Wadenkrämpfe (Wadenkrampf)
Manche werden nachts von Wadenkrämpfen aus dem Schlaf gerissen, andere haben vor allem beim Sport mit dem Problem zu kämpfen – etwa beim Laufen. Besonders häufig kommen Wadenkrämpfe in der Schwangerschaft und bei älteren Menschen vor. Was sind die Ursachen? Wie lassen sich Wadenkrämpfe schnell lösen? Und wie kann man ihnen vorbeugen?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Wadenkrämpfe
Wadenkrämpfe entstehen, wenn sich die Muskeln in der Wade unwillkürlich stark anspannen und sich danach zunächst nicht wieder entspannen. Die Krämpfe treten meist plötzlich auf, dauern einige Sekunden bis Minuten an und gehen mit Schmerzen einher.
Die Ursache von Wadenkrämpfen ist noch nicht abschließend geklärt. Lange Zeit gingen Fachleute davon aus, dass ein Mangel an Flüssigkeit oder bestimmten Elektrolyten wie Magnesium, Natrium oder Kalium Auslöser für die Krämpfe ist. Da Krämpfe häufig beim Sport – etwa beim Laufen – auftreten, liegt diese Vermutung nahe. Denn beim Schwitzen verliert der Körper sowohl Wasser als auch Elektrolyte.
Dieser Verlust scheint aber wohl nicht der tatsächliche Grund für die Krämpfe zu sein. Zumindest sprechen Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen dagegen. In diesen Studien fand sich zum Beispiel kein Zusammenhang zwischen einem Mangel an Elektrolyten und der Anfälligkeit für Krämpfe. Das heißt: Menschen, die oft Krämpfe haben, mangelt es nicht häufiger oder stärker an Elektrolyten als Personen, die selten Krämpfe bekommen.
Die Anfälligkeit für Krämpfe scheint mit anderen biologischen Faktoren zusammenzuhängen. So hat sich gezeigt, dass die Muskeln bei manchen Menschen leichter erregbar sind als bei anderen. Die Reizschwelle, ab der ihre Muskeln aktiviert werden, ist niedriger. Möglicherweise ist das der Grund, warum diese Menschen beim Sport zu Krämpfen neigen.
Zudem gibt es verschiedene Faktoren, die Menschen anfälliger für Wadenkrämpfe machen. Dazu zählen:
- Fußfehlbildungen (etwa Plattfüße)
- Schwangerschaft
- langes Sitzen
- Arterienverkalkung (Arteriosklerose)
- die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Statine, Diuretika, Mittel gegen Herzrhythmusstörungen)
- Muskelerkrankungen
- Nervenerkrankungen wie eine durch Diabetes mellitus ausgelöste Polyneuropathie
- Stoffwechselerkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion oder Nebenschilddrüsenunterfunktion
Wadenkrämpfe beim Laufen und Gehen
Zu Wadenkrämpfen kommt es keineswegs nur nachts. Auch, wenn man die Wadenmuskulatur stark beansprucht – etwa beim Gehen oder Laufen, können Krämpfe auftreten. Für jeden Schritt ziehen sich die Wadenmuskeln zusammen, um
- die Ferse anzuheben,
- den Vorderfuß gegen den Boden zu drücken und somit
- das Abrollen des Fußes zu ermöglichen.
Normalerweise entspannen sich die Muskeln anschließend wieder. Dadurch streckt sich die Wade und man kann den nächsten Schritt machen. Zu Wadenkrämpfen kommt es, wenn die Entspannung ausbleibt: Die Muskulatur verharrt dann in der Kontraktion, also im verkürzten Zustand. Das verursacht nicht nur Schmerzen, sondern ist auch lästig – vor allem während eines Spaziergangs oder während des Trainings.
Nicht nur untrainierte Menschen können beim Laufen oder Gehen Wadenkrämpfe bekommen. Sogar manche Profiläuferinnen und -läufer haben mit dem Problem zu kämpfen. Studien zufolge gibt es gewisse Faktoren, die Athletinnen und Athleten anfälliger für Wadenkrämpfe machen. Dazu gehören unter anderem:
- chronische Krankheiten (z. B. Nervenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Allergien)
- die regelmäßige Einnahme von Medikamenten
- durch den Sport verursachte Verletzungen innerhalb des letzten Jahres
Um die Wadenkrämpfe zu lösen, eignen sich die gleichen Maßnahmen wie bei nächtlichen Wadenkrämpfen: Dehnen, Massieren und herumlaufen. Welche Maßnahmen dazu beitragen können, dass die Krämpfe seltener vorkommen, hängt von den individuellen Voraussetzungen der betroffenen Person ab. Mehr dazu erfahren Sie im Kapitel Wadenkrämpfen vorbeugen.
