Mann im Delir im Krankenhausbett
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Delir: Symptome, Ursachen und Therapie

Von: Paula Vradelis (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 05.03.2024 - 13:20 Uhr

Das Delir ist ein plötzlicher geistiger Verwirrtheitszustand, der eine sofortige medizinische Behandlung erfordert. Es kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden und äußert sich in Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörungen. Welche Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten es gibt, lesen Sie hier.

FAQ: Die häufigsten Fragen zum Delir

Ein Delir ist ein vorübergehender Zustand, der sich von mehreren Tagen bis zu mehreren Wochen hinziehen kann.

An den Symptomen des Delirs kann man nicht direkt sterben. Allerdings haben Patient*innen im Krankenhaus mit Delir ein höheres Sterberisiko als Patient*innen ohne Delir. Es besteht eine Selbstgefährdung, weil wichtige Schläuche von den Personen selbst gezogen werden können.

Demenz stellt einen Risikofaktor für ein Delir dar. Auf der anderen Seite erhöht ein Delir deutlich die Wahrscheinlichkeit, eine Demenz zu entwickeln. Ein Delir kann mitunter schwierig von einer Demenz unterschieden werden, da beide ähnliche Symptome aufweisen.

Was ist ein Delir?

Ein Delir, auch als Delirium oder Durchgangssyndrom bekannt, ist eine akute, plötzlich auftretende Funktionsstörung des Gehirns. Dabei treten Bewusstseinsstörungen in unterschiedlichen Ausprägungen sowie psychische Symptome auf. Die Ursachen eines Delirs sind vielfältig. Das Auftreten eines Delirs ist immer ein medizinischer Notfall und sollte intensivmedizinisch behandelt werden.

Welche Symptome können beim Delir auftreten?

Ein Delirium hat charakteristische Hauptsymptome, die die Abgrenzung von anderen (neurodegenerativen) Erkrankungen erlauben:

  • Schneller Beginn mit wechselnder Intensität der Symptome: Ein Durchgangssyndrom entwickelt sich unvermittelt und akut, wobei sich die Schwere der Symptome innerhalb kurzer Zeit ändern kann. Dieses Phänomen wird als fluktuierender Verlauf bezeichnet.
  • Gestörte Aufmerksamkeit: Menschen, die ein Delir erleben, fällt es oftmals schwer, ihre Aufmerksamkeit beizubehalten und sich zu konzentrieren. Beispielsweise haben sie Schwierigkeiten, einer Aufgabe oder Unterhaltung zu folgen.
  • Bewusstseinsstörungen mit kognitiven Einschränkungen: Die Betroffenen können verwirrt sein, begleitet von Desorientierung und emotionalen Schwankungen.

Darüber hinaus ist das Delir von einer Reihe weiterer Symptome gekennzeichnet:

  • Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten: Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis ist betroffen.
  • Psychomotorische Störungen: Diese können sich als vermehrte Unruhe oder im Gegenteil als verminderte Aktivität äußern (hyperaktiv oder hypoaktiv).
  • Affektive Störungen, wie unbegründete Angst, Depressionen oder Reizbarkeit
  • Schlafstörungen: Der Schlaf-Wach-Rhythmus kann gestört sein, oft mit nächtlicher Verschlechterung der Symptome.
  • Halluzinationen: Insbesondere optische Halluzinationen können auftreten (es werden Dinge gesehen, die nicht real sind).
  • Vegetative Symptome, wie vermehrtes Schwitzen, Herzklopfen oder Herzrasen

Was sind die Ursachen für ein Delir?

Ein höheres Lebensalter über 65 Jahre erhöht generell das Risiko, ein Durchgangssyndrom zu entwickeln.

