Eine schweißgebadete Frau mit Hoodie blickt frontal in die Kamera.
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Weight Cut: Radikal abnehmen innerhalb weniger Tage

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 05.01.2022

Keine Trenddiät, sondern gang und gäbe im Leistungssport: Durch Entwässern ist es möglich, in nur wenigen Tagen fünf bis zehn Kilogramm Körpergewicht zu verlieren. Aber wie soll das funktionieren? Und wie gefährlich ist der radikale "Weight Cut", der vor allem im Kampfsport und Bodybuilding eingesetzt wird? Ein Profi-Kampfsportler im Interview.

Wie funktioniert ein Weight Cut?

Beim Weight Cut handelt es sich in der Regel um einen kurzfristigen Gewichtsverlust durch Entwässerung. Die Diätform ist immer nur von kurzer Dauer und kein Konzept, das man langfristig anwenden sollte.

Wer nachhaltig abnehmen möchte, sollte von dieser Methode absehen. Immerhin kann sich in einer so kurzen Zeit am Körperfettanteil kaum etwas ändern. Vielmehr entzieht man dem Körper große Mengen an Wasser.

Dies ist natürlich nur über einen begrenzten Zeitraum möglich, sodass das erreichte Gewicht oder die gewünschte Körperform nie lange anhält – was aber auch gar nicht der Zweck dieser Methode ist.

Alles, was zählt, ist dieser kurze Moment auf der Waage. Anschließend wird wieder getrunken und gegessen. Der Körper, der sich bis zu diesem Zeitpunkt in einer Art Notstand befand, speichert die Flüssigkeit nun erst recht. So kann es vorkommen, dass Athlet*innen am nächsten Tag schon wieder deutlich an Gewicht zunehmen – je nach Ausmaß des Weight Cuts sogar bis zu fünf Kilogramm oder noch mehr.

In welchen Sportarten finden Weight Cuts statt?

Kurz: Überall dort, wo es auf das Körpergewicht ankommt und Sportler zu einem Tag X eine ganz bestimmte Kilozahl auf die Waage bringen müssen, um zum Beispiel in der gewünschten Gewichtsklasse antreten zu können oder eine bessere sportliche Leistung abzuliefern.

Neben Kampfsportarten wie

  • Boxen,
  • Kickboxen und Muay Thai/Thaiboxen,
  • MMA,
  • Karate,
  • Judo,
  • Taekwondo,
  • Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ)
  • oder Ringen

ist der Weight Cut auch beim

  • Turnen,
  • Ballet,
  • Skispringen,
  • Rudern
  • oder Eiskunstlauf

nicht unüblich. Auch beim Bodybuilding und in der Modelwelt ist die Entwässerung beliebt, um kurzzeitig auf der Bühne oder für ein Shooting besonders gut auszusehen.

Wie läuft ein Weight Cut ab?

Zum konkreten Ablauf eines Weight Cuts durften wir dem argentinischen Profi-Kampfsportler Tomas Barrios beim Gewichtmachen für einen Wettkampf in China über die Schulter gucken. Von 72 auf 63 Kilogramm in nur sechs Tagen. Das ist durchaus möglich – aber alles andere als gesund.

Weight Cut: Der Kampf vor dem Kampf

In den Wochen vor dem Wettkampf ist es sinnvoll, den Körper bereits auf den bevorstehenden Weight Cut vorzubereiten und wenn möglich schon einige Kilogramm zu verlieren.

Das geschieht durch eine Ernährungsumstellung: Viele Sportler*innen steigen auf eine eiweißreiche, aber kohlenhydratarme Ernährung (Low Carb) um und reduzieren ihre Kalorienzufuhr, um ein Kaloriendefizit zu erreichen. Dabei ist es wichtig, weiterhin ausgewogen zu essen und genügend Nährstoffe aufzunehmen, um beim Training keinen Leistungseinbruch zu erleiden.

