Mann mit starken Bauschschmerzen
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Morbus Whipple – eine seltene Infektionskrankheit

Von: Dr. rer. nat. Brit Neuhaus (Medizinautorin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 17.03.2023

Morbus Whipple ist eine seltene, chronisch verlaufende Infektionskrankheit. Auslöser ist das Bakterium Tropheryma whipplei. Die Erkrankung betrifft vor allem den Dünndarm, befällt aber auch zahlreiche andere Organe und kann unbehandelt tödlich enden.

Zusammenfassung

  • Definition: Morbus Whipple ist eine seltene, chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die vor allem den Dünndarm betrifft.
  • Symptome: Die Beschwerden bei Morbus Whipple sind vielfältig. Zu den häufigsten Symptomen zählen Durchfälle mit Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen sowie Gelenkbeschwerden.
  • Ursachen: Ursache für Morbus Whipple ist eine Infektion mit dem Bakterium Trophyeryma whipplei.
  • Diagnose: Die Diagnose erfolgt bei Verdacht auf Morbus Whipple durch eine Darmspiegelung mit Entnahme einer Gewebeprobe und anschließendem Erregernachweis.
  • Behandlung: Betroffene müssen langfristig Antibiotika einnehmen, meist für zwölf Monate.
  • Verlauf: Ohne Behandlung verläuft Morbus Whipple in der Regel tödlich. Mit Therapie ist die Prognose gut, allerdings sind Rückfälle möglich.

Was ist Morbus Whipple?

Morbus Whipple ist eine sehr seltene, chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Tropheryma whipplei ausgelöst wird. Es befällt in erster Linie den Darm und führt neben chronischen Durchfällen zu einer beeinträchtigten Nährstoffaufnahme. Diese geht bei vielen Betroffenen mit einem starken Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen einher. Oft zieht die Infektion aber auch andere Organe und Gewebe in Mitleidenschaft, insbesondere die Gelenke, das Herz und das Nervensystem.

Theoretisch kann jeder Mensch an Morbus Whipple erkranken, allerdings sind Männer etwa dreimal so oft betroffen wie Frauen. Am häufigsten tritt die Infektion bei Männern im Alter von 30 bis 60 Jahren auf. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 55 Jahren. Insgesamt ist die Erkrankung sehr selten, Fachleute schätzen, dass in Mitteleuropa jährlich nur einer von 1.000.000 Menschen erkrankt.

Welche Symptome treten bei Morbus Whipple auf?

Die Symptome von Morbus Whipple entwickeln sich in der Regel schleichend. Bei den meisten Betroffenen gehen die typischen Gelenkbeschwerden den Magen-Darm-Beschwerden um Monate oder Jahre voraus.

Magen-Darm-Symptome

Andere Organsysteme und allgemeine Krankheitssymptome

  • Entzündung der Gelenke (Arthritis) mit Gelenkschmerzen
  • Fieber
  • Geschwollene Lymphknoten
  • Blutarmut (Eisenmangelanämie)
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit
  • Wassereinlagerungen in Beinen und Armen (periphere Ödeme)
  • Mangelerscheinungen, zum Beispiel durch Vitaminmangel und Eiweißmangel
  • Entzündungen im Bereich des Herzens, zum Beispiel Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut) oder Perikarditis (Entzündung des Herzbeutels)
  • Entzündungen der Augen
  • Chronischer Husten und Atemnot
  • Muskelschmerzen
  • Verstärkte Pigmentierung der Haut (Braunfärbung)

Neurologische und psychiatrische Symptome

  • Blicklähmung (es ist keine gemeinsame, zielgerichtete Bewegung der Augen möglich)
  • Kopfschmerzen
  • Teilnahmslosigkeit
  • Unwillkürliche Muskelzuckungen
  • Unkontrollierte und überschießende Bewegungen (Ataxie)
  • Gedächtnisstörungen, Demenz
  • Schlafstörungen

Da nicht alle möglichen Symptome bei allen Patienten und Patientinnen auftreten, äußert sich die Erkrankung individuell auf unterschiedliche Weise.

Was verursacht Morbus Whipple?

Ursache von Morbus Whipple ist eine Infektion mit dem Erreger Tropheryma whipplei. Das Bakterium ist weit verbreitet und kommt unter anderem in Abwässern vor. Wie der Erreger auf den Menschen übertragen wird oder ob eine Übertragung von Mensch zu Mensch möglich ist, ist noch nicht vollständig geklärt.

