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Schizoide Persönlichkeitsstörung: Anzeichen, Ursachen und Behandlung

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation), Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 07.09.2022

Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung wirken auf andere distanziert, kühl und gleichgültig. Oft ziehen sich Betroffene zurück, vermeiden Sozialkontakte und haben kein Gespür für gesellschaftliche Normen. Damit ecken sie bei ihren Mitmenschen häufig an. Lesen Sie, wann man von einer schizoiden Persönlichkeitsstörung spricht, ob sie behandelt werden muss und welche Therapie dafür geeignet ist.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur schizoiden Persönlichkeitsstörung

Schizoide Persönlichkeiten wirken auf andere oft unnahbar und emotionslos. Gefühle – positive wie negative – empfinden Betroffene nicht oder nur sehr selten. Entsprechend können sie sich kaum in ihre Mitmenschen hineinversetzen. Generell werden Sozialkontakte weitgehend vermieden. Die Folge: Betroffenen ist oft nicht klar, wie sie sich in Gesellschaft verhalten sollen. Das kann zu diversen Konflikten führen, etwa im Berufsleben.

Die schizoide Persönlichkeitsstörung zeichnet sich unter anderem durch einen vermeidenden Bindungsstil aus. Ist dieses Merkmal stark ausgeprägt, gehen Betroffene häufig keine engen Beziehungen ein. Sie definieren sich etwa als asexuell und empfinden auch kein (sexuelles) Interesse für andere Menschen. Bei schwach ausgeprägten schizoiden Zügen gehen Betroffene durchaus Liebesbeziehungen ein – innerhalb derer es aber immer wieder zu Schwierigkeiten kommen kann, etwa aufgrund von Distanziertheit und fehlendem Vertrauen gegenüber dem*der Partner*in.

Auch wenn beide Begriffe ähnlich klingen: Eine schizoide Persönlichkeitsstörung ist nicht dasselbe wie eine Schizophrenie. Die Schizophrenie zählt zu den Psychosen. Dabei verliert eine Person phasenweise den Bezug zur Realität – etwa, indem sie Stimmen hört oder sich verfolgt fühlt. Bei einer Persönlichkeitsstörung handelt es sich nicht um eine Psychose, sondern um dauerhafte, sehr ausgeprägte Persönlichkeitseigenschaften, die stark von der Norm abweichen.

Schizoide Persönlichkeitsstörung: Was ist das?

Die schizoide Persönlichkeitsstörung (SPS) zählt zu den spezifischen Persönlichkeitsstörungen. Von einer Persönlichkeitsstörung sprechen Fachleute, wenn bestimmte Persönlichkeitsmerkmale so stark oder schwach ausgeprägt sind, dass sie deutlich von der Norm abweichen. Die hervorstechenden Merkmale sind dabei sehr unflexibel. Das bedeutet: Die Person kann sie nur in gewissen Grenzen selbst verändern oder beeinflussen.

Charakteristisch für Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung ist ihre unnahbare, in sich gekehrte und gefühlsarme Art. Anderen gegenüber verhalten sie sich misstrauisch und verschlossen: Sie haben nur wenige soziale Kontakte und ziehen sich weitgehend zurück.

Weitere Persönlichkeitsstörungen sind etwa

Wann spricht man von einer schizoiden Persönlichkeitsstörung?

Menschen, die nur wenige soziale Kontakte haben und auf andere kühl und distanziert wirken, haben nicht automatisch eine schizoide Persönlichkeitsstörung. Denn ob temperamentvoll, introvertiert oder ordnungsliebend: Jeder Mensch ist einzigartig. Die Persönlichkeit wird von individuellen Wahrnehmungen, Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen geprägt. Die Grundzüge der Persönlichkeit entstehen bereits in der Kindheit und bleiben ab dem frühen Erwachsenenalter weitgehend konstant.