Der eigentliche Weight Cut startet in der Regel erst wenige Tage vor der Waage. Die nachfolgende Tabelle gibt die Trinkmenge in den einzelnen Tagen an. Die genaue Trinkmenge richtet sich nach

  • Körpergröße,
  • Gewicht
  • und dem individuellen Gewichtsziel.

In Tomas' Fall sah das folgendermaßen aus:

Trinkmenge pro Tag

Tag 18 Liter
Tag 26 Liter
Tag 34 Liter
Tag 41-2 Liter
Tag 50,5 Liter
Tag 6-

 

Weight Cut: Was steckt dahinter?

Durch das viele Trinken wird die Nierenaktivität angeregt. Der Körper gewöhnt sich also an die extreme Wasserzufuhr und scheidet entsprechend viel Flüssigkeit aus.

Viele Athlet*innen konsumieren zusätzlich zu der großen Trinkmenge bis zu 10 Gramm Salz am Tag, da Salz nicht nur Wasser bindet, sondern auch dafür sorgt, dass der Körper trotz der vielen Toilettengänge wichtige Mineralstoffe behält. Auf diese Weise geht mit dem Wasser nicht sämtliche Energie flöten und der*die Sportler*in schafft weiterhin das Trainingspensum.

Dieses besteht in Tomas' Fall aus Cardioeinheiten im Schwitzanzug (Sauna Suit) – mit anschließenden Saunagängen oder heißen Bädern. Schwitzen, Trinken, Toilettengänge, und wieder von vorn. Der ganz normale Alltag von Kampfsportler*innen im Trainingscamp.

Von Tag zu Tag wird nun die Trinkmenge reduziert und am letzten Tag findet dann der eigentliche "Cut" statt. Die Nieren arbeiten weiterhin auf Hochtouren, man kippt aber keine Flüssigkeit mehr nach, wodurch es zum gewünschten Entwässerungseffekt kommt.

Entwässerungstabletten beim Weight Cut

Einige Sportler*innen helfen nach, indem Sie während des Weight Cuts Entwässerungstabletten einnehmen. Das kann riskant sein, da man ohnehin schon eine Menge Wasser verliert und Gefahr läuft, zu dehydrieren. Zudem kann es durch die Einnahme von Entwässerungstabletten zu Kreislaufbeschwerden kommen. Wird dann noch trainiert, verstärkt sich dieser Effekt. Grundsätzlich ist es ratsam, sich vor einem Weight Cut professionell beraten zu lassen. Anlaufstellen können zum Beispiel Ernährungsberater*innen oder Ärzt*innen mit entsprechendem Schwerpunkt sein.

Allgemein ist es von Vorteil, den eigenen Körper und dessen Reaktion auf Flüssigkeitsentzug, Saunagänge, etc. zu kennen. Wer einen Weight Cut plant, sollte also im Vorfeld in Form eines "Mini Cuts" austesten, wie der Organismus auf die unterschiedlichen Maßnahmen reagiert.

Wichtig: Je nach Wettkampf-Promotion findet die Waage entweder am Kampftag oder am Vortag statt. Daher kann die Zeit, die die Sportler*innen zur Rehydration und Regeneration haben, stark variieren. Der Weight Cut sollte entsprechend angepasst werden! Zudem wird bei einigen Promotionen im Zuge der Waage kontrolliert, ob die Gefahr einer Dehydrierung vorliegt. Wird ein bestimmter Wert überschritten, kann eine Sperre die Folge sein. 

Ernährung während des Weight Cuts

Wie die Ernährung beim Weight Cut aussieht, ist individuell verschieden. Je nachdem, wie viele Kilos purzeln müssen, essen die Athlet*innen während der Entwässerung mal mehr, mal weniger. Insgesamt wird beim Gewichtmachen eine kohlenhydratarme Ernährung empfohlen. Das Gute: Die Kombination aus Protein und Fett sättigt und auch die hohe Trinkmenge füllt den Magen.

