Notfallset für anaphylaktischen Schock
© Getty Images/Siarhei Khaletski

Anaphylaktischer Schock: Symptome, Auslöser und Vorbeugen

Von: Dr. med. univ. Lisa Raberger (Medizinautorin und Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 02.02.2024 - 15:00 Uhr

Ein anaphylaktischer Schock ist die schwerste Form der allergischen Reaktion und benötigt als Notfall eine sofortige Behandlung. Was betroffene Personen oder Angehörige im Notfall tun können und was ein Notfallset beinhaltet, erfahren Sie hier.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Die häufigsten Fragen zum anaphylaktischen Schock

Ein anaphylaktischer Schock ist eine sehr seltene, aber sehr heftige allergische Reaktion. Aufgrund eines drohenden Kreislaufversagens kann der anaphylaktische Schock tödlich sein, wenn er nicht umgehend behandelt wird.

Bei einem anaphylaktischen Schock muss schnell reagiert werden: Auslösende Substanz entfernen, Hilfe rufen (zum Beispiel 112 Euro-Notruf), Notfallset anwenden, Person richtig lagern und nicht alleine lassen. Bei fehlenden Lebenszeichen Herzdruckmassage.

Die häufigsten Auslöser für einen anaphylaktischen Schock sind Insektengifte, Nahrungsmittel oder Medikamente.

Was ist ein anaphylaktischer Schock?

Der anaphylaktische Schock ist die schwerste Form der allergischen Reaktion. Mehrere Organsysteme können zusammenbrechen und einen lebensbedrohlichen Zustand auslösen, weshalb schnell gehandelt werden muss. Es kommt zu einer starken Erweiterung der Blutgefäße, wodurch es zu einem Blutdruckabfall kommt und der Kreislauf versagt – dies wird von Fachleuten als Schock bezeichnet.

Die Anaphylaxie ist eine allergische Reaktion, die unterschiedliche Organsysteme des Körpers betreffen kann, wie die Haut, Atemwege, Magen-Darm-Trakt und das Herz-Kreislauf-System.

Symptome des anaphylaktischen Schocks

Die Symptome eines anaphylaktischen Schocks treten meist wenige Minuten nach dem Kontakt mit der allergieauslösenden Substanz auf.

Symptome einer Anaphylaxie können sein:

  • Plötzlicher Juckreiz
  • Schwellung von Augenlidern, Lippen (Angioödem), Zunge und Rachenbereich
  • Nesselausschlag/Quaddeln (Urtikaria), Rötung der Haut
  • Herzrasen
  • Übelkeit
  • Schwindel und Kreislaufprobleme
  • Bauchkrämpfe
  • Erbrechen
  • Atemnot, Husten und/oder pfeifende Atemgeräusche
  • Drohendes Kreislaufversagen/Kreislaufstillstand

Die anaphylaktische Reaktion kann in vier Schweregrade eingeteilt werden:

GradSymptome
Grad I:Haut und allgemeine Symptome: Juckreiz, Hautrötung (Flush), Schwellung von Zunge und Lippen (Angioödem)
Grad II:Haut und allgemeine Symptome: Juckreiz, Rötung der Haut (Flush), Schwellung von Zunge und Lippen (Angioödem)
Magen-Darm-System: Übelkeit (Nausea), Bauchkrämpfe, Erbrechen
Atemwege: laufende Nase (Rhinorrhö), Heiserkeit, Atemnot (Dyspnoe)
Herz-Kreislauf-System: Herzrasen (Tachykardie) und niedriger Blutdruck (Hypotonie), ungleichmäßiger Herzschlag (Arrhythmie)
Grad III:Haut und allgemeine Symptome: Juckreiz, Hautrötung (Flush), Schwellung von Zunge und Lippen (Angioödem)
Magen-Darm-System: Erbrechen, Verlust von Stuhl (Defäkation)
Atemwege: Anschwellen der Kehlkopfschleimhaut (Larynxödem), bläuliche Hautfarbe (Zyanose), verengte Atemwege (Bronchospasmus)
Herz-Kreislauf-System: Kreislaufversagen (Schock)
Grad IV:Haut und allgemeine Symptome: Juckreiz, Hautrötung (Flush), Schwellung von Zunge und Lippen (Angioödem)
Magen-Darm-System: Erbrechen
Atemwege: Atemstillstand
Herz-Kreislauf-System: Kreislauf- und Herzstillstand

Ein anaphylaktischer Schock ist ein Notfall, der sofortige Behandlung benötigt. Kontaktieren Sie daher bei den ersten Anzeichen den Notruf (112)!

Welche Auslöser und Ursachen für einen anaphylaktischen Schock gibt es?

Die Ursache für einen anaphylaktischen Schock ist eine starke Reaktion des Immunsystems auf ein Allergen. Während einer allergischen Reaktion kommt es zu einem komplexen Zusammenspiel des Immunsystems. Die Symptome werden von unterschiedlichen Botenstoffen, die an dieser Reaktion beteiligt sind, ausgelöst. Der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt, der Botenstoff Histamin soll jedoch eine wichtige Rolle spielen.

Zu den häufigsten Auslösern einer anaphylaktischen Reaktion gehören Medikamente, Insektengifte und Nahrungsmittel. Kinder sind öfter von Allergien gegen Nahrungsmittel betroffen, während Erwachsene vorrangig auf Insektenstiche und Medikamente reagieren. Am häufigsten werden anaphylaktische Reaktionen durch orale Einnahme, also über den Mund, ausgelöst. Auch die Gabe von Medikamenten über die Vene ist ein häufiger Grund. Seltener kommt es zum anaphylaktischen Schock aufgrund von Allergenen, die in der Luft herumschwirren oder durch Hautkontakt.

