Blutbildende Mittel

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 09.03.2012

auch bezeichnet als:
Antianämika; Mittel gegen Anämie; Mittel gegen Blutarmut

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "blutbildende Mittel" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Blutbildende Mittel werden bei Blutarmut (Anämie) eingesetzt. Kennzeichnend für die Blutarmut ist ein Mangel an roten Blutkörperchen. Die roten Blutkörperchen und das darin befindliche Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) sind für den Sauerstofftransport im Blut unentbehrlich. Da alle Körperzellen für eine einwandfreie Funktion Sauerstoff benötigen, versucht man, den Mangel an roten Blutkörperchen medikamentös zu beheben. Eine Blutarmut ist durch Blässe, Leistungsabfall, Schwäche, Herzrasen, Kurzatmigkeit und Schwindel gekennzeichnet.

Blutarmut kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. So werden die blutbildenden Mittel entsprechend den Ursachen des Blutkörperchenmangels gezielt eingesetzt:
  • Bei Eisenmangel-Anämie, der durch Mangel an dem Spurenelement Eisen bedingten Blutarmut, werden Eisenpräparate zum Ersatz gegeben. Eisenpräparate werden oft auch kombiniert mit Folsäure und ihren Abkömmlingen sowie mit Vitamin B12) zur Vorbeugung einer Blutarmut in der Schwangerschaft eingesetzt.
  • Die so genannte megaloblastäre Anämie (durch Folsäuremangel verursachte Blutarmut) versucht man mit Folsäure und Calciumfolinat (Folinsäure) zu beheben. Diese Form der Blutarmut wird beispielsweise bei folsäurearmer Mangelernährung beobachtet (zum Beispiel bei Alkoholsucht, aber auch bei alten Menschen, die sich nur noch einseitig ernähren). Auch in Situationen mit einem erhöhten Folsäurebedarf wie einer Schwangerschaft oder bei Zerfall der roten Blutkörperchen (Hämolyse) kann ein Folsäuremangel entstehen. Weiterhin kann die Aufnahme von Folsäure aus dem Darm gestört sein oder es werden Wirkstoffe eingenommen, die die Wirkung der Folsäure beeinträchtigen. Zu diesen Wirkstoffen gehören zum Beispiel das Entwässerungsmittel Triamteren oder Folsäureantagonisten wie Methotrexat (gegen Krebs), Pyrimethamin (Malariamittel) und Trimethoprim (Antibiotikum).
  • Die perniziöse Anämie ist eine Sonderform der megaloblastären Anämie, die durch einen Mangel an Vitamin B12 (Cyanocobalamin) verursacht wird. Da Vitamin B12 nur in Gegenwart von Folsäure in den Körper aufgenommen werden kann, muss mit einer Kombination aus Folsäure und Vitamin B12 behandelt werden. Ein positiver Nebeneffekt dieser kombinierten Behandlung: So wird nicht nur die Blutarmut, sondern auch eine spezielle Form der Nervenstörung (funikuläre Spinalerkrankung) gebessert, die von der perniziösen Anämie ausgelöst wird.
  • Eine Blutarmut entsteht oft auch durch schwere Nierenschäden. Kranke Nieren können nämlich nicht mehr genügend Erythropoietin herstellen. Erythropoietin (auch Epoetin oder EPO genannt) ist ein Hormon, das die Bildung der roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt. Dieses körpereigene Hormon wird heute gentechnisch aus Bakterien hergestellt: Entsprechende Wirkstoffe für die Behendlung dieser Form der Blutarmut sind Epoetin alfa, Epoetin beta oder Darbepoetin alfa. Sie werden auch als EPO-Abkömmlinge bezeichnet.
  • Schließlich können auch Krebserkrankungen eine Blutarmut (Tumoranämie) hervorrufen. Sie entsteht entweder durch die Wucherung direkt oder als Nebenwirkung der Krebstherapie. Auch hier können EPO-Abkömmlinge eingesetzt werden.

