Eine Seniorin und ihre Tochter.
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"Meine Mutter hat Alzheimer": Wie Angehörige Entlastung finden

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 29.12.2021

Alzheimer stellt das ganze Leben auf den Kopf. Nicht nur das des Betroffenen, auch das Leben derer, die emotional eng mit ihm verbunden sind. Für pflegende Angehörige ist der Alltag mit einem Demenzkranken eine Gratwanderung. Zum einen wollen sie für den geliebten Menschen da sein. Zum anderen stoßen sie immer wieder an ihre körperlichen und psychischen Grenzen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

"Meine Mutter hat Alzheimer": Wie Angehörige Entlastung finden

Pflegende Angehörige bewältigen eine schwierige und oft sehr belastende Aufgabe. Sie sind Woche für Woche, Monat für Monat, unter Umständen auch Jahre für den Erkrankten da, und das teils bis zur Erschöpfung. Sie müssen zusehen, wie Vater, Mutter oder ein anderer Vertrauter langsam alles vergisst. Wie bedrückend sich das anfühlen mag, ist für Außenstehende kaum vorstellbar.

Bei allem Kraftaufwand darf etwas nicht in den Hintergrund geraten: die eigenen Bedürfnisse. Es gibt einige Möglichkeiten, um bei der Pflege eines Alzheimerkranken Entlastung zu finden.

1. Lassen Sie sich beraten

Gerade zu Beginn einer diagnostizierten Alzheimer-Erkrankung tauchen viele Fragen auf. Wie geht man mit dem Betroffenen am besten um? Welche finanziellen und personellen Hilfen gibt es vom Staat? An welchem Punkt ist eine professionelle Betreuung unumgänglich? Für Betroffene und Angehörige gibt es einige Hilfsangebote, die Information und Unterstützung bieten.

Neben dem Hausarzt kann das Alzheimer-Telefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft eine erste Anlaufstelle sein. Am Telefon erhalten Sie von geschultem Personal Antworten auf viele Fragen. Unter anderem können Ihnen die Mitarbeiter Beratungsstellen in Ihrer Region nennen. Das Alzheimer-Telefon erreichen Sie aus dem deutschen Festnetz unter 01803 171017 (Mo-Do von 9-18 Uhr, Fr von 9-15 Uhr; 9 Cent/Minute).

Pflege-Schulungen für Angehörige

Angehörige, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen und eine an Alzheimer erkrankte Person zu Hause pflegen, können eine kostenlose Schulung beantragen. Dort können sie unter anderem lernen, mit dem Betroffenen im Alltag umzugehen. Fragen Sie bei der Pflegekasse des Erkrankten nach, inwiefern Sie Anspruch auf eine solche Schulung haben.

2. Suchen Sie Hilfe von Bekannten oder Ehrenamtlichen

Eine weitere Anlaufstelle können sogenannte HelferInnenkreise sein, welche ehrenamtliche Helfer zur Verfügung stellen. Diese Helfer unterstützen Sie für einige Stunden in der Woche, sodass Sie Zeit für sich haben. In der Regel handelt es sich um Personen, die entsprechend geschult sind. Sie kümmern sich um die soziale Betreuung, etwa, indem sie mit dem Kranken spazieren gehen. Für die Pflege oder für den Haushalt sind sie hingegen nicht zuständig. Entsprechende Kontakte erhalten Sie zum Beispiel bei Ihrer Pflegekasse oder bei einer Alzheimer-Gesellschaft in Ihrer Nähe. Anfallende Kosten können in der Regel über die Pflegeversicherung gedeckt werden.

Vielleicht gibt es im Familien- oder Bekanntenkreis jemanden, der Sie unterstützen kann – und sei es auch nur, um einmal pro Woche die Einkäufe zu erledigen oder dem Kranken etwas vorzulesen. Scheuen Sie sich nicht, um Hilfe zu bitten. Vielleicht ist der ein oder andere sogar froh, Sie ein Stück weit entlasten zu können.

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3. Nehmen Sie professionelle Entlastungsangebote in Anspruch

Im Laufe der Zeit kann die Pflege einer demenzkranken Person zu einem Fulltime-Job werden – eine Leistung, welche die meisten Angehörigen nicht erbringen können und auch nicht müssen. Gerade in fortgeschrittenen Stadien einer Alzheimer-Erkrankung sollte professionelle Hilfe selbstverständlich sein.