Für die Diagnose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung ist entscheidend,

  • wie ausgeprägt die schizoiden Merkmale sind,
  • wie lange sie schon bestehen und ob sie dauerhaft anhalten und
  • wie sehr die berufliche/soziale Leistungsfähigkeit der Person eingeschränkt ist bzw. wie sehr sie und/oder ihr Umfeld darunter leiden.

Ist die Symptomatik nur sehr leicht ausgeprägt, sprechen Fachleute nicht von einer Störung, sondern von einem schizoiden Persönlichkeitsstil.

Häufigkeit: Wie viele Menschen sind betroffen?

Schätzungen zufolge entwickeln etwa 0,5 bis 1 Prozent der Allgemeinbevölkerung im Laufe ihres Lebens eine schizoide Persönlichkeitsstörung. Damit kommt diese Form der Persönlichkeitsstörungen vergleichsweise selten vor. Fachleuten zufolge sind Männer häufiger betroffen als Frauen.

Schizoide Persönlichkeitsstörung: Symptome im Überblick

Anzeichen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung zeigen sich in der Regel ab dem frühen Erwachsenenalter. Bis zur Pubertät kann meist kein auffälliges Verhalten beobachtet werden. Die Symptome, die sich dann entwickeln, können unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Anhedonie und emotionale Gleichgültigkeit

Schizoide Persönlichkeiten wirken nach außen hin distanziert, kühl und gefühllos. Sie können nur schwer Freude oder andere positive Emotionen empfinden (Anhedonie). Betroffene haben typischerweise keine besonderen Leidenschaften oder Hobbys, für die sie sich begeistern könnten.

Auch für negative Emotionen wie Trauer oder Wut scheinen schizoide Persönlichkeiten kaum empfänglich zu sein. Rückmeldung anderer – sowohl in Form von Lob als auch Kritik – nehmen Betroffene vermeintlich gleichgültig hin.

Kein Gespür für gesellschaftliche Regeln

Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstörung fällt es häufig schwer, sich sozial anzupassen. So kommt es etwa zu unangemessenem Verhalten in sozialen Situationen oder gar zu einem Regelbruch. Wichtig: Dass gesellschaftliche Normen nicht beachtet werden, geschieht nicht absichtlich, wie es etwa bei der sogenannten dissozialen Persönlichkeitsstörung der Fall ist.

Entsprechend gelten Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstörung als eigenwillig oder exzentrisch und ecken leicht an. Die Unfähigkeit, sich an soziale Normen anzupassen, kann auch im Berufsleben zu Schwierigkeiten führen. Dies kann insbesondere dann problematisch sein, wenn schizoide Persönlichkeiten eng mit anderen Menschen zusammenarbeiten müssen.

Rückzug und Introversion

Schizoide Persönlichkeiten wirken auf andere stark introvertiert. Sie bevorzugen es, allein zu sein und meiden Gruppenaktivitäten. Soziale Bindungen empfinden Betroffene als unsicher, kraftraubend und nicht zuverlässig. Grundsätzlich scheinen sich Personen mit schizoider Persönlichkeitsstörung nicht sonderlich für ihre Mitmenschen zu interessieren.

Ihre Gedanken und Gefühle teilen Betroffene nicht oder nur eingeschränkt mit anderen. Ein Lächeln erwidern sie beispielsweise eher nicht. Auch ist ihre Fähigkeit, Empathie zu empfinden und sich in andere hineinzuversetzen, kaum vorhanden. Dieses kühle Verhalten kann auf das Umfeld sehr verunsichernd wirken und dazu führen, dass Mitmenschen den Kontakt in Zukunft meiden.

Viele Betroffene einer schizoiden Persönlichkeitsstörung scheinen zudem in einer Traumwelt zu leben und die Realität kaum wahrzunehmen. Sie wirken etwa abwesend und unkonzentriert, ihre Gedanken schweifen ab. 

