Symbolbild: Mann mit Wernicke-Enzephalopathie sitzt auf Sofa und leidet unter Symptomen.
Symbolbild: © Getty Images/PixelsEffect

Wernicke-Enzephalopathie: Symptome, Ursachen und Verlauf

Von: Paula Vradelis (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 03.05.2023

Bei der Wernicke-Enzephalopathie handelt es sich um eine schwere Stoffwechselstörung im Gehirn. Ausgelöst wird sie durch einen Mangel des Vitamins B1, meist als Folge eines chronischen Alkoholmissbrauchs. Was die genauen Symptome der Wernicke-Enzephalopathie sind und wie die Prognose ist.

Zusammenfassung

  • Definition: Die Wernicke-Enzephalopathie ist eine schwere degenerative Hirnerkrankung, die infolge eines Vitamin-B1-Mangels entstehen kann.
  • Symptome: Anfänglich treten oft Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Reizbarkeit auf. Im Verlauf kann es beispielsweise zu Verwirrtheit und Koordinations- sowie Bewusstseinsstörungen kommen. Bei der chronischen Form sind anhaltende Gedächtnisprobleme und weitere Beschwerden wie niedriger Blutdruck möglich.
  • Ursachen: Ursächlich ist ein Vitamin-B1-Mangel infolge einer Mangelernährung, die meist durch Alkoholismus, Essstörungen oder andere Risikofaktoren entsteht. 
  • Diagnose: Zur Diagnose kommen bildgebende Verfahren (insbesondere MRT) und eine Blutuntersuchung zum Einsatz. 
  • Behandlung: Im Fokus stehen die Linderung der Symptome und Verabreichung von hochdosiertem Thiamin, um den Mangel zu beheben. Zudem sollten eine etwaige Essstörung oder Alkoholabhängigkeit behandelt werden.
  • Prognose: Frühzeitig diagnostiziert und behandelt, sind die Heilungschancen gut. Unbehandelt verläuft die Krankheit in etwa 10 bis 20 Prozent der Fälle tödlich.

Was ist eine Wernicke-Enzephalopathie?

Die Wernicke-Enzephalopathie (auch Wernicke-Korsakow-Syndrom oder Pseudoenzephalopathia haemorrhagica superior) ist eine schwere degenerative Erkrankung des Gehirns. Ursache dieser Erkrankung ist ein Thiaminmangel. Thiamin (Vitamin B1) spielt eine Rolle im Kohlenhydratstoffwechsel der Zellen, welcher zur Energiegewinnung betrieben wird. 

Der Körper kann Thiamin nicht selbst herstellen, weshalb es über die Nahrung zugeführt werden muss. Fehlt es an Thiamin, ist der Energiestoffwechsel gestört. Schlimmstenfalls können die betroffenen Zellen absterben. Diese degenerativen Hirnschäden können sich durch Symptome wie Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen, Koordinationsproblemen und Sprechstörungen äußern.

Häufigkeit

Die Diagnose einer Wernicke-Enzephalopathie erfolgt laut Meinung von Fachleuten zu selten, weshalb die Dunkelziffer vermutlich sehr hoch ist. Autopsie-Studien zeigen Anzeichen der Krankheit bei etwa ein bis drei Prozent der verstorbenen Personen. Rund die Hälfte von Menschen mit Alkoholsucht entwickeln einen Vitamin-B1-Mangel. 

Wernicke-Enzephalopathie: Welche Symptome sind möglich?

Bei der Wernicke-Enzephalopathie kann es zu verschiedenen Symptomen kommen, je nachdem, in welchem Bereich des Gehirns degenerative Veränderungen entstehen. Zu den möglichen Beschwerden zählen: 

  • anfänglich oft Kopfschmerzen, Reizbarkeit und Abgeschlagenheit

  • Benommenheits- und Verwirrtheitszustände

  • Bewegungsstörungen (Ataxie)

  • Gleichgewichtsprobleme und Gangstörungen

  • Lähmungen der Augenmuskeln 

  • unkoordinierte Augenbewegungen (Nystagmus)

  • Sehstörungen

  • im chronischen Stadium: Gedächtnisstörungen, übermäßiges Fantasieren/Tagträumen, kognitive Verhaltensauffälligkeiten und Einschränkungen

  • seltener auch: niedrige Körpertemperatur (Hypothermie), niedriger Blutdruck (Hypotonie), beschleunigter Herzschlag, Halluzinationen und epileptische Anfälle

Es müssen nicht immer alle genannten Symptome auftreten. Bleiben Beschwerden aus, kann die Krankheit jedoch nicht automatisch ausgeschlossen werden.

