Ein Sportler hält sich das Knie
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Patellaspitzensyndrom

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 18.06.2021

Wenn die Sehnenansätze im Bereich der Kniescheibe überlastet und gereizt sind, kann es zu Schmerzen im vorderen Kniegelenk kommen. Das passiert häufig in Zusammenhang mit Sportarten, bei denen man viel springt oder häufig die Richtung wechselt. Deshalb heißt das Patellaspitzensyndrom auch "Springerknie". Die chronische Überlastungserkrankung kann unbehandelt dazu führen, dass die Kniescheibensehne verschleißt und im Extremfall reißt.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Überblick

Die Kniescheibensehne ist genaugenommen ein Band und stellt die Verlängerung des Oberschenkelmuskels dar. Sie verbindet die Kniescheibe mit dem Schienbein.

Beim Springen und anschließendem Landen wirken extreme Kräfte auf das Kniegelenk. Die Kniescheibensehne dehnt sich, wenn das Knie bei der Landung gebeugt wird und ist dabei einer hohen Zugbelastung ausgesetzt.

Das Patellaspitzensyndrom ist eine chronische Überlastungserkrankung. Die Betroffenen haben vor allem Schmerzen an der Spitze der Kniescheibe (Patella). Wer häufig springt, zum Beispiel weil er eine Sportart wie Basketball, Volleyball, Hochsprung oder Weitsprung macht, kann dabei die Kniescheibensehne dauerhaft überbeanspruchen. Auch wer Sportarten mit häufigem Richtungswechsel (z. B. Fußball), abruptem Halten (z. B. Tennis) und Laufen auf hartem Boden (z. B. beim Joggen) ausübt, hat ein erhöhtes Risiko, am Patellaspitzensyndrom zu erkranken. Im Hochleistungssport sind rund 45 Prozent der Volleyballer und 32 Prozent der Basketballspieler betroffen.

Jedoch erkranken mitunter auch Menschen, die andere Sportarten oder gar keinen Sport ausüben. Zum Beispiel, wenn ihre Knie ungewohnten Belastungen ausgesetzt sind.

Tritt das Patellaspitzensyndrom aufgrund von Wachstumsstörungen bereits bei Kindern im Alter von etwa 10 bis 11 Jahren auf, spricht man von der Sinding-Larsen-Krankheit, bei Kindern im Alter bis zu 14 Jahren von Morbus Osgood-Schlatter.

Patellaspitzensyndrom: Ursachen

Das Patellaspitzensyndrom betrifft vor allem Personen, die älter als 15 Jahre sind und Sportarten ausüben, bei denen viele Sprünge und Richtungswechsel stattfinden. Auch der Bodenbelag beim Sport spielt eine Rolle. Das größte Risiko besteht bei nicht federnden Böden, zum Beispiel aus Beton.

Neben diesen äußerlichen Faktoren gibt es bestimmte körperliche Voraussetzungen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, am Patellaspitzensyndrom zu erkranken.

Diese sind:

  • Kniefehlstellungen (z.B. X-Beine)
  • Fußfehlstellungen wie z.B. Plattfüße, da diese sich auf die Stellung des Knies auswirken können
  • Kniescheibenhochstand (Patella alta)
  • Wachstumsstörungen (Morbus Sinding Larsen oder Morbus Osgood-Schlatter)
  • eine verkürzte, verhärtete Oberschenkelmuskulatur, da sie den Zug auf die Kniescheibensehne erhöht
  • eine angeborene Bänderschwäche

Was die genaue Ursache für die Erkrankung ist, ist noch nicht bekannt. Vermutlich entstehen durch die hohe Beanspruchung, etwa beim Springen und Landen, Reizungen und feine Risse in der Kniescheibensehne. Dadurch kann es zum Verschleiß und einer Entzündung am Übergang von der Sehne zur Kniescheibe kommen. Der Körper versucht, den entstandenen Schaden zu reparieren. Das Narbengewebe ist jedoch noch unelastischer und damit noch anfälliger für weitere Verletzungen und Schmerzen.

Einer jüngeren Theorie zufolge könnte die Sehne auch von der unteren Kniescheibe teilweise eingeklemmt oder gequetscht werden (Impingement-Syndrom).

Patellaspitzensyndrom: Symptome

Typisch für das Patellaspitzensyndrom ist ein Druckschmerz am Sehnenansatz über der Spitze der Kniescheibe. Das Knie kann manchmal auch anschwellen. Selten haben die Betroffenen ein Gefühl der Instabilität im Knie. Der Begriff Syndrom im Namen der Erkrankung weist darauf hin, dass eine Kombination mehrerer typischer Symptome gemeinsam auftreten. Im Fall des Patellaspitzensyndroms sind Kniescheibe, Kniescheibensehne und Knorpel betroffen.

Es gibt verschiedene Stadien der Erkrankung:

1. Zu Beginn tritt der Schmerz nach der Belastung auf, also beispielsweise nach dem Training.

2. Im nächsten Stadium beginnt der Schmerz bereits mit Einsetzen der Belastung, verschwindet nach der Aufwärmzeit zunächst und kehrt dann nach Ende der Belastung zurück.

3. Im dritten Stadium ist der Schmerz bei Belastung permanent vorhanden.

4. Im vierten und letzten Schritt kommt es auch im Alltag zu Schmerzen, etwa beim Treppensteigen oder bei langem Sitzen. Im Extremfall kann schließlich die Kniescheibensehne reißen, was sich durch einen plötzlich einschießenden Schmerz bemerkbar macht.

