Kritik an Liebscher und Bracht
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Liebscher und Bracht: Kritik am Konzept berechtigt?

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 14.03.2023

Liebscher und Bracht stehen in der Kritik: Die selbsternannten "Schmerzspezialisten" versprechen mit ihren YouTube-Übungen schnelle Hilfe bei Schmerzen. Wissenschaftlich anerkannt ist die Therapie jedoch nicht. Was ist dran an der Liebscher und Bracht-Methode?

Wer sind Liebscher und Bracht?

Schmerzen möglichst schnell ohne Operation und Arztbesuch loswerden – mit dieser Hoffnung wenden sich viele Menschen ans Internet und werden fündig: bei den selbsternannten "Schmerzspezialisten" Liebscher & Bracht. In YouTube-Videos zeigt Roland Liebscher-Bracht Übungen, mit deren Hilfe zum Beispiel von Arthrose betroffene Menschen schnell schmerzfrei werden sollen. Im Liebscher und Bracht Onlineshop gibt es Faszienrollen und andere Hilfsmittel zu kaufen, außerdem Nahrungsergänzungsmittel und Bücher wie "Die Arthroselüge". 

Roland Liebscher-Bracht ist athletisch. In den Videos trägt er stets eine weiße Hose und ein weißes Poloshirt und geht zumindest optisch als Orthopäde oder Physiotherapeut durch. Wird er doch auch sein, wenn er Übungen gegen verschiedene orthopädische Schmerzen zeigt? Nein, ist er nicht. Roland Liebscher-Bracht ist Maschinenbauer ohne medizinische oder therapeutische Ausbildung. Das gibt er auch frei zu und erklärt auf der Homepage von Liebscher und Bracht, das erlaube ihm einen unbefangenen Blick auf die Schmerztherapie und eine erfrischende Herangehensweise. 

Seine Frau Dr. med. Petra Bracht dagegen ist studierte Ärztin, die sich in Ernährungsmedizin und Naturheilverfahren weitergebildet hat. Während sich Roland Liebscher-Bracht auf Schmerztherapie spezialisiert hat, sind Ernährungsthemen das Spezialgebiet seiner Frau. Tatsächlich stecken hinter Liebscher und Bracht jedoch noch viele weitere Menschen: "Liebscher und Bracht Schmerzfrei GmbH" ist ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben rund 150 Mitarbeiter beschäftigt. Sohn Raoul Bracht ist Geschäftsführer. 

Wie funktioniert Liebscher und Bracht? 

Die von Liebscher und Bracht entwickelte Methode zur Schmerztherapie basiert auf der Annahme, dass Schmerzen ihre Ursache in überspannten Muskeln und verfilzten Faszien haben. Faszien sind zähe Häute aus Bindegewebe, die Knochen, Muskeln und Organe umhüllen.  Auch bei Arthrose sind nach Liebscher und Bracht nicht die Gelenke, sondern das Bindegewebe und die Muskeln die Ursache für die Schmerzen. Beheben lassen sich die Schmerzen nach Aussage von Liebscher und Bracht durch drei Maßnahmen: Drücken, Dehnen und Rollen. 


Dehnen soll

  • Engpässe in Muskeln und Faszien lösen,
  • Spannungen lösen sowie
  • Muskeln und Faszien kräftigen.

Eine Faszien-Rollmassage soll 

  • Muskeln und Faszien ausrollen, 
  • die Zwischenzellflüssigkeit zum Strömen bringen und 
  • somit bewirken, dass Abfallstoffe abgetragen und Nährstoffe nachgezogen werden können. 

Drücken soll

  • Druck auf fest definierte Knochenpunkte ausüben und so
  • Gespeicherte Hirnprogramme zurücksetzen und
  • Muskulär-fasziale Spannungen normalisieren.

Ein Geheimnis des Erfolges von Liebscher und Bracht ist vermutlich, dass nicht viel nötig ist, um diese Therapieform auszuprobieren. Anhand der kostenfreien YouTube-Videos kann jeder die Übungen in nur wenigen Minuten zu Hause nachmachen. Der YouTube-Kanal hat derzeit 1,87 Millionen Abonnenten (Stand: März 2023). 