Die Ursachen des Delirs sind vielfältig und umfassen sowohl hirneigene als auch systemische Faktoren:

Hirneigene Ursachen, die zu einem Delirium führen können, sind:

  • Demenz
  • Multiple Sklerose: Die Entzündung und Schädigung von Nervengewebe bei MS können kognitive Funktionen beeinträchtigen und zu einem Delir führen.
  • Parkinson-Syndrome: Diese neurodegenerative Störung kann das Risiko für das Auftreten eines Delirs erhöhen.
  • Minderdurchblutung des Gehirns (zerebrale Ischämie), Schlaganfälle und Gehirnblutungen: Durch Unterbrechung der Blutversorgung oder Blutungen im Gehirn können akute Verwirrungszustände ausgelöst werden.
  • Gehirnentzündung (Enzephalitis): Eine Enzephalitis des Gehirns kann zu einem Delir führen, oft begleitet von Fieber und neurologischen Ausfällen.
  • Epileptische Anfälle
  • Tumore und Metastasen im Gehirn
  • Traumatische Kopfverletzungen (Schädel-Hirn-Trauma)

Systemische Ursachen mit Beteiligung des Gehirns, bei denen ein Delir auftreten kann, sind:

  • Herzerkrankungen (insbesondere ein Herzinfarkt)
  • Schilddrüsenerkrankungen: Sowohl eine Über- als auch Unterfunktion der Schilddrüse können kognitive Funktionen beeinträchtigen und ein Delir auslösen.
  • Störungen Salzhaushalt: Abweichungen im Elektrolythaushalt (Natrium-, Kalium- oder Kalziumgehalt im Blut) können die Gehirnfunktion beeinflussen.
  • Erniedrigter oder erhöhter Blutzucker (Diabetes mellitus)
  • Flüssigkeitsmangel (Dehydratation), Mangelernährung (Malnutrition)
  • Schwere Infektionen: Insbesondere schwere Lungenentzündungen oder eine lebensbedrohliche Organ-Dysfunktion (Sepsis) können ein Delir auslösen.
  • Harnwegsinfekte (Harnverhalt
  • Bestimmte Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes

Ein Delir kann darüber hinaus durch die Einnahme verschiedener Medikamente oder Giftstoffe wie Drogen oder Alkohol verursacht werden, insbesondere bei einem plötzlichen Entzug.

Auch die Kombination vieler neu eingesetzter Medikamente (sog. Polypharmazie) und bestimmter Medikamentengruppen wie Glukokortikoide und einige Antibiotika (z. B. Fluorchinolone) können ein Durchgangssyndrom verursachen. Medikamente mit anticholinergen Wirkstoffen, wie einige Antidepressiva oder Parkinson-Medikamente, können zu einem sogenannten anticholinergen Delir führen.

In der Palliativmedizin können ebenfalls die dort häufig eingesetzten starken Schmerzmittel (Opioide) sowie Beruhigungsmittel (Sedativa) ein Delirium hervorrufen.

Weitere Ursachen für ein Delir

Andere wichtige Auslöser für die Entstehung eines Deliriums, besonders im höheren Lebensalter, können Immobilität, plötzliche Änderung der Umgebung und/oder wechselnde Bezugspersonen sein. Des Weiteren kann durch einen plötzlichen oder längeren Krankenhausaufenthalt oder nach einem größeren operativen Eingriff ein Durchgangssyndrom entstehen. Außerdem haben Patient*innen, die auf der Intensivstation künstlich beatmet werden, ein erhöhtes Risiko, ein Delirium zu entwickeln. Ebenfalls können starke Schmerzen delirante Zustände hervorrufen.

Generell kann jegliche Form von physischem oder psychischem Stress (psychosozialer Stress) das Auftreten eines Delirs begünstigen. 

Delir: Abgrenzung Demenz

Ein Delirium kann mitunter schwierig von einer Demenz unterschieden werden, da beide ähnliche Symptome aufweisen. Das Delir ist jedoch zumeist ein vorübergehender (Krankheits-)Zustand und wird überwiegend durch akute Faktoren wie Krankheiten oder Medikamente ausgelöst. Hauptsächlich sind die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein betroffen. Die Demenz hingegen entwickelt sich langsam und führt zu dauerhaften Gedächtnisverlusten und anderen kognitiven Beeinträchtigungen, verursacht durch bleibende Veränderungen im Gehirn

Wann sollte man zum Arzt?

