Eine alte Dame sitzt im Rollstuhl und schaut aus dem Fenster
Symbolbild: © Getty Images/ Morsa Images

Frailty-Syndrom: Was ist das?

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 19.06.2023

Frailty ist der englische Ausdruck für Gebrechlichkeit und bezeichnet verschiedene krankheitsbedingte Einschränkungen im Alter. Ist eine Person gebrechlich, fehlt es ihr an körperlichen Reserven. Sie ist anfälliger für Krankheiten, Stürze und Behinderungen und hat eine verminderte Lebenserwartung. Lesen Sie, was die Diagnose bedeutet und ob sich der Zustand aufhalten lässt.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Frailty-Syndrom

Frailty ist der englische Begriff für Gebrechlichkeit. Das Frailty-Syndrom ist ein Zustand, bei dem mehrere Symptome wie Schwäche, langsame Bewegungen und ungewollte Gewichtsabnahme zusammenkommen. Wer frail ist, hat eine höhere Sterblichkeit, eine höhere Wahrscheinlichkeit von Komplikationen bei Operationen und ist weniger leistungsfähig.

Das Frailty-Syndrom tritt fast ausschließlich bei älteren Personen auf. Allerdings müssen Alterungsprozess und Gebrechlichkeit nicht zusammengehen. Viel zu häufig werden die Symptome des Frailty-Syndroms im Alter als gegeben hingenommen, obwohl es eigentlich wichtig ist, ihnen entgegenzuwirken.

Es gibt verschiedene Fragebögen, anhand derer Fachleute das Frailty-Syndrom feststellen können. Auch eine körperliche Untersuchung und eine Blutuntersuchung geben Aufschluss über den Gesundheitszustand der betreffenden Person.

Bis zu einem gewissen Punkt kann man das Frailty-Syndrom aufhalten und sogar eine Verbesserung bewirken. Wichtig dafür sind neben der Behandlung von Grunderkrankungen auch die richtige Ernährung sowie körperliche Bewegung.

Definition: Was ist das Frailty-Syndrom?

Das Frailty-Syndrom ist keine Krankheit, sondern vielmehr ein krankhafter Zustand mit mehreren möglichen Symptomen wie etwa Erschöpfung, Gewichtsabnahme und Schwäche, die die Fähigkeit einer Person beeinflussen, ihr tägliches Leben selbstbestimmt zu meistern. Eine einheitliche Definition von Frailty gibt es bislang nicht.

Der Begriff Frailty

Wer in jungen Jahren körperlich abbaut, bereitet seinem Umfeld Sorgen. Wer dagegen im Alter schwächer wird und an Gewicht verliert, gilt als gebrechlich. Das ist problematisch, denn der Begriff Gebrechlichkeit suggeriert einen Zustand, der mit hohem Alter zwangsläufig irgendwann eintritt und den man hinnehmen muss. 

Dabei verbirgt sich dahinter eigentlich eine Vielzahl von ernstzunehmenden Beschwerden, denen man bis zu einem gewissen Grad vorbeugen kann – wenn sie rechtzeitig erkannt werden. In der Wissenschaft hat sich anstelle der Gebrechlichkeit seit 1992 der neutralere Begriff "Frailty" durchgesetzt, für den eigene Diagnosekriterien gelten.

Frailty-Syndrom: erhöhtes Risiko bei Operationen

Wie gebrechlich eine Person ist, ist für Fachleute ein wichtiges Kriterium, wenn sie etwa über therapeutische Maßnahmen entscheiden müssen. Der Anteil alter Menschen in der Bevölkerung nimmt immer weiter zu. Während einige Menschen noch bis ins hohe Alter fit sind, verlieren andere bereits früh an Widerstandskraft und sind weniger belastbar. Das Alter allein reicht deshalb nicht aus, um das Risiko beispielsweise für eine bevorstehende Operation abzuschätzen.

Frailty-Syndrom: Häufigkeit

Insgesamt sind durchschnittlich 14 Prozent der Menschen, die älter sind als 65 Jahre, betroffen. In der Altersgruppe der 70-79-Jährigen gelten etwa vier Prozent der Frauen und drei Prozent der Männer als frail. Rund 40 Prozent der Personen in dieser Altersgruppe haben eine Vorstufe von Frailty.

Wann wird Frailty diagnostiziert?

Es ist wichtig, rechtzeitig zu erkennen, ob ein alternder Mensch gebrechlich zu werden droht. So kann gewährleistet werden, dass er noch möglichst lange selbstständig und widerstandsfähig bleibt. 

Die Diagnose kann außerdem dabei helfen, die richtigen medizinischen Entscheidungen zu treffen. Falls etwa eine Operation oder eine Chemotherapie in Erwägung gezogen wird, muss berücksichtigt werden, dass der gebrechliche Mensch nur noch über wenige körperliche Reserven verfügt und Komplikationen nach einer Operation wahrscheinlicher sind.