Häufige Auslöser einer Nahrungsmittelallergie:

  • Nüsse, vor allem Erdnüsse
  • Weizen, Puls (Getreidebrei)
  • Fisch und Meeresfrüchte
  • Eier
  • Milch
  • Sesam

Häufige Auslöser für Insektengiftallergie:

  • Bienengift
  • Wespengift

Häufige Auslöser für Medikamentenallergien:

Bestimmte Faktoren können die Wahrscheinlichkeit, eine anaphylaktische Reaktion zu erleiden, erhöhen. Beispiele dafür sind:

  • Hohes Alter
  • Schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung
  • Asthma bronchiale, vor allem wenn es schlecht eingestellt ist
  • Bestimmte Medikamente, wie Nichtsteroidale Antirheumatika (zum Beispiel Ibuprofen)
  • Mastozytose: Erkrankung, in der die sogenannten Mastzellen im Körper stark vermehrt sind. Mastzellen sind Teil des Immunsystems und schütten Histamin aus. Histamin ist ein essenzieller Botenstoff bei allergischen Reaktionen. Eine allergische Reaktion kann dadurch viel stärker ausfallen als bei Menschen ohne Mastozytose.

Diagnose des anaphylaktischen Schocks

Die Diagnose des anaphylaktischen Schocks erfolgt über die charakteristischen Symptome.

Einzelne Symptome eines anaphylaktischen Schocks können jedoch auch für andere Erkrankungen sprechen. Hier einige Beispiele:

Welche Behandlungsmöglichkeiten für einen anaphylaktischen Schock gibt es?

Die Behandlung des anaphylaktischen Schocks sollte rasch erfolgen. Studien haben gezeigt, dass ein allergischer Schock zu Beginn besser auf eine Behandlung reagiert als zu einem späteren Zeitpunkt.

Im Alltag: Was tun bei anaphylaktischem Schock?

Es kann jederzeit passieren, dass Angehörige oder andere Personen einen anaphylaktischen Schock erleiden. Folgende Handlungen helfen, Personen mit Symptomen eines anaphylaktischen Schocks im Alltag zu versorgen:

  • Die auslösende Substanz umgehend entfernen, zum Beispiel Wegkratzen eines Bienenstachels bei Bienengiftallergie
  • Notrufnummer wählen: zum Beispiel 112 Euro-Notruf
  • Anwendung eines Adrenalin-Autoinjektors und der restlichen Notfallmedikamente; Anwendungshinweise befinden auf dem Autoinjektor-Pen
  • Richtige Lagerung der betroffenen Person:
    • Person auf den Boden legen und Beine hochlagern
    • Bei Atembeschwerden sitzen und bei Bedarf vornüberbeugen lassen, um das Atmen zu erleichtern
    • Bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage
  • Bei Bewusstlosigkeit und Atemstillstand: Herzdruckmassage
  • Betroffene nicht alleine lassen

Behandlung des anaphylaktischen Schocks

Krankenhäuser und Arztpraxen in Deutschland sind mit geschultem Personal und ausreichend Ressourcen ausgestattet, um einen anaphylaktischen Schock umgehend zu behandeln.

Eine Basisuntersuchung hilft, den Schweregrad der anaphylaktischen Reaktion einzuschätzen und die Behandlung daran anzupassen. Bei einem anaphylaktischen Schock arbeitet meist ein Team zusammen, das den Kreislauf und die Atmung sichert und weitere individuelle Symptome behandelt. Es kann auch ein Aufenthalt auf einer Intensivstation notwendig sein.

Verlauf des anaphylaktischen Schocks

Der Verlauf der Anaphylaxie ist schwer vorherzusehen. Die Symptome können mild sein und von selbst wieder verschwinden oder sehr schwer sein und innerhalb von Minuten zum Kreislaufversagen und Tod führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, schnell zu handeln, um einen schweren Verlauf zu verhindern.

Anaphylaktischen Schock vorbeugen & Notfallset

Die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung eines anaphylaktischen Schocks ist die Vermeidung der allergieauslösenden Substanz.

  • Bei Nahrungsmittelallergie kann das Nahrungsmittel mit einer sogenannten therapeutischen Eliminationsdiät vermieden werden, die von Gesundheitspersonal geleitet wird.
  • Bei Insektengiftallergie gibt es die Möglichkeit zur allergenspezifischen Immuntherapie, um die allergische Reaktion zu reduzieren.
  • Bei Arzneimittelallergie sollte das Medikament gemieden werden und ein Allergiepass mitgeführt werden.

Nach der ersten anaphylaktischen Reaktion empfehlen Expert*innen, eine Allergiediagnostik durchzuführen und sich einen Allergiepass ausstellen zu lassen.

Medizinische Leitlinien empfehlen auch, sich nach erlittener Anaphylaxie ein Notfallset mit Adrenalin-Autoinjektor (Pen) aushändigen zu lassen.

Ein Notfallset enthält meist:

  • Adrenalin-Autoinjektor
  • Antihistaminika
  • Kortison
  • Bei Asthma bronchiale ein Asthma-Spray

Der Umgang mit Notfall-Medikamenten kann herausfordernd sein. Deshalb gibt es Möglichkeiten zur Anaphylaxie-Schulung, um den Umgang mit dem Notfallset zu üben. Schulungen können zum Beispiel über Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie oder über individuelle Angebote abgehalten werden.

Über den Deutschen Allergie- und Asthmabund sind weitere Hilfsmittel wie Anleitungen, Broschüren, sowie Aufkleber und Kleidung mit Warnhinweisen erhältlich.