Fehlendes Interesse an Beziehungen und Sexualität

Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstörung sind nicht in der Lage, Vertrauen zu anderen aufzubauen. Das gilt nicht nur für Freundschaften, sondern vor allem für Beziehungen. Eine Partnerschaft gehen Betroffene nur ein, wenn ihre schizoiden Persönlichkeitsmerkmale eher leicht ausgeprägt sind. Dies kann sich allerdings als schwierig erweisen, zum Beispiel, wenn der*die Partner*in unter der distanzierten Art der betroffenen Person leidet.

In stärkerer Ausprägung sind intensivere soziale Bindungen und Sexualität nicht möglich. Betroffene definieren sich dann selbst häufig als asexuell. Auch empfinden sie häufig eine Abneigung gegen

  • körperliche Berührungen,
  • Romantik
  • und sexuelle Anspielungen.

Dennoch besteht bei schizoiden Persönlichkeiten trotz ausgeprägter Kontaktstörung vermutlich meist ein unbewusstes Bedürfnis nach Nähe – welches sie jedoch nicht spüren oder zum Ausdruck bringen können.

Schizoide Persönlichkeitsstörung: Ursachen

Eine schizoide Persönlichkeitsstörung entsteht vermutlich aus einer Kombination verschiedener Ursachen. Welche Persönlichkeitsmerkmale bei einem Menschen besonders stark ausgeprägt sind – und ob sich daraus eine schizoide Persönlichkeitsstörung entwickelt –, ist von einem Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren abhängig.

  • Erblich bedingte Veranlagung: Gene bestimmen zu einem großen Teil, ob ein Mensch eher introvertiert oder kontaktfreudig, eher ängstlich oder mutig ist, usw. Familienmitglieder von schizoiden Persönlichkeiten leiden ebenfalls häufiger an psychischen Erkrankungen wie z. B. Schizophrenie.
  • Neurologische Faktoren: Bei Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstörung sind bestimmte Neurotransmitter (Botenstoffe) aus dem Gleichgewicht geraten. Dazu zählen etwa die Hormone Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, die unter anderem die Frustrationstoleranz beeinflussen.
  • Äußere Einflüsse: Das soziale Umfeld, die Erziehung und traumatische Erlebnisse wirken sich auf die Persönlichkeitsentwicklung in der Kindheit und Jugend aus. Viele Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung sind in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, etwa mit wenig emotionaler Wärme und negativen Beziehungserfahrungen. Kommt es zu Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung, erhöht sich das Risiko des Kindes, eine schizoide Persönlichkeit zu entwickeln. Auch Suchterkrankungen der Eltern steigern das Erkrankungsrisiko.
  • Entwicklungsstörungen: Kinder, die etwa das Asperger-Syndrom haben, neigen eher dazu, im jungen Erwachsenenalter eine schizoide Persönlichkeitsstörung zu entwickeln.

Je nach Sichtweise setzen Fachleute unterschiedliche Schwerpunkte, um die Entstehung einer schizoiden Persönlichkeitsstörung zu erklären.

Aus verhaltenstherapeutischer Sicht haben schizoide Persönlichkeiten möglicherweise Probleme, Gefühlsausdrücke anderer Menschen richtig zu deuten und darauf zu reagieren. Ihre mangelnde Fähigkeit, mit ihren Mitmenschen in Kontakt zu treten, wird durch ihr Rückzugsverhalten weiter verstärkt.

Psychoanalytiker*innen berücksichtigen eher die Beziehung zu den Eltern oder traumatische Erlebnisse. Demnach könnte zum Beispiel eine ablehnende und wenig gefühlvolle Atmosphäre im Elternhaus dazu beitragen, dass eine Person Beziehungen als nicht verlässlich ansieht – und Gefühle zunehmend abwehrt. Vermeidung und Distanzierung dienen demnach als Bewältigungsstrategien bzw. als Schutzmechanismus. Diese Abwehrform nennen Fachleute auch „projektive Identifizierung“.

Wie wird eine schizoide Persönlichkeitsstörung diagnostiziert?