Wadenkrämpfe nachts
Manche Menschen – besonders Personen höheren Alters – werden vor allem nachts von Wadenkrämpfen geplagt. Warum, ist nicht klar. Eventuell hängt es damit zusammen, dass im Alter vermehrt sogenannte Motoneurone absterben. So nennt man die Nervenzellen, die die Muskeln steuern.
Es hat sich gezeigt, dass vor allem die Beine vom altersbedingten Verlust dieser Nervenzellen betroffen sind. Er könnte zu einer gestörten Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln führen – und somit zu Krämpfen.
Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Faktoren nächtliche Wadenkrämpfe begünstigen, zum Beispiel:
- verkürzte Sehnen
- Bewegungsmangel
- Alkohol
Der Zusammenhang zwischen Alkohol und nächtlichen Wadenkrämpfen hat sich in einer Studie mit älteren Menschen gezeigt. Eine Erklärung dafür fanden die Forscherinnen und Forscher nicht. Sie vermuten aber, dass es etwas mit der Wirkung des Alkohols auf die Muskulatur zu tun hat: Regelmäßiger Alkoholkonsum fördert offenbar den Abbau bestimmter Muskelfasern, der im Alter ohnehin stattfindet. Das könnte die Funktion der Muskeln beeinträchtigen.
Übrigens: Bei vielen Menschen, die über nächtliche Wadenkrämpfe klagen, treten die Krämpfe auch am Tag auf. Die Muskulatur verkrampft sich dann aber meist nicht so stark und schmerzhaft wie in der Nacht. Denn tagsüber spüren die Betroffenen sich anbahnende Krämpfe meist so früh, dass sie sie rechtzeitig durch Dehnen stoppen können. Nächtliche Wadenkrämpfe hingegen werden häufig so spät bemerkt, dass sie sich nicht mehr verhindern lassen. Die Betroffenen werden erst wach, wenn der Krampf schon so stark sind, dass er Schmerzen verursacht.
Wadenkrämpfe: Schwangerschaft
In der Schwangerschaft kommen Wadenkrämpfe häufig vor: Etwa 30 bis 50 von 100 Frauen haben ab der 28. Schwangerschaftswoche (SSW) mindestens zweimal in der Woche damit zu kämpfen – häufig nachts. Eine genaue Erklärung gibt es dafür bislang nicht. Wahrscheinlich hängt es mit der Überlastung der Wadenmuskulatur durch das zusätzliche Gewicht zusammen.
Anfällig für Wadenkrämpfe sind offenbar vor allem Schwangere,
- die zu viel Sport treiben,
- denen es an bestimmten Nährstoffen (z. B. Vitamin D und E) und Elektrolyten mangelt, und/oder
- die bestimmte Erkrankungen haben (z. B. Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen).
Leider hat sich bisher kein Mittel gefunden, mit dem sich die Krämpfe wirksam verhindern ließen. Mitunter wird Schwangeren empfohlen, zur Vorbeugung der Krämpfe Magnesium einzunehmen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben aber gezeigt, dass das nichts bringt. Der Magnesiumbedarf ist in der Schwangerschaft auch nur leicht erhöht. Normalerweise lässt er sich problemlos über die Ernährung decken.
Wadenkrämpfe: Magnesium
Magnesium zählt zu den sogenannten Elektrolyten. Das sind in Körperflüssigkeit gelöste Mineralstoffe, die Signale von den Nerven zu den Muskeln leiten. Krämpfe galten lange als Zeichen dafür, dass es dem Körper an Elektrolyten wie Magnesium fehlt. Man dachte, dieser Mangel führe zu einer gestörten Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln – und somit zu Krämpfen.
Deshalb erhielten Menschen, die zu Krämpfen neigen, häufig den Rat, Magnesiumpräparate einzunehmen. Inzwischen weiß man aber, dass das nichts bringt. Ob jemand häufig Muskelkrämpfe bekommt oder nicht, hängt offenbar von anderen Faktoren ab – nicht davon, wie gut sein Körper mit Magnesium versorgt ist. Zu Wadenkrämpfen kann es somit auch trotz einer ausreichenden Menge an Magnesium im Körper kommen.