Frailty-Syndrom: Phänotyp nach Fried

Einheitliche Diagnosekriterien für Frailty existieren noch nicht. Es existieren verschiedene Fragebögen, Tests und Skalen, mit denen Fachleute herausfinden können, ob eine Person gebrechlich ist.

Am häufigsten verwenden Fachleute zur Diagnose den "Phänotyp nach Fried". Sind mindestens drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt, gilt eine Person nach Fried als gebrechlich. Treffen nur zwei Kriterien zu, spricht man vom "Prefrailty-Syndrom".

  1. Ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 4,5 Kilogramm innerhalb des vergangenen Jahres
  2. Erschöpfung
  3. Muskelschwäche
  4. Langsames Gehen (weniger als 0,8 Meter pro Sekunde)
  5. Geringe körperliche Aktivität

Im Gegensatz zu einigen anderen Modellen bezieht diese Diagnosekriterien keine psychischen und kognitiven Aspekte mit ein.

Frailty-Syndrom: Frail-Scale

Ein einfacher Fragebogen, um festzustellen, wie gebrechlich eine Person ist, ist auch der "Frail-Scale":

  • Fatigue (Müdigkeit): Sind Sie meistens müde?
  • Resistance (Muskelkraft): Haben Sie Schwierigkeiten, ohne Hilfe zehn Treppen hochzusteigen, ohne zwischendurch eine Pause zu machen?
  • Ambulation (Gehfähigkeit): Haben Sie Schwierigkeiten, mehrere hundert Meter ohne Hilfe zu gehen?
  • Illness (Krankheiten): Haben Sie mehr als fünf Erkrankungen?
  • Loss of weight (Gewichtsverlust): Haben Sie im vergangenen Jahr fünf Prozent oder mehr an Gewicht verloren?

Wird eine Frage mit "Nein" beantwortet, gibt es 0 Punkte. Wird sie mit "Ja" beantwortet, gibt es einen Punkt.

Das Ergebnis:

  • 0 Punkte: fit, also nicht gebrechlich.
  • 1-2 Punkte: pre-frail
  • 3-5 Punkte: frail

Körperliche Untersuchung und Blutuntersuchung

Auch eine körperliche Untersuchung sowie Blutuntersuchung können dabei helfen, den Gesundheitszustand einer Person zu beurteilen. Beispielsweise können bestimmte Blutwerte einen Hinweis darauf geben, ob die Person Erkrankungen hat, die zu ihrer Gebrechlichkeit beitragen, oder ob sie mangelernährt ist. Die körperliche Untersuchung kann Aufschluss darüber gehen, ob beispielsweise ein Herzleiden vorliegt.

Mögliche Symptome & Ursachen des Frailty-Syndroms

Frailty bezeichnet eine Reihe von Symptomen mit unterschiedlichen Ursachen.

Folgende Anzeichen können für das Frailty-Syndrom sprechen:

  • verlangsamte Bewegungen
  • niedriger Energieumsatz
  • ungewollter Gewichtsverlust
  • Schwäche
  • geringe Greifkraft
  • Erschöpfung
  • geringe Aktivität

Frailty-Syndrom: Mögliche Ursachen 

Die verschiedenen Symptome des Frailty-Syndroms haben unterschiedliche Ursachen, die jedoch mehr oder weniger zusammenhängen und einander verstärken können.

  • Verlangsamte Bewegungen: Wenn sich ein alter Mensch auffällig langsam fortbewegt, kann das an seiner abnehmenden Muskelmasse liegen. Andere mögliche Gründe sind schlechtes Sehen, Schwierigkeiten, sich zu koordinieren oder schmerzende Gelenke.

  • Ungewollter Gewichtsverlust: Nimmt eine Person im Alter stark ab, kann das viele Gründe haben. Vielleicht sitzt das Gebiss nicht richtig und sie hat Schmerzen beim Kauen. Oder sie hat einen Tumor, der zum Gewichtsverlust führt. Vielleicht mangelt es ihr auch an Appetit oder sie ist so schlecht zu Fuß, dass sie das Haus nicht mehr zum Einkaufen verlassen kann.

  • Erschöpfung: Beispielsweise eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, eine Herzschwäche oder eine chronische Lungenerkrankung können der Grund dafür sein, dass ein alter Mensch schnell erschöpft ist. Deshalb ist es wichtig, Erschöpfung als Symptom ernstzunehmen und der Ursache auf den Grund zu gehen.

  • Muskelschwäche (Sarkopenie) : Im Alter nimmt die Muskelmasse ab. Das liegt unter anderem an Umstellungen im Hormonhaushalt. Mangelernährung und fehlende Bewegung können dazu führen, dass sich Muskeln über das normale Maß hinaus abbauen. Das Risiko für Unsicherheiten und Stürze nimmt zu, die betroffenen Personen bewegen sich noch weniger – ein Teufelskreis beginnt.