Am Tag vor der Waage wartet dann die doppelte Herausforderung: Zum einen hat man den Körper über mehrere Tage an das viele Trinken gewöhnt. Getrunken wird nun nicht mehr, nur die Lippen befeuchtet. Zum anderen darf nun auch kein Salz mehr gegessen werden, was die Lebensmittelauswahl erheblich einschränkt. Beinahe alle verpackten Produkte aus dem Supermarkt enthalten Salz. Möglich wäre zum Beispiel

  • ein wenig Rind- oder Hühnerfleisch,
  • ein hartgekochtes Ei,
  • ein paar Nüsse.

Ernährung beim Weight Cut für Veganer*innen ungeeignet

Die Ernährung beim Weight Cut ist für Veganer*innen beinahe unmöglich: Da Kohlenhydrate verboten sind und in erster Linie Proteine und Fette auf dem Speiseplan stehen, bleibt nicht viel, da Eiweiß aus nicht-tierischen Produkten wie beispielsweise Linsen sehr viele Kohlenhydrate enthalten.

Was isst und trinkt man nach dem Weight Cut?

Was und wie viel nach der Waage gegessen und getrunken wird, richtet sich unter anderem danach, ob der Wettkampf noch am selben Tag stattfindet, oder ob der*die Athlet*in bis zum nächsten Tag Zeit hat, um zu regenerieren.

Zunächst ist es wichtig, wieder zu hydrieren und den Körper ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Besonders gut eignen sich elektrolythaltige Getränke. Gleichzeitig ist es wichtig, den Verdauungsapparat nicht zu überfordern. Extrem zuckerhaltige oder kohlensäurehaltige Getränke sollten also vermieden werden.

Das gilt auch für die Ernährung: Sportler*innen wird empfohlen, nach einem Weight Cut kohlenhydratreiche Lebensmittel zu essen, die gut verdaulich sind. Dazu eignen sich einfache Kohlenhydrate, etwa Nudeln oder Reis.

Auch ein wenig Fett und Eiweiß sollte auf dem Speiseplan stehen. Grundsätzlich gilt aber auch hier: Jeder Körper reagiert anders auf eine solch extreme Diät. Daher sollten Sportler*innen ausprobieren, mit welchen Getränken und Lebensmitteln sie nach dem Entwässern am besten zurechtkommen.

Wichtig: Der Heißhunger mag nach einem Weight Cut enorm groß sein. Dennoch tun wir unserem Körper keinen Gefallen, wenn wir ihn von jetzt auf gleich mit großen Portionen überfordern.

Profi-Kampfsportler im Interview

Onmeda.de: Warum kämpft nicht jeder einfach in seiner Gewichtsklasse? Dann müsste sich niemand dieses Prozedere antun und hätte bestimmt auch mehr Power im Kampf.

Tomas Barrios: Das ist einfach ein Teufelskreis. Der Start in einer niedrigeren Gewichtsklasse ist natürlich mit größeren Erfolgsaussichten verbunden. Dadurch, dass aber mittlerweile jeder eine Klasse unter seinem Normalgewicht kämpft, geht dieser Plan nicht mehr auf. Trotzdem wäre es gewagt, in einer höheren Gewichtsklasse anzutreten, da man auf diese Weise ja automatisch einen Gegner bekommt, der gute acht bis zehn Kilogramm mehr wiegt. Das Risiko geht niemand ein und solange die Regeln nicht geändert werden, wird sich da nichts tun.

Wie geht es dir körperlich und mental während des Weight Cuts?

Tomas Barrios: Gar nicht gut. Das Schlimmste ist für mich der Tag vor der Waage, da der Körper an diese riesige Trinkmenge gewöhnt ist. Trotz Durst nur die Lippen zu befeuchten, ist einfach hart. Dazu kommen natürlich die Saunagänge und Cardio-Einheiten. Der ganze Körper fühlt sich schlapp an und manchmal habe ich das Gefühl, ich kann mich durch den Wassermangel kaum auf meinen bevorstehenden Kampf konzentrieren. Die eigentliche Challenge ist der Weight Cut. Ist der Kampf gegen die Waage erst einmal gewonnen, fühle ich mich immer total erleichtert und eine große Last fällt von mir ab. Immerhin setzt es einen auch unter Druck, innerhalb so kurzer Zeit ein bestimmtes Gewicht erreichen zu müssen.