Bei Verdacht auf ein Delirium sollte umgehend ein*eine Arzt*Ärztin verständigt werden, insbesondere wenn plötzliche Verwirrtheit, starke Stimmungsschwankungen, Halluzinationen, extreme Unruhe oder plötzliche Bewusstseinsänderungen auftreten.

Ein Delir kann ein Zeichen für eine ernsthafte, mitunter lebensbedrohliche zugrundeliegende Erkrankung sein und erfordert eine sofortige medizinische Behandlung mit entsprechenden Maßnahmen.

Angehörige sollten besonders aufmerksam sein, wenn ältere Familienmitglieder im Krankenhaus sind oder eine größere Operation bevorsteht. In solchen Situationen ist das Risiko für das Auftreten eines Delirs erhöht, das frühzeitige Erkennen von Symptomen kann entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung sein.

Wie erfolgt die Therapie bei Delir?

Zu Beginn der Behandlung stehen das Erkennen und die gezielte Therapie der zugrundeliegenden Ursache im Mittelpunkt.

Zusätzlich ist es wichtig, alle Medikamente, die das Delir verstärken könnten, zu überprüfen und gegebenenfalls abzusetzen.

Eine beruhigende, helle Umgebung, vertraute Bezugspersonen und Seh- oder Hörhilfen tragen zur Orientierung bei Delirpatient*innen bei. Zusätzlich sind geistige Anregungen (kognitive Stimulation) in Form von beispielsweise Gesprächen über aktuelle Ereignisse oder Interessen sinnvoll.

Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, unterstützt durch eine gute Schlafhygiene, sind wichtig für die Stabilisierung der Betroffenen. Orientierungshilfen wie Uhren und Kalender sowie ein strukturierter Tagesablauf fördern zudem die geistige Klarheit. Bei einem Flüssigkeitsmangel oder Elektrolytungleichgewicht als Ursache für das Delirium ist eine angepasste Zufuhr zur Wiederherstellung des Gleichgewichts erforderlich. Außerdem sind eine frühzeitige Mobilisation nach Operationen sinnvoll, um das Risiko für das Auftreten eines Delirs zu vermindern.

Die medikamentöse Therapie beim Delir dient vorrangig der Linderung der Symptome. Folgende Wirkstoffgruppen können zum Einsatz kommen:

  • Antipsychotika (z. B. Haloperidol): Diese Arzneimittel werden vorwiegend bei Unruhe- und Erregungszuständen sowie Wahnvorstellungen eingesetzt.
  • α2-Agonisten (z. B. Clonidin) und Betablocker (z. B. Bisoprolol): Bei vegetativer Entgleisung, also einer Überreaktion des Körpers, die Symptome wie beispielsweise Herzrasen und starkes Schwitzen verursacht, können diese Medikamente verwendet werden.
  • Benzodiazepine (z. B. Lorazepam, Diazepam, Midazolam): Sie werden speziell beim Delir im Rahmen eines Alkohol- oder Benzodiazepinentzugs eingesetzt. Jedoch ist bei älteren Patient*innen Vorsicht geboten, da Benzodiazepine möglicherweise auch die Symptome eines Delirs verschlechtern können.

Welche Formen des Delirs gibt es?

Ein Durchgangssyndrom kann sich in verschiedenen Formen äußern, die sich hinsichtlich der Aktivität der Betroffenen und der Symptomatik unterscheiden.

Das hyperaktive Delir ist gekennzeichnet durch erhöhte Bewegungsaktivität und Rastlosigkeit, wobei Betroffene ungeduldig und manchmal aggressiv sein können.

Im Gegensatz dazu ist das hypoaktive Delir durch eine Verlangsamung der Bewegungen und eine allgemeine Antriebslosigkeit charakterisiert, die bis zur völligen Teilnahmslosigkeit führen kann.

Delir durch Alkoholentzug

Eine Sonderform des Deliriums stellt das Alkoholentzugsdelir dar. Diese Form kann auftreten, wenn eine Alkoholabhängigkeit besteht und der Konsum von Alkohol abrupt beendet wird.