  • Geringe körperliche Aktivität: Wenn alte Menschen sich nicht mehr viel bewegen und selten das Haus verlassen, kann das eine Folge davon sein, dass sie erschöpft sind oder an Muskelschwäche leiden. Möglicherweise sind sie aber auch depressiv und/oder einsam. Bewegen sich alte Menschen zu wenig, baut sich wiederum ihre Muskulatur noch schneller ab.

Mögliche Ursache des Frailty-Syndroms: Mangelernährung

Einer Studie zufolge weisen Menschen mit Frailty-Syndrom in ihrem Blut niedrigere Werte von Vitamin D, Vitamin E und Carotinoiden auf als gesunde Menschen. Fachleute vermuten daher, dass ein Nährstoffmangel mit der Gebrechlichkeit zusammenhängt. Die Studienteilnehmenden mit Frailty-Syndrom haben außerdem höhere Werte von oxidierten Proteinen als die gesunden Teilnehmenden. 

Oxidative Proteine sind Eiweiße, die durch freie Radikale verändert wurden. Freie Radikale sind aggressive Sauerstoffverbindungen, die im Körper oxidativen Stress auslösen und Körperzellen angreifen. Sie können durch Antioxidantien, wie etwa bestimmte Vitamine und Carotinoide, unschädlich gemacht werden.

Frailty-Syndrom: Lässt sich Gebrechlichkeit aufhalten?

Jedem Körper sind irgendwann im Alter Grenzen gesetzt und die Ressourcen einmal aufgebraucht. Grundsätzlich ist Gebrechlichkeit aber keine normale Alterserscheinung, die man hinnehmen muss. Viele der Beschwerden, die im Alter auftreten können, lassen sich vermeiden – oder zumindest lässt sich ihr Auftreten hinauszögern. 

Ernährung und Sport sind wichtig

Eine wichtige Rolle spielt dabei eine ausgewogene Ernährung mit einer ausreichenden Zufuhr von Vitaminen sowie von Calcium und Eiweiß für den Erhalt von Knochen und Muskelmasse. 

Gegen den Muskelabbau können Senior*innen auch im hohen Alter noch Krafttraining machen. Auch Ausdauer- und Koordinationstraining können helfen. Ebenfalls wichtig ist, dass Denkvermögen und Gedächtnis der Betroffenen gefordert werden, um ihre geistigen Fähigkeiten zu erhalten.

Ergotherapie und/oder Physiotherapie können dabei helfen, dem Frailty-Syndrom entgegenzuwirken.

Grunderkrankungen behandeln

Verschiedene Grunderkrankungen wie etwa eine Herzschwäche oder ein Diabetes mellitus können Ursache für die Symptome des Frailty-Syndroms sein oder diese verstärken. Daher ist es wichtig, solche Erkrankungen zu erkennen und zu behandeln.

Frailty-Syndrom: Risiken, Komplikationen und Lebenserwartung

Wer frail ist, hat Studien zufolge eine um 84 Prozent erhöhte Sturzneigung und ein doppelt so hohes Sterblichkeitsrisiko. Gebrechliche Menschen nehmen außerdem mehr Medikamente, müssen häufiger ins Krankenhaus und bleiben länger dort. Auch sind sie körperlich und kognitiv weniger leistungsfähig und können nicht mehr so gut für sich selbst sorgen. Sie sind daher häufiger pflegebedürftig und haben eine geringere Lebensqualität.

Höheres Risiko bei Operationen

Menschen mit Frailty-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen nach einer Operation. Frailty gilt obendrein als ein Risikofaktor für ein sogenanntes postoperatives Delir (POD). Dieser Verwirrtheitszustand ist mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden. Fachleute fordern deshalb, dass gebrechliche Patient*innen zum Beispiel in einer Tagesklinik mithilfe körperlichen Trainings und der richtigen Ernährung auf Operationen vorbereitet werden sollten. Ein standardisiertes Verfahren dazu existiert jedoch noch nicht.

In einer Studie mit knapp 400 Teilnehmenden, die wegen einer Hüftfraktur im Krankenhaus behandelt wurden, zeigte sich: Patient*innen, die in einer speziell auf alte Menschen abgestimmten orthopädischen Abteilung untergebracht waren, erzielten nach zwölf Monaten bessere Ergebnisse hinsichtlich der Mobilität, Aktivitäten des täglichen Lebens und Lebensqualität als in der üblichen stationären Versorgung.

Vorsicht bei Medikamenten

Auch die Nebenwirkungen einer Chemotherapie und vieler Medikamente können einen gebrechlichen Menschen stärker belasten. Unter Umständen wirkt sich der Grad der Gebrechlichkeit deshalb auch darauf aus, welche Medikamente und welche Dosis ein alter Mensch bekommt.