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Entlastung. Dazu zählen unter anderem:

  • Betreuungsgruppen: Betreuungsgruppen geben die Möglichkeit, den Erkrankten an ein bis zwei Tagen in der Woche in einer Gruppe zu beschäftigen. Die Gruppe leitet eine Fachkraft, die von geschulten Ehrenamtlichen unterstützt wird. Betreuungsgruppen werden von verschiedenen Wohlfahrtsverbänden und Alzheimer-Gesellschaften angeboten. Die Kosten übernimmt in vielen Fällen die Pflegeversicherung.
  • ambulante Pflegedienste: In vertrauter Umgebung leben zu können, ist für viele Alzheimer-Patienten besonders wichtig. Ambulante Pflegedienste unterstützen sie dabei. Zum Beispiel helfen die Pflegekräfte im Haushalt, übernehmen die Körperpflege des Erkrankten und helfen ihm beim Essen. Die Kosten übernimmt (größtenteils) die Pflegekasse, eine Zuzahlung kann nötig sein. Die sogenannte "häusliche Krankenpflege" umfasst Leistungen wie Wundversorgung oder Medikamentengabe durch Pflegefachkräfte. Die häusliche Krankenpflege kann nur auf ärztliche Verordnung in Anspruch genommen werden und wird von der Krankenkasse bezahlt.
  • Tagespflege: Mehrmals pro Woche können Alzheimerkranke eine Tagesstätte besuchen. Dort werden sie gefördert, gepflegt und sozial eingebunden. Zugleich kann die Tagespflege die Angehörigen vorübergehend entlasten. Die Tagespflege wird nach Tagessätzen berechnet. Die Pflegeversicherung übernimmt je nach Pflegestufe des Erkrankten einen bestimmten Betrag, der Rest muss aus eigener Tasche und ggf. vom Sozialamt gezahlt werden.
  • Kurzzeitpflege: Pflegende Angehörige haben Anspruch auf Urlaub! Für bis zu 28 Tage pro Jahr können Sie den Erkrankten in der Kurzzeitpflege einer stationären Pflegeeinrichtung unterbringen. In dieser Zeit können Sie sich eine Auszeit nehmen. Die Pflegekasse übernimmt dabei einen bestimmten Geldbetrag.
  • Urlaubs- /Verhinderungspflege: Im Gegensatz zur Kurzzeitpflege wird der Erkrankte durch einen Pflegedienst oder eine nahestehende Person zu Hause betreut. Dies ist ebenfalls für bis zu 28 Tage pro Jahr möglich, wenn der pflegende Angehörige krank oder anderweitig verhindert ist. Auch hier übernimmt die Pflegekasse einen Teil der Kosten. Kurzzeit- und Urlaubs-/Verhinderungspflege können miteinander kombiniert werden.

Wo finde ich was?

Betreuungsgruppen in Ihrer Region finden Sie zum Beispiel auf den Seiten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Wenn Sie an einem ambulanten Pflegedienst, an Tagespflege oder Kurzzeitpflege interessiert sind, können zum Beispiel Ihr Hausarzt, eine Alzheimer-Gesellschaft sowie die Kranken- und/oder Pflegekasse erste Ansprechpartner sein.

4. Achten Sie auf sich

Sie meinen, Sie müssten eigentlich viel mehr für den geliebten Menschen tun? Sie haben ein schlechtes Gewissen, wenn Sie sich mit Freunden treffen und mit ihnen lachen? Dann sind Sie zu hart zu sich. Sie haben ein Recht darauf, Ihr eigenes Leben zu leben. Und auch Reaktionen wie Frust, Trauer oder Angst sind ganz normal und dürfen sein.

Wer rund um die Uhr gestresst ist, setzt seine eigene Gesundheit aufs Spiel. Nur wenn Sie sich Ruhepausen gönnen und Grenzen setzen, können Sie mit vollem Einsatz für den anderen da sein. Achten Sie auf Zeit für sich, und das ganz bewusst. Es ist völlig in Ordnung, wenn Sie ins Kino gehen, sich mit einer Massage belohnen oder Ihrem geliebten Hobby nachgehen – ohne schlechtes Gewissen.

5. Tauschen Sie sich mit Gleichgesinnten aus

Ob Selbsthilfegruppe oder Online-Forum: Manchen hilft es, sich mit Menschen auszutauschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Schwierigkeiten und Sorgen zu teilen und miteinander zu besprechen, kann entlastend sein. Und vielleicht hat der ein oder andere bereits Erfahrungen gemacht oder Tipps parat, die er an Sie weitergeben kann. Fragen Sie Ihren Hausarzt oder Ihren Apotheker, ob er eine Selbsthilfegruppe in der Nähe kennt, oder nutzen Sie die Suche auf den Seiten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.

6. Planen Sie für die Zukunft

Je weiter die Alzheimer-Erkrankung fortschreitet, desto mehr ist Ihr Angehöriger auf Pflege angewiesen. Überlegen Sie frühzeitig mit Ihrer Familie – und auch mit dem Betroffenen, wenn möglich –, bis zu welchem Punkt Sie die Pflege selbst übernehmen und wo der Kranke leben wird, wenn Sie ihn nicht mehr allein betreuen können. Allein die Gewissheit, die Zukunft ein Stück weit geplant zu haben, kann schon ein wenig entlasten.