Anagrelid

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 07.11.2017

Allgemeines

Anagrelid ist für Patienten geeignet, deren Körper aus unbekannten Gründen zu viele Blutplättchen bildet. Anagrelid kommt allerdings nur zum Einsatz, wenn der Blutplättchen-Überschuss das Risiko für Blutgefäßverschlüsse erhöht. Dies ist etwa der Fall, wenn der Patient über 60 Jahre alt ist oder eine weit über der Norm liegende Blutplättchenzahl hat oder bereits Gefäßverschlüsse erlitten hat.

Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?

  • Bildung von Blutplättchen unterdrücken
  • Erbgut der Riesenzellen im Knochenmark verändern, die die Blutplättchen bilden
  • Blutplättchenzahl vermindern

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Anagrelid im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Anagrelid nicht verwendet werden?

Patienten, die überempfindlich auf den Wirkstoff reagieren, dürfen Anagrelid nicht anwenden. Auch für Menschen, deren Leber oder Nieren mittelgradig bis schwer geschädigt ist, ist der Wirkstoff nicht geeignet.

Bei bestimmten Patienten muss der Arzt die Nutzen einer Anagrelid-Therapie zunächst sorgfältig gegen bestehende Risiken abwägen und die Behandlung aufmerksam kontrollieren. Dies gilt für
  • Patienten mit leicht eingeschränkter Leberfunktion
  • eingeschränkter Nierenfunktion
  • Patienten, die zu Herzrhythmusstörungen neigen, wie sie etwa beim angeborenem Long-QT-Syndrom auftreten
  • der Einnahme von Wirkstoffen, welche eine QT-Verlängerung hervorrufen können oder Kalium-Mangel im Blut, der ebenfalls die Herzrhythmusstörung begünstigt
  • bekannter oder vermuteter Herzerkrankung, weil Anagrelid den Herzschlag beschleunigt und die Pumpfunktion verstärkt
  • Herz-Lungen-Erkrankungen, weil der Lungenblutdruck steigen kann.

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Anagrelid eine Schwangerschaft sicher verhüten. Im Tierexperiment hat sich der Wirkstoff als schädlich für die Nachkommen erwiesen. Das mögliche Risiko für Menschen ist unbekannt.

Auch ist nicht bekannt, ob Anagrelid oder seine Abbauprodukte in die Muttermilch übergehen, wie es bei Tieren der Fall ist. Ein Risiko für das Neugeborene oder Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Mütter sollten daher während der Behandlung nicht stillen.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Zur Anwendung von Anagrelid bei Kindern gibt es nur sehr begrenzte Erfahrungen. Daher darf der Wirkstoff in dieser Patientengruppe vom Arzt nur mit Vorsicht angewendet werden.

Wie bei Erwachsenen wird der Arzt vor der Behandlung und in regelmäßigen Abständen währenddessen ein großes Blutbild erstellen sowie die Herz-, Leber- und Nierenfunktion überprüfen. Die Behandlung kann besonders bei Kindern auf Lange Sicht Blutkrebs verursachen. Wenn der Arzt Kinder mit Anagrelid behandelt, sollte er sie daher regelmäßig untersuchen und prüfen, ob in ihrem Blut bestimmte Krankheitsmarker vorhanden sind oder ihr Knochenmark Veränderungen aufweist, die auf die Entstehung oder das Fortschreiten der Krebserkrankung hindeuten.

Welche Nebenwirkungen kann Anagrelid haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Anagrelid. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Sehr häufige Nebenwirkungen:
Kopfschmerzen

Häufige Nebenwirkungen:
Blutarmut, Sammlung von Flüssigkeit im Körper, Schwindel, Herzrasen, Herzklopfen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, Blähungen, Ausschlag, Müdigkeit

Gelegentliche Nebenwirkungen:
Blutbildveränderungen (Mangel an allen Blutzellen, Blutplättchenmangel), Blutungen, Unterhautblutungen, Wassereinlagerung in das Gewebe (Ödeme), Gewichtsabnahme, Depression, Gedächtnisverlust, Verwirrung, Schlaflosigkeit, nervliche Missempfindungen, nervliche Unempfindlichkeit, Nervosität, Mundtrockenheit, Herzmuskelschwäche, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Ohnmacht, Lungenhochdruck, Lungenentzündung, Brustfell-Erguss, Atembeschwerden, Nasenbluten, Magen-Darm-Blutungen, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Essensverweigerung, Verdauungstörung, Verstopfung, Magen-Darm-Störungen, erhöhte Leberwerte, Haarausfall, Juckreiz, Hautverfärbungen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Rückenschmerzen, Impotenz, Schmerzen im Brustkorb, Fieber, Schüttelfrost, Unwohlsein, Schwäche