Patellaspitzensyndrom: Diagnose und Therapie

Der Arzt kann das Patellaspitzensyndrom bereits mit einer einfachen körperlichen Untersuchung feststellen. Bei Druck auf das Knie tritt typischerweise ein Schmerz über der unteren Kniescheibenspitze auf.

Zur sicheren Diagnose und um das Ausmaß der Erkrankung festzustellen, kann der Arzt ein Ultraschall des Knies oder eine Kernspinuntersuchung (MRT) machen. So kann er auch erkennen, ob sich bereits Veränderungen an der Patellasehne zeigen.

Die Therapie richtet sich beim Patellaspitzensyndrom nach dem Stadium der Erkrankung. Ziele der Therapie sind:

  • die Entzündungsreaktion einzudämmen
  • eventuelle Schmerzen zu lindern
  • die normale Funktion des Knies wiederherzustellen

Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Nur in seltenen Fällen muss das Knie operiert werden. Zuvor wird der Arzt versuchen, mit konservativen Methoden eine Besserung zu erzielen. In 90 Prozent der Fälle sind diese erfolgreich.

Dazu gehören:

  • das Knie ruhigstellen
  • Bewegungen vermeiden, die Schmerzen hervorrufen
  • Eis- oder Wärmeanwendungen
  • evtl. Gabe von Schmerzmitteln und / oder Entzündungshemmern
  • Physiotherapie
  • Elektrotherapie
  • Stoßwellentherapie
  • ein Tape unter dem unteren Rand der Kniescheibe oder Bandagen können die Schmerzen reduzieren
  • orthopädische Einlagen, falls eine Fußfehlstellung besteht
  • Muskelaufbautraining zur Kräftigung des Oberschenkelmuskels
  • manche Ärzte verabreichen Kortisonspritzen, deren Nutzen jedoch umstritten und nicht eindeutig belegt ist

Als erste Maßnahme sollte man das Knie ruhigstellen und kühlen. Zudem kann der Arzt ein nichtsteroidales Antirheumatikum (NSAR) als Schmerz- und Entzündungshemmer verschreiben

Mit Übungen auf einem sogenannten Schrägbrett kann der Patient lernen, seine Bewegungen besser zu koordinieren, um die Sehne weniger zu belasten. Außerdem dehnt und kräftigt er dabei die unter Umständen verkürzte Oberschenkelmuskulatur.

Erst wenn sich mit der konservativen Therapie nach sechs Monaten keine Besserung einstellt, kommt eine Operation infrage. Ist die Kniescheibensehne gerissen, ist eine Operation unumgänglich. Bei der OP kann ein kleiner Einschnitt längs der Sehne über dem unteren Rand der Kniescheibe dafür sorgen, dass der Druck auf die Sehne abnimmt. In einem anderen Verfahren entfernt der Chirurg einen Teil des Knochens am unteren Pol der Kniescheibe. Desweiteren kann in einer Arthroskopie geschädigtes Gewebe entfernt werden.

Es ist wichtig, das Patellaspitzensyndrom rechtzeitig zu behandeln. Sportlern drohen sonst lange Trainingspausen oder sogar die Aufgabe des Sports.

Patellaspitzensyndrom: Vorbeugen

Studien deuten darauf hin, dass Sportler dem Patellaspitzensyndrom vorbeugen können, indem sie die Spannung an der Kniescheibe vermindern.

Dazu sollten Sie folgendes beachten:

  • Wärmen Sie sich vor dem Training gut auf.
  • Machen Sie vor und nach dem Training Dehnübungen, um die Muskelspannung im Oberschenkel zu verringern.
  • Steigen Sie nicht plötzlich ins Training ein, sondern steigern Sie die Trainingsintensität gemächlich.
  • Gönnen Sie sich Ruhephase zwischen den Trainings.
  • Falls Sie Fußfehlstellungen haben: Tragen Sie orthopädische Einlagen in den Schuhen.

Patellaspitzensyndrom: Übungen

Betroffene mit Patellaspitzensyndrom sollten Übungen mit dem Arzt und/oder Physiotherapeuten absprechen. Mediziner empfehlen vor allem exzentrische Übungen, bei denen man die Muskulatur während der Dehnung belastet. Dies ist etwa bei Kniebeugen und Beinpressen der Fall. Eine komplette Beugung sowie das Durchstrecken des Kniegelenks sollte man vermeiden.

Übung: Einbeinige Kniebeuge

Sie benötigen für diese Übung ein Schrägbrett. Fall Sie keins haben, können Sie auch ein Buch nehmen, auf dem Sie die Ferse des betroffenen Beins aufstellen. Machen Sie nun eine einbeinige Kniebeuge bis zu einem Winkel von 60 Grad. Verharren Sie etwa 3 Sekunden in dieser Position und drücken Sie sich mit beiden Beinen danach wieder zurück.

Empfohlen werden für den Anfang 4 bis 5 Sätze mit je 25 bis 30 Wiederholungen. Sobald die Knie eine höhere Gewichtsbelastung zulassen, kann die Anzahl der Wiederholungen reduziert werden. Die Belastung der Sehne können Sie dabei schrittweise steigern.

Das Training sollte über einen Zeitraum von mindestens 12 Wochen möglichst täglich, mindestens aber drei Mal pro Woche durchgeführt werden