Ebenfalls ist nicht bekannt, warum nur so wenige Menschen an Morbus Whipple erkranken, denn der Erreger lässt sich bei bis zu vier Prozent der Bevölkerung nachweisen. Er verursacht jedoch mehrheitlich keine Beschwerden oder nur eine kurzfristige Infektion, die von allein ausheilt. Nur in sehr seltenen Fällen kommt es zu dem für Morbus Whipple typischen chronischen Verlauf. Fachleute vermuten, dass erbliche Faktoren und eine geschwächte Immunabwehr dafür verantwortlich sind.

Wie erfolgt bei Morbus Whipple die Diagnose?

Erste Hinweise auf Morbus Whipple liefern bereits die typischen Symptome, insbesondere die Kombination aus Gelenkbeschwerden, Durchfall und anderen Darmbeschwerden.

Bei der körperlichen Untersuchung stellt die*der Ärztin*Arzt neben geschwollenen Lymphknoten und Wassereinlagerungen häufig eine vergrößerte Leber und Milz fest. Ist das Herz in Mitleidenschaft gezogen, sind beim Abhorchen unter Umständen Herzgeräusche zu hören.

Auch eine Blutuntersuchung liefert bei Morbus Whipple wichtige Hinweise. So sind bei den Betroffenen zwei wichtige Entzündungswerte erhöht, nämlich das C-reaktives Protein (CRP) und die Blutsenkungsgeschwindigkeit. Aufgrund der gestörten Nährstoffaufnahme entwickeln viele Patienten und Patientinnen eine Blutarmut, die sich ebenfalls durch eine Blutabnahme feststellen lässt.

Die endgültige Diagnose erfolgt meist nach einer Darmspiegelung, bei der eine kleine Gewebeprobe (Biopsie) aus der Darmschleimhaut entnommen wird. Darin lassen sich bei Morbus Whipple mithilfe einer speziellen Färbung (PAS-Färbung) große Mengen an Makrophagen nachweisen. Das sind Fresszellen des Immunsystems, die den Erreger im Rahmen der Immunabwehr aufnehmen und dadurch unschädlich machen.

Zusätzlich lässt sich mithilfe der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR) die Erbsubstanz des Erregers nachweisen. Auch die vom Immunsystem gegen den Erreger gebildeten Antikörper lassen sich in der Gewebeprobe finden.

Wie sieht die Behandlung bei Morbus Whipple aus?

Zur Behandlung von Morbus Whipple kommen Antibiotika zum Einsatz. Da der Erreger in das zentrale Nervensystem vordringen kann, erhalten Betroffene in der Regel Wirkstoffe, die in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.

Obwohl die Antibiotika in der Regel rasch anschlagen und schnell zu einer Linderung der Beschwerden führen, ist die Therapie zeitaufwendig, Betroffene müssen die verordneten Medikamente in der Regel für ein Jahr konsequent einnehmen, um Rückfälle zu verhindern. Manchmal ist es notwendig, die Behandlung darüber hinaus zu verlängern.

Wie verläuft Morbus Whipple?

Bei den meisten Menschen verursacht Tropheryma whipplei keine Beschwerden, da das Immunsystem das Bakterium erfolgreich bekämpft. Nur sehr selten gelingt es der Immunabwehr nicht, die Infektion unter Kontrolle zu bringen. Dann breitet sich der Erreger im Organismus aus und es kommt es zu einem chronischen Krankheitsverlauf, bei dem zahlreiche Organe in Mitleidenschaft geraten können.

Unbehandelt verläuft Morbus Whipple oft tödlich. Nach einer Antibiotika-Behandlung ist die Prognose hingegen relativ gut, die meisten Menschen erholen sich vollständig von der Infektion. Bei einigen Betroffenen kommt es allerdings zu Rückfällen, oft mit Befall des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark). Außerdem bleibt nach einer überstandenen Infektion manchmal eine Herzschwäche zurück.

Auch neurologische Manifestationen entwickeln sich unter Umständen nicht vollständig zurück. Insgesamt ist die Prognose bei Menschen mit neurologischen Symptomen schlechter als bei Personen, bei denen das zentrale Nervensystem nicht beteiligt ist.

Eine mögliche Komplikation des Morbus Whipple ist das sogenannte inflammatorische Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS). Dabei treten während oder nach der Therapie mit Antibiotika erneut Entzündungszeichen auf. IRIS kann sehr mild, in manchen Fällen aber auch lebensbedrohlich verlaufen.

Lässt sich Morbus Whipple vorbeugen?

Da der Übertragungsweg des Bakteriums Tropheryma whipplei nicht im Detail bekannt ist, lässt sich einer Infektion mit dem Erreger nicht gezielt vorbeugen.