Seltene Nebenwirkungen:
Gewichtszunahme, Migräne, Sprechstörungen, Schläfrigkeit, Störungen der Bewegungssteuerung, Doppeltsehen, veränderte Sehfähigkeit, Ohrensausen (Tinnitus), Herzinfarkt, Herzmuskelerkrankung, Herzbeutel-Erguss, Angina pectoris, Blutdruckabfall bei Körperlageveränderung, erweiterte Blutgefäße, Wassereinlagerung in der Lunge, Dickdarmentzündung, Magenschleimhautentzündung, Zahnfleischbluten, trockene Haut, Nierenversagen, nächtliches Wasserlassen, Grippe-ähnliche Erkrankung, Schmerzen, Erschöpfung, erhöhte Kreatinin-Konzentration im Blut

Nebenwirkungen unbekannter Häufigkeit:
Herzrhythmusstörungen (Torsade de pointes), Lungenerkrankung einschließlich Lungenentzündung und allergische Lungenbläschenentzündung, Leberentzündung, Nierenentzündung

Besonderheiten:
Die Therapie erfordert eine sorgfältige ärztliche Überwachung des Patienten einschließlich vollständigen Blutbildes, Tests zur Bewertung der Leber- und der Nierenfunktion sowie der Mineralien Kalium, Magnesium und Calcium im Blut

Vor Beginn der Behandlung mit Anagrelid und auch währenddessen wird der Arzt die Herzfunktion regelmäßig überprüfen.

Welche Wechselwirkungen zeigt Anagrelid?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Anagrelid wird von Enzymen abgebaut, die sich leicht durch andere Wirkstoffe beeinflussen lassen, etwa durch das AntidepressivumFluvoxamin sowie das AntibiotikumEnoxacin. Beide Wirkstoffe verstärken die Anagrelid-Wirkung. Andererseits kann das Magenmittel Omeprazol die abbauenden Enzyme aktivieren. Dadurch wird die Wirkung schwächer.

Anagrelid kann zudem die Wirkung anderer Substanzen beeinflussen. Es kann etwa das AntiasthmatikumTheophyllin in seiner Wirkung verstärken. Dieses Risiko besteht auch bei Milrinon, Enoximon, Amrinon, Olprinon, die gegen Herzmuskelschwäche eingesetzt werden sowie beim ThrombozytenaggregationshemmerCilostazol.

Acetylsalicylsäure und Anagrelid verstärken sich gegenseitig in der Wirkung, sodass es leicht zu Blutungen kommen kann.

Weil Anagrelid mitunter Nebenwirkungen im Darm hervorruft, kann der Wirkstoff die Aufnahme von Hormonen wie beispielsweise in der "Pille" stören.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Während der Behandlung wird der Arzt das Blutbild und auch die Herzfunktion laufend kontrollieren.
  • Die Behandlung mit dem Medikament sollte durch einen Arzt begonnen werden, der über Erfahrung in der Behandlung des Blutplättchenüberschusses verfügt.
  • Durch Nebenwirkungen auf den Darm kann die Wirkung der "Pille" gestört sein.
  • Patienten, bei denen während der Behandlung Schwindel auftritt, sollten nicht Auto fahren und keine Maschinen bedienen.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

Welche Medikamente beinhalten Anagrelid?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Anagrelid enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

So wirkt Anagrelid

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Anagrelid. Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe Blutverdünner (Antikoagulantien), zu welcher der Wirkstoff Anagrelid gehört.

Anwendungsgebiete des Wirkstoffs Anagrelid

Anagrelid ist für Patienten geeignet, deren Körper aus unbekannten Gründen zu viele Blutplättchen bildet. Anagrelid kommt allerdings nur zum Einsatz, wenn der Blutplättchen-Überschuss das Risiko für Blutgefäßverschlüsse erhöht. Dies ist etwa der Fall, wenn der Patient über 60 Jahre alt ist oder eine weit über der Norm liegende Blutplättchenzahl hat oder bereits Gefäßverschlüsse erlitten hat.

Der Arzt setzt den Wirkstoff immer dann ein, wenn der Patient eine andere Therapie nicht vertragen hat oder sie die erhöhte Zahl an Blutplättchen nicht ausreichend hat senken können.

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Anagrelid sind vertiefende Informationen verfügbar:

    Wirkungsweise von Anagrelid

    Anagrelid gehört zur Wirkstoffgruppe der Blutverdünner (Antikoagulantien).

    Anagrelid vermindert die Zahl der Blutplättchen. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Gerinnung: Sie lagern sich zu einem sogenannten Blutkuchen zusammen, der Wunden verschließt, aber auch Blutgefäße verstopfen kann. Das verhindert Anagrelid, indem er der Bildung von Blutplättchen entgegenwirkt. Wie genau, ist nicht bekannt.

    Man weiß jedoch, dass Blutplättchen im Knochenmark aus sogenannten Riesenzellen (Megakaryozyten) gebildet werden. Wenn sie ausgereift sind, gelangen sie in den Blutkreislauf. Studien an Zellkulturen haben ergeben, dass Anagrelid die Bildung der Riesenzellen unterdrückt. Letzendlich führt dies zu einer verminderten Bildung von Blutplättchen.

    Disclaimer:
    Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.