Wadenkrämpfe lösen
Um Wadenkrämpfe zu lösen, sollte man die Wadenmuskeln dehnen und massieren. Die meisten Menschen verhalten sich bei einem Krampf intuitiv richtig: Sie ziehen den Fuß hoch und strecken dadurch die Muskeln, die sich durch die heftige Anspannung verkürzt haben.
Wenn die Krämpfe nachts auftreten, kann es außerdem helfen, aufzustehen und einige Schritte zu gehen. Löst sich die Verkrampfung dadurch nicht, kann möglicherweise eine warme Dusche dazu beitragen, die Muskulatur zu entspannen.
Wadenkrämpfen vorbeugen
Manchmal können einfache Maßnahmen und Hausmittel dazu beitragen, Wadenkrämpfen vorzubeugen, zum Beispiel:
- regelmäßige Dehnübungen nach dem Sport und/oder vor dem Schlafengehen
- die Füße nachts leicht erhöht lagern (z. B. durch ein Kissen am Fußende des Bettes)
- eine leichtere Bettdecke
Zur Vorbeugung nächtlicher Wadenkrämpfe werden sogenannte passive Dehnübungen empfohlen. Diese laufen wie folgt ab:
- Beugen Sie Ihren Oberkörper vor, ohne dabei mit den Fersen vom Boden abzuheben.
- Wenn Sie leicht aus dem Gleichgewicht geraten, stützen Sie sich dabei an einer etwa ein Meter entfernten Wand ab.
- Wiederholen Sie diese Übung mehrmals täglich.
Wenn die Wadenkrämpfe häufig vorkommen, sollte man den Rat einer Ärztin oder eines Arztes einholen. Sie oder er wird zunächst mögliche Gründe für die Krämpfe ermitteln. Manchmal lassen sich die Auslöser beseitigen. Wenn die oder der Betroffene zum Beispiel Medikamente einnimmt, die Krämpfe begünstigen, besteht eventuell die Möglichkeit, das Präparat zu wechseln.
In bestimmten Fällen kann die Ärztin oder der Arzt auch eine Physiotherapie verordnen oder Medikamente verschreiben.
Wadenkrämpfe: Hausmittel & Medikamente
Wer über Wadenkrämpfe klagt, bekommt mitunter den Rat, es mal mit Hausmitteln zu versuchen. Beliebt sind etwa Essig, Senf und Essiggurken-Wasser – nicht für die äußerliche Anwendung, sondern zum Einnehmen. Ob und inwieweit diese Hausmittel helfen können, ist allerdings fraglich. Wissenschaftlich nachgewiesen ist ihre Wirksamkeit nicht.
Das einzige Mittel, das Krämpfe erwiesenermaßen lindern kann, ist Chinin. Dieser Wirkstoff setzt im Körper verschiedene Mechanismen in Gang, die zur Entspannung der Muskulatur führen. Zudem kann Chinin die Krampfneigung senken und Wadenkrämpfen vorbeugen.
Medikamente mit Chinin sind allerdings verschreibungspflichtig. Das hat gute Gründe: Zum einen kann Chinin zum Teil ernste Nebenwirkungen wie Seh- und Hörstörungen hervorrufen. Zum anderen kann es mit anderen Arzneimitteln wechselwirken. Darum verordnen Ärztinnen und Ärzte das Mittel nur, wenn die Krämpfe
- sehr häufig auftreten oder mit starken Schmerzen einhergehen, und
- sich durch andere Maßnahmen nicht ausreichend lindern lassen.
Für bestimmte Personen ist eine Therapie mit Chinin grundsätzlich ungeeignet, etwa für Schwangere sowie für Menschen mit Herzrhythmusstörungen, Tinnitus oder einer Schädigung des Sehnervs.
Mitunter raten Ärztinnen oder Ärzte auch zur Einnahme von Magnesiumpräparaten. Diese haben den Vorteil, dass sie in der Regel keine unerwünschten Wirkungen hervorrufen. Allerdings ist auch ihr Nutzen begrenzt: In Studien hat sich gezeigt, dass Magnesium bei Krämpfen nicht besser hilft als Placebos, also Präparate ohne Wirkstoff.