allopurinol): Diese Medikamente wirken gegen Gicht, indem sie die Bildung der Harnsäure hemmen. Die dadurch vermehrt anfallenden Vorstufen der Harnsäure sind wesentlich besser wasserlöslich und lassen sich einfacher über die Nieren ausscheiden. In bestimmten Fällen verordnet der Arzt anstatt Allopurinol das Mittel Febuxostat. Studien zufolge ist dieser für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ungeeignet, weil er bei ihnen das Sterberisiko erhöht.
- Urikosurika (z.B. Probenecid, Benzbromaron): Diese Mittel wirken gegen Gicht, indem sie eine vermehrte Ausscheidung der Harnsäure fördern (harnsäuretreibende Medikamente).
Gicht: Vorbeugen
Die meisten Menschen mit Gicht haben eine entsprechende erbliche Veranlagung. Dieses genetische Risiko für Gicht lässt sich nicht beseitigen. Wer entsprechend vorbelastet ist und das weiß – etwa, weil nahe Verwandte bereits an Gicht erkrankt sind –, kann einiges tun, um den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern:
- Übergewichtabbauen: Der Body-Mass-Index (BMI) sollte unter 25 liegen. Besonders Bauchfett erhöht das Risiko für Gicht.
- purinarm essen
- viel trinken, am besten Mineralwasser und Tee
- so wenig Alkoholwie möglich trinken