In den Videos zu sehen sind allerdings verschiedene Hilfsmittel wie Rollen, "Drücker" und "Rückenretter", die es im Shop der Firma zu kaufen gibt. Und wer solche Schmerzen hat, dass es ihr*ihm nicht möglich ist, die Übungen alleine durchzuführen, kann sich an spezialisierte Liebscher und Bracht-Therapeut*innen wenden. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Behandlung jedoch nicht.

Die entsprechende Ausbildung für die Therapeut*innen bieten Liebscher und Bracht nach einer Art Franchise-Modell selbst an. In einem sechsmonatigen Online-Kurs mit vier Praxistagen zum Ende der Ausbildung können sich Menschen aus Heilberufen gegen Bezahlung fortbilden.  Diese Zertifizierung muss nach zwei Jahren erneuert werden. Wer sich dann auch als Liebscher und Bracht-Therapeut*in bezeichnen möchte, muss eine Werbepartnerschaft eingehen, die 948 Euro pro Jahr kostet – ein lohnenswertes Geschäftsmodell für Liebscher und Bracht. Roland Liebscher-Bracht selbst darf aufgrund seiner fehlenden Ausbildung in Deutschland überhaupt nicht praktizieren.

Kritikpunkte: Was sagen Fachleute zu Liebscher und Bracht?

In der Medizin und der Wissenschaft generell basiert alles auf belegbaren Fakten und repräsentativen und unabhängigen Studien, die auch von anderen Forschenden begutachtet und bewahrheitet werden müssen. An dieser Stelle hakt es bei Liebscher und Bracht: Selbst wenn die Methode funktioniert, so ist die Wirksamkeit nicht belegt und die Methode damit aus wissenschaftlicher Sicht nicht akzeptiert. 

Auf der Homepage von Liebscher und Bracht findet sich eine Studie, die die Wirksamkeit der Methode belegen soll. Der "Salzburger Kniestudie" zufolge haben mehr als 80 Prozent der Teilnehmenden nach der Liebscher und Bracht-Therapie weniger Schmerzen. Die Studie ist jedoch nicht aussagekräftig, da sie wichtige Kriterien nicht erfüllt.

Zum Beispiel diese:

  • die Zahl der Teilnehmenden ist mit zehn Frauen und zehn Männern zu klein,
  • es gab keine Kontrollgruppe,
  • die Studie wurde nicht von anderen Forschenden begutachtet,
  • zu den Autoren zählt neben Roland Liebscher-Bracht selbst auch Dr. Egbert Ritter, der mittlerweile Premium-Partner von Liebscher und Bracht ist. Somit bestehen Interessenskonflikte. 

Übersichtsarbeit widerlegt Aussagen von Liebscher und Bracht

Umgekehrt haben sich mittlerweile Forschende mit der Liebscher und Bracht-Methode beschäftigt. Ein Team um den Orthopäden Dr. Arnold Suda etwa hat verschiedene Aussagen von Liebscher und Bracht anhand verschiedener aussagekräftiger Studien auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Die Ergebnisse sind in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst.  

Folgende Aussagen von Liebscher und Bracht sind demzufolge falsch oder zumindest nicht belegbar:

  • Arthrose verursacht keinen Schmerz und es gibt keine bewiesene genetische Komponente in ihrer Entstehung.
  • Die Ursachen für Gelenkschmerzen sind Bewegungseinschränkungen des Gelenks sowie eine erhöhte Muskel- und Faszienspannung.
  • Knorpel regeneriert sich bei Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit.
  • Bandscheiben können platzen und verursachen Schmerzen, wenn der Muskel- und Faszientonus zu hoch ist.
  • Training mit Gewichten ist für die Behandlung von Rückenschmerzen kontraproduktiv und verschlimmert diese. 

Damit sind bereits wichtige Grundannahmen widerlegt, auf denen die Therapie von Liebscher und Bracht basiert. Den Autor*innen zufolge spielen entgegen der Aussage von Liebscher und Bracht zunehmendes Alter, Gewicht und Gene sehr wohl eine Rolle bei der Entstehung von Schmerzen bei Arthrose. Richtig ist, dass das Schmerzempfinden sich individuell unterscheidet und dass einer Arthrose mehrere Faktoren zugrunde liegen, zu denen auch Muskeln und Bindegewebe gehören – jedoch nicht ausschließlich.