Hast du das Gefühl, deinem Körper damit zu schaden?

Tomas Barrios: Kurzfristig auf jeden Fall, denn ich merke, wie schwach ich mich während des Weight Cuts fühle. Mir ist schwindelig und übel, ich fühle mich zittrig und bin außerdem richtig mies gelaunt. Obwohl ich versuche, in den ersten Tagen viel Salz zu mir zu nehmen, verliert man zwangsläufig wichtige Nährstoffe. Was mir auch aufgefallen ist: Ich bin in dieser Phase viel anfälliger für Krankheiten. Letztes Mal habe ich mir zum Beispiel eine Augeninfektion eingefangen. Das Immunsystem fährt einfach runter.

Würdest du ohne Weight Cut bessere Leistungen bringen können?

Tomas Barrios: Ich denke schon. Nach der Waage trinke ich erst einmal drei bis vier Liter und esse anschließend unverhältnismäßig viel. Das überfordert den Körper. Man müsste den Wiegetag auf den Kampftag verlegen, damit das Gewichtmachen in dieser heftigen Form ein Ende hat. Darüber wurde schon häufig diskutiert, vor allem seit dem Tod einer jungen Australierin, die an den Folgen eines Weight Cuts gestorben ist. Leistungssport ist nun mal hart, was viele gar nicht mitbekommen. Hinter jedem sportlichen Erfolg steckt aber eine Menge hartes Training und leider auch fragwürdige Praktiken wie eben das Gewichtmachen.

Tomas, ich danke dir für dieses Gespräch.

Weight Cut: Effektiv, aber gefährlich?

Viele Kilos innerhalb weniger Tage zu verlieren ist mithilfe eines Weight Cuts durchaus machbar. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass immer nur eine kurzfristige Gewichtsabnahme erreicht werden kann, da man nicht an Fett, sondern an Wasser verliert.

Deshalb ist diese Methode wirklich nur für Leistungssportler*innen sinnvoll, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Gewicht auf die Waage bringen müssen. Für diejenigen, die eine langfristige Gewichtsabnahme anstreben, kommt der Weight Cut also nicht infrage.

Doch auch für Sportler*innen, die ihren Körper besonders gut kennen, kann ein Weight Cut riskant sein. In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, in denen Athlet*innen infolge einer radikalen Entwässerung dehydriert und kollabiert sind. Auch Todesfälle gab es bereits.

Gefahr von Essstörungen durch Gewichtmachen

Der extreme Fokus auf das Gewicht kann zudem einen hohen Druck erzeugen. Wo Leistung und Erfolg eng mit der Zahl auf der Waage verknüpft sind, besteht die Gefahr, dass Athlet*innen womöglich eine Essstörung entwickeln. Studien zufolge kommt es insbesondere zu

Zum einen wird Ernährung zunehmend als Werkzeug angesehen, das einen bestimmten Zweck – nämlich eine Gewichtsabnahme – verfolgt. Sportler*innen setzen sich akribisch mit dem Kalorien- und Nährstoffgehalt einzelner Lebensmittel auseinander. Dadurch fällt es schwer, Essen als etwas zu betrachten, das Genuss und Freude wecken darf. Andersherum kann es aber auch sein, dass der Fokus auf bestimmte Lebensmittel nach einer langen Phase des Verzichts so stark ist, dass Essen zu einer Belohnung wird, die aber oft mit Schuldgefühlen einhergeht.

Grundsätzlich sollten sämtliche Diätmaßnahmen im Leistungssport natürlich individuell auf den Energie- und Nährstoffbedarf des*der Sportler*in abgestimmt sein und im besten Fall vom Verbandsarzt begleitet und kontrolliert werden. Auch regelmäßige Blutanalysen können Aufschluss über Mineral- und Nährstoffmängel geben.