Eine schizoide Persönlichkeitsstörung muss nicht zwangsläufig behandelt werden. Insbesondere, wenn die Störung sehr ausgeprägt ist, sehen die Betroffenen selbst keinen Grund, professionelle Hilfe aufzusuchen. Daher kommt es in vielen Fällen gar nicht erst zur Diagnose.

Dennoch nehmen einige schizoide Persönlichkeiten psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, zunächst, ohne von ihrer Erkrankung zu wissen – zum Beispiel aufgrund von Beziehungsproblemen. Auch Schwierigkeiten im Beruf können ein Anlass für eine Psychotherapie sein, denn schizoide Persönlichkeiten haben häufig Probleme damit, sich in ein Team zu integrieren. Darüber hinaus haben einige Betroffene mit Depressionen oder sozialen Ängsten zu kämpfen.

Erfahrenen Psychotherapeut*innen gelingt es in der Regel, eine schizoide Persönlichkeitsstörung im Laufe der therapeutischen Sitzungen zu erkennen. Nicht nur die Schilderungen und Verhaltensweisen der Betroffenen geben ihnen wichtige Informationen – auch die Angaben nahestehender Personen, können hilfreich sein.

Schizoide Persönlichkeitsstörung: Test zur Diagnosestellung

Darüber hinaus können verschiedene psychologische Tests eingesetzt werden, um eine schizoide Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren. Eine Möglichkeit ist etwa ein standardisiertes strukturiertes Interview (SKID): Dabei werden Fragen zu verschiedenen Themenfeldern gestellt. Die Antworten der Patient*innen geben Hinweise darauf, welche Persönlichkeitsmerkmale besonders ausgeprägt sind und ob es sich um eine Störung handeln könnte. Für eine genauere Analyse werden anschließend vertiefende Fragen zu bestimmten Themenbereichen gestellt.

Differentialdiagnosen und Komorbiditäten

Es gibt zahlreiche psychische Erkrankungen, die mit ähnlichen Merkmalen einhergehen wie die schizoide Persönlichkeitsstörung. Diese müssen im Rahmen der Diagnosestellung berücksichtigt werden.

  • Asperger-Syndrom: Eine gefühlsarme, distanzierte Art und sozialer Rückzug können beispielsweise auch Anzeichen eines Asperger-Syndroms sein, welches zu den Autismus-Spektrum-Störungen zählt. Eine Abgrenzung ist oft schwierig. Ein maßgeblicher Unterschied: Symptome des Asperger-Syndroms zeigen sich meist bereits in der frühen Kindheit. Liegt ein Asperger-Syndrom vor, kann das die Entstehung einer schizoiden Persönlichkeitsstörung jedoch zusätzlich begünstigen.
  • Schizophrenie simplex: Bei dieser milden Form der Schizophrenie wirken Betroffene auf Außenstehende merkwürdig oder "verschroben", was bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung ebenfalls vorkommen kann.
  • Depression: Aktuellen Untersuchungen zufolge leiden rund 50 Prozent der schizoiden Persönlichkeiten an depressiven Episoden.

Auch muss ausgeschlossen werden, dass die Beschwerden und Auffälligkeiten eine körperliche Ursache haben – zum Beispiel eine Hirnschädigung. Daher ist gegebenenfalls eine ärztliche Untersuchung notwendig.

Nicht zuletzt können Personen mit schizoider Persönlichkeitsstörung zugleich Merkmale einer anderen Persönlichkeitsstörung aufweisen. Zum Beispiel kommen häufiger Überschneidungen mit der paranoiden Persönlichkeitsstörung vor. Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung sind anderen gegenüber übertrieben misstrauisch und rechnen ständig damit, angefeindet oder bedroht zu werden.

Wie wird eine schizoide Persönlichkeitsstörung behandelt?

Die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen sind relativ stabil und daher nur in gewissen Grenzen veränderbar. In der Therapie geht es deshalb nicht darum, eine schizoide Persönlichkeitsstörung zu "heilen". Vielmehr sollen Betroffene lernen, besser mit anderen Menschen zu interagieren und soziale Kontakte zu knüpfen. Wichtig für diese Fähigkeiten ist, die eigenen Gefühle besser verstehen, wahrnehmen und ausdrücken zu können.

Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstörung haben Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen und sich ihnen zu öffnen. Der Hang zur Kontaktvermeidung kann eine psychotherapeutische Behandlung ungemein erschweren. Für den Erfolg der Therapie ist daher von zentraler Bedeutung, ob es dem*der Therapeut*in gelingt, Stück für Stück ein Vertrauensverhältnis zu der betroffenen Person aufzubauen.

Da schizoide Persönlichkeiten nur wenige soziale Kontakte haben, haben sie kaum Übung im Umgang mit anderen Menschen. Zur Therapie gehört daher auch, soziale Kompetenzen zu erwerben.

Medikamentöse Behandlung

Kommt es im Rahmen der schizoiden Persönlichkeitsstörung zusätzlich zu Symptomen wie

kann die Psychotherapie um eine medikamentöse Behandlung ergänzt werden, etwa durch Neuroleptika.

Schizoide Persönlichkeitsstörung: Verlauf und Prognose

Die stark ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmale können sich im Laufe des Lebens weiter verfestigen. Die betroffenen Personen kapseln sich dann immer mehr von ihrem sozialen Umfeld ab. Sie entwickeln bisweilen verschrobene oder bizarr wirkende Gewohnheiten und gelten als Sonderlinge. Manche Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstörung entwickeln Depressionen oder Ängste, zum Beispiel, wenn sie in ihrem Beruf mit anderen eng zusammenarbeiten müssen. Das kann im Alltag sehr belastend sein – sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihr Umfeld.

Wird die schizoide Persönlichkeitsstörung erkannt und therapiert, können Betroffene ihren Alltag in der Regel besser bewältigen. Dennoch gilt die Prognose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung als eher ungünstig, da die Erkrankung mit großen psychosozialen Defiziten einhergeht, die sich oft nur schwer ändern lassen. Bestehen komorbide Erkrankungen, etwa ein Asperger-Syndrom, verschlechtert sich die Prognose zusätzlich.

Schizoide Persönlichkeitsstörung: Fallbeispiel

Ein anonymisiertes Fallbeispiel aus der Praxis, zur Verfügung gestellt von unserem Experten Dr. Bernhard Riecke:

Ein Hochschullehrer wird mit dem Verdacht auf geplanten Suizidversuch eingewiesen. Er stand an einer hohen Brücke und ließ sich ohne Probleme vom Rettungsdienst in die Klinik bringen.

Beim Erstgespräch wirkt er etwas ratlos, aber nicht suizidal. Er erklärt sein längeres Verharren an der Brücke mit der Tatsache, dass er in seinem Leben das geschafft habe, was von ihm erwartet wurde und er nun Platz machen wolle für einen geeigneteren Partner für seine lebensfrohe Frau.

Seine Frau, eine fröhliche Natur, die ihren Mann seit der "Sandkastenzeit“ kennt, ist bestürzt und betont, keinerlei Veränderungen an ihm bemerkt zu haben. Er hätte wie immer seine Vorlesungen akribisch vorbereitet und diese mit sehr positivem Echo gehalten (was er leugnete). Im Nachhinein könne sie höchstens feststellen, dass er sich in letzter Zeit etwas mehr zurückgezogen habe, um allein in Ruhe zu lesen.

Nach vierjährigem aktivem Kinderwunsch sei sie nun endlich schwanger, warte aber auf einen geeigneten Moment, um ihm die frohe Botschaft mitzuteilen. Aber eigentlich käme ein besonderer Moment bei ihm nicht. Sie wisse nie, ob er sich freue. In den vielen gemeinsamen Jahren hätte er durch seine Handlungen immer bewiesen, dass er ihr sehr zugetan wäre und alles für sie tun würde, aber gesagt hätte er es nie. Sie wisse, dass er tiefe Gefühle hätte, aber eben "tief im Inneren" und für andere nicht erkennbar.