Welche Ursache hat die Wernicke-Enzephalopathie?

Die Wernicke-Enzephalopathie entsteht durch einen Mangel an Thiamin. Dieser Vitaminmangel entsteht im Körper häufig infolge eines chronischen Alkoholismus. Es kommt meist zu einer Mangelernährung und zu einer Leberschädigung, weshalb das Organ zusätzlich weniger Vitamin B1 speichern kann.

Auch aufgrund einer Mangelernährung im Rahmen einer Essstörung oder einer gestörten Nährstoffaufnahme infolge einer Magen- oder Darmoperation kann sich ein Thiaminmangel entwickeln.

Weitere Risikofaktoren für einen Vitamin-B1-Mangel und somit für eine Wernicke-Enzephalopathie sind: 

  • chronische Magen-Darm-Beschwerden
  • chronische Nierenerkrankungen
  • Operationen bei Übergewicht (Adipositas)
  • unstillbares Erbrechen während der Schwangerschaft (Hyperemesis gravidarum)

Wie lässt sich eine Wernicke-Enzephalopathie diagnostizieren?

Die Wernicke-Enzephalopathie kann durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert werden. Hierbei können symmetrische Schädigungen auf den Mamillarkörperchen (Corpora mamillaria), einem Teil des Hypothalamus, und im Bereich des Thalamus sichtbar gemacht werden. Das sind Hirnbereiche, die oft Schädigungen infolge des Vitaminmangels davontragen.

Eine auffällige Bildgebung sichert jedoch nicht zwingend die Diagnose. Deshalb wird die*der Ärztin*Arzt zudem eine Blutuntersuchung durchführen, mit der ein verminderter Thiamin-Gehalt im Blut aufgedeckt werden kann.

Wernicke-Enzephalopathie: Wie erfolgt die Therapie?

Das Ziel der Therapie ist, die Symptome zu lindern und bleibende Schäden zu verhindern. Dabei steht auch die Behandlung einer möglichen Grunderkrankung im Fokus. Da eine Krankheit meist infolge eines Alkoholmissbrauches (Alkoholabusus) entsteht, ist eine lebenslange absolute Alkoholabstinenz unabdinglich.

Darüber hinaus wird hochdosiertes Thiamin zunächst als Infusion, später oral in Form von Tabletten verabreicht.

Wernicke-Enzephalopathie: Verlauf, Prognose und Lebenserwartung

Frühzeitig diagnostiziert und behandelt, können sich die Symptome teilweise zurückbilden. Bei verspätetem Behandlungsbeginn und somit einem chronischen Vitamin-B1-Mangel kann sich im Verlauf in das sogenannte Korsakow-Syndrom entwickeln. Dieses auch als Defektsyndrom bezeichnete Krankheitsbild tritt bei rund 13 Prozent der Patient*innen auf. In vielen Fällen geht das Korsakow-Syndrom mit bleibenden Schädigungen des Gehirns einher. Deshalb sollte die Gabe von Thiamin bereits bei einem geringen Verdacht erfolgen. 

Unterbleibt eine Behandlung, verläuft die Wernicke-Enzephalopathie in 10 bis 20 Prozent der Fälle tödlich.

Lässt sich einer Wernicke-Enzephalopathie vorbeugen?

Alkoholkranke Personen sollten vor allem darauf achten, ausreichend Vitamin B1 zu sich zu nehmen. Auch die Versorgung mit Magnesium und anderen Vitaminen ist unerlässlich, um einer Mangelernährung vorzubeugen. Neben einer Alkoholsucht sollten auch weitere Ursachen wie eine Essstörung therapiert werden.

Bei einer gesunden und ausgewogenen Lebensweise besteht in der Regel kein Thiaminmangel, denn viele Lebensmittel tierischen und pflanzlichen Ursprungs enthalten von Natur aus Vitamin B1. Dazu zählen vor allem Schweinefleisch, aber auch Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte wie Linsen.