Unterschieden wird beim Alkoholentzugsdelir das unvollständige Delir (Prädelir) bei Alkoholabhängigkeit vom vollständigen Delir, auch Delirium tremens genannt, bei plötzlichem Alkoholentzug.

Das Prädelir kann mit temporären Halluzinationen oder Symptomen wie Zittern am Morgen und Schwitzen einhergehen. Zudem sind epileptische Anfälle möglich.

Das Delirium tremens bei Alkoholentzug umfasst Symptome wie Konzentrations- und Bewusstseinsschwierigkeiten, emotionale Schwankungen, Übererregbarkeit und Halluzinationen (beispielsweise das Sehen weißer Mäuse). Körperliche Anzeichen wie Fieber, hoher Blutdruck, Herzrasen, starkes Schwitzen und Zittern treten ebenfalls auf, zusammen mit Störungen im Elektrolythaushalt, wie niedrige Werte an Kalium, Magnesium und Natrium im Blut.

Wie wird die Diagnose eines Delirs gestellt?

Das Delir stellt einen dringenden medizinischen Notfall dar, der eine schnelle Diagnose und Therapie erfordert, um ernsthafte Komplikationen zu vermeiden.

Die Diagnostik eines Delirs beginnt mit der klinischen Beurteilung der Patient*innen anhand der Symptome, einschließlich der Erhebung der medizinischen Vorgeschichte durch Angehörige oder anderen Bezugspersonen sowie einer körperlichen Untersuchung.

Spezielle Screening-Methoden wie die Confusion Assessment Method (CAM), CAM-ICU für Intensivpatient*innen und die Nursing Delirium Screening Scale (Nu-DESC) für das Pflegepersonal basieren auf der klinischen Beurteilung und ergänzen diese durch strukturierte Bewertungskriterien, um ein Delir präzise zu identifizieren.

Zur weiteren Abklärung eines Delirs erfolgt eine Blutuntersuchung, die folgende Werte überprüft:

Zudem wird eine Urinuntersuchung durchgeführt, um mögliche Harnwegsinfektionen zu erkennen, die oft als Auslöser für ein Delir infrage kommen.

Bei bestimmten Verdachtsdiagnosen kommen ergänzende Tests hinzu, wie eine Blutgasanalyse (misst Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt im Blut), Bestimmung der Herzenzyme bei Verdacht auf einen Herzinfarkt oder Drogentests.

Außerdem kann bei spezifischen klinischen Anzeichen eine Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit (Liquorpunktion) notwendig sein, um Erkrankungen des Zentralnervensystems auszuschließen oder zu bestätigen.

Zusätzliche Untersuchungen wie die Beurteilung der Herzfunktion durch ein EKG (Elektrokardiographie), eine Hirnstrommessung durch ein EEG (Elektroenzephalogramm) und bildgebende Verfahren wie ein CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) des Gehirns können erforderlich sein, um die genauen Ursachen eines Delirs zu ermitteln und zu verstehen.

Wie ist die Prognose eines Delirs?

Die Prognose eines Delirs hängt von den zugrundeliegenden Ursachen und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Betroffenen ab. Ein Delirium kann bei rechtzeitiger Behandlung der Ursache oft vollständig reversibel sein. Allerdings kann es bei älteren Patient*innen oder solchen mit bestehenden schweren Vorerkrankungen zu längeren Genesungszeiten, erhöhten Risiken für weitere Komplikationen und in einigen Fällen zu dauerhaften kognitiven Beeinträchtigungen führen.

Bleibt ein Delir unbehandelt, kann das Risiko für schwerwiegende Komplikationen, bis hin zum Tod, deutlich steigen. Es ist daher entscheidend, frühzeitig eine adäquate Behandlung einzuleiten.

Prävention: Wie kann einem Delir vorgebeugt werden?

Um das Risiko eines Delirs zu verringern, ist es wichtig, Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und den allgemeinen Gesundheitszustand beispielsweise vor einer Operation zu verbessern. Nicht-medikamentöse Methoden wie eine ruhige Umgebung und Orientierungshilfen können ebenfalls präventiv wirken.