Mögliche positive Effekte von Liebscher und Bracht erklären sich die Wissenschaftler*innen um Suda damit, dass die selbsternannten Schmerzspezialisten es durchaus schaffen, Menschen zu motivieren, sich zu bewegen und sich besser zu ernähren. Auch Faktoren wie ein Placebo-Effekt und mögliche Parallelbehandlungen könnten eine Rolle spielen.
Kritisch sehen sie jedoch, dass Liebscher und Bracht Misstrauen in wissenschaftlich anerkannte Therapien sät, medizinische Zusammenhänge vereinfacht oder falsch darstellt und Menschen so womöglich davon abhält, sich die benötigte medizinische Hilfe zu holen.

Unterlassungserklärungen

Das Projekt Faktencheck Gesundheitswerbung der Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat verschiedene Werbeaussagen von Liebscher und Bracht angemahnt und Recht bekommen:. 

  • So darf sich Liebscher und Bracht nicht mehr "Schmerzspezialist Nr. 1" nennen. 
  • Im Online-Shop fiel den Verbraucherschützer*innen auf, dass es bei einigen Produkten ausschließlich positive Bewertungen gab. Testkäufe und Bewertungen ergaben, dass negative Bewertungen nicht veröffentlicht wurden. 
  • Unzulässige Gesundheitsversprechungen bei Nahrungsergänzungsmitteln wurden abgemahnt und dürfen nun nicht mehr propagiert werden.  

Wie reagiert Liebscher und Bracht auf Kritik?

Auf der Homepage reagiert Liebscher und Bracht nicht etwa mit Studien oder Fakten auf die Kritik. Stattdessen argumentiert das Unternehmen damit, dass die Videos kostenfrei seien und es schließlich nichts zu verlieren gäbe, wenn man sie ausprobiere. Wem das nicht helfe, der könne schließlich immer noch auf Medikamente und OP zurückgreifen. Studien seien wichtig, doch sie bräuchten viel Zeit, in der viele Menschen unnötig leiden würden.  

Kritik an Liebscher und Bracht: Fazit

Problematisch bei Liebscher und Bracht sind nicht die Videos mit den Übungen an sich. Viele der Übungen werden auch von ausgebildeten Physiotherapeut*innen angewendet, sie sind jedoch keine Erfindung von Liebscher und Bracht. Die Kritik und die Studien beziehen sich auch nicht darauf, dass die Übungen komplett nutzlos sind, auch wenn ihr alleiniger Nutzen nicht belegt ist. Problematisch ist nach Ansicht der Expert*innen vielmehr, dass Erfolgsversprechen suggeriert werden, die nicht gehalten werden können und Patient*innen womöglich benötigte ärztliche Hilfe nicht einholen. 

Wer Schmerzen hat und Hilfe bei Liebscher und Bracht sucht, sollte sich darüber bewusst sein, dass es sich bei deren Methode um keine wissenschaftlich anerkannte Methode handelt, sondern um ein ausgefeiltes Geschäftskonzept und es bei starken oder chronischen Schmerzen ratsam ist, sich ärztliche Hilfe zu suchen. 

Vorsicht geboten ist bei Aussagen wie denen über die Notwendigkeit von Operation oder den angeblichen Schaden von Krafttraining. Eine Operation sollte nicht vorschnell in Erwägung gezogen werden. Es gibt jedoch Fälle, in denen sie das letzte mögliche Mittel ist, um Lebensqualität wieder herzustellen. Auch ist wissenschaftlich belegt, dass Krafttraining sich durchaus positiv auf Schmerzen, zum Beispiel aufgrund von Arthrose, auswirken kann. Daher ist es sinnvoll, den Aussagen der*des behandelnden Ärztin*Arztes oder Physiotherapeut*in zu vertrauen und nicht aufgrund von Aussagen von Liebscher und Bracht infrage zu stellen.
Im Impressum weisen Liebscher und Bracht selbst darauf hin, dass 

  • ihr Informationsangebot einen Arztbesuch nicht ersetzt,
  • Schmerzen auf verschiedenen Ursachen beruhen, die sich nicht aus der Ferne diagnostizieren lassen und
  • keine Heilversprechen oder Erfolgszusagen gemacht werden können.