Wirkung

Blutbildende Mittel greifen an unterschiedlichen Stellen im Körper ein:

  • Eisenpräparate:
    Das Spurenelement Eisen spielt im Körper bei der Bindung und Verteilung von Sauerstoff aus der Atmung eine zentrale Rolle. Als Bestandteil des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin bindet es den Sauerstoff, sodass er mit dem Blut in alle Körperzellen gelangen kann. Ohne Eisen kann kein Hämoglobin produziert werden, ohne Hämoglobin bildet das Knochenmark keine roten Blutkörperchen und eine Eisenmangel-Blutarmut entsteht.
  • Folsäure:
    Im Körper wird Folsäure in die aktiven Formen der Tetrahydrofolsäure (THF) und ihre Abkömmlinge umgewandelt. Diese aktiven Formen der Folsäure sind von zentraler Bedeutung im gesamten Stoffwechsel. Wichtig zu wissen, ist Folgendes: Die Aktivierung von Folsäure vollzieht sich nur mit Hilfe von Vitamin C (Ascorbinsäure). Ein Vitamin C-Mangel kann also einen indirekten Folsäuremangel zur Folge haben. Bei einer megaloblastischen (also durch Folsäuremangel verursachten) Anämie sind die Folsäurewerte im Blut um mehr als die Hälfte erniedrigt. Dies führt zu einer Störung der Blutkörperchenproduktion im Knochenmark und so zur Blutarmut. Die Wirkung von Folsäurespritzen setzt bereits nach 24 Stunden mit einem allgemein verbesserten Wohlbefinden ein. Bereits nach 48 Stunden zeigt das Knochenmark wieder eine normale Aktivität bei der Blutkörperchenproduktion.
  • Cyanocobalamin (Vitamin B12):
    Zu ersten Mangelerscheinungen an Vitamin B12 kommt es, wenn das Vitamin über einen langen Zeitraum (Monate und Jahre) fehlt und seine Konzentration im Blut unter 200 Pikogramm pro Milliliter fällt. Werte unter 100 Pikogramm pro Milliliter führen dann zur perniziösen Form der megaloblastischen Anämie mit Nervenschäden.
    Das Vitamin B12 wird im Körper in zwei aktive Formen umgewandelt. Diese aktiven Formen sind an zahlreichen Stoffwechselreaktionen des normalen Wachstums beteiligt. Sie werden praktisch bei jeder Zellteilung und bei jedem Zusammenbau von Erbsubstanz (Nukleinsäuren) in den Körperzellen benötigt. Die aktiven Wirkformen greifen damit auch in den Aufbau von Blut-, Nerven-, Haut- und Schleimhautzellen ein. Steht durch die Einnahme dem Körper wieder genügend Vitamin B12 zu Verfügung, können die Aufbauprozesse auch der roten Blutkörperchen störungsfrei verlaufen.
  • Erythropoietin (Epoetin, EPO):
    Erythropoietin ist ein natürliches, größtenteils in der Niere gebildetes Hormon, das die roten Blutkörperchen aus so genannten Vorläuferzellen im Knochenmark in etwa vier bis sechs Tagen heranreifen lässt. Alle künstlichen Erythropoietine ahmen den Wirkmechanismus des natürlichen nach. Damit der Körper auf die Erythropoietine ausreichend reagieren kann, braucht er vor allem genügend Eisen, aber auch Folsäure und Vitamin B12. Es empfiehlt sich, bereits einige Wochen vor Gabe von Erythropoietinen mit dem Einnehmen von Eisenpräparaten zu beginnen. Eingesetzte Erythropoietine sind beispielsweise Epoetin alfa, Epoetin beta und Darbepoetin alfa. Darbepoetin alfa hat einen Vorteil: Es muss weniger häufig verabreicht werden als Epoetin beta und alfa, um eine vergleichbare Wirkung zu erzielen.