Otosklerose
Die Otosklerose ist eine fortschreitende Knochenerkrankung, die sich im Bereich des Innen- und Mittelohrs auswirkt und so nach und nach schwerhörig macht. Meistens zeigt sich die Erkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Gekennzeichnet ist die Otosklerose durch knöcherne Veränderungen am Felsenbein: Während sich das normale Knochengewebe auflöst, entsteht zu viel schwammiges Knochengewebe, das später verhärtet.
Das Felsenbein ist der Knochen, in dem sich das eigentliche Innenohr befindet. Am Innenohr selbst setzt der Steigbügel an, das letzte der insgesamt drei Gehörknöchelchen. Er ist ein kleiner, schwingender Knochen, der für die Schallweiterleitung vom Trommelfell an das Innenohr zuständig ist.
Die Veränderungen am Felsenbein können sich auf verschiedene Strukturen im Innen- und Mittelohr auswirken. Typischerweise verliert der Steigbügel durch die Otosklerose seine Beweglichkeit und versteift. Die Folge: Der Steigbügel kann vom Trommelfell kommende Schallwellen nicht mehr richtig auf das Innenohr übertragen – es entsteht eine Schwerhörigkeit. Diese betrifft meist erst ein und im weiteren Verlauf auch das andere Ohr. Eine fortschreitende Otosklerose kann so bis hin zur Taubheit führen. Eine häufige Begleiterscheinung der Otosklerose ist außerdem Tinnitus – also Ohrgeräusche wie Piepsen oder Brummen.
Die Ursachen der Otosklerose sind nicht vollständig geklärt. Vermutlich können Virusinfekte – wie Masern, Mumps oder Röteln – die Erkrankung hervorrufen. Da die Verknöcherung im Innen- und Mittelohr oft innerhalb einer Familie gehäuft auftritt, spielt wohl auch eine erbliche Veranlagung eine Rolle. Zudem kommen hormonelle Einflüsse als Auslöser infrage, denn: Frauen entwickeln insgesamt häufiger eine Otosklerose als Männer – vor allem nach einer Schwangerschaft.
Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt stellt eine Otosklerose mithilfe verschiedener Hörprüfungen fest. Diese zeigen an, ob die Schallweiterleitung vom Steigbügel zum Innenohr bereits gestört ist. Weitere mögliche Untersuchungen sind beispielsweise:
Bislang gibt es keineMedikamente, die bei einer Otosklerose helfen. Die Behandlung kann nur operativ erfolgen.
Bei der Operation setzt der Arzt eine (Teil-)Prothese für den Steigbügel ein, sodass die Gehörknöchelchen wieder freier schwingen können. Über 90 Prozent der Betroffenen können nach der Operation besser hören als vorher. In manchen Fällen macht die Otosklerose dennoch ein Hörgerät erforderlich, um das Hörvermögen zu steigern.
Definition
- Die griechische Vorsilbe Oto bedeutet Ohr und
- als Sklerose bezeichnen Mediziner allgemein eine bindegewebige Verhärtung von Organen und Geweben.
Das Trommelfell, auf das die Schallwellen treffen, trennt den äußeren Gehörgang vom Mittelohr ab. Hinter dem Trommelfell befinden sich die drei Gehörknöchelchen: Hammer, Amboss und Steigbügel. Sie leiten den Schall über das Innenohr weiter an den Hörnerv. Über den Hörnerv gelangen die Impulse zum Gehirn. Damit dies funktioniert, sind die Gehörknöchelchen beweglich miteinander verbunden.
Bei der Otosklerose kommt es zu entzündungsähnlichen Umbauprozessen an dem Knochen, der das Innenohr enthält – dem Felsenbein. An bestimmten Stellen des Felsenbeins treten diese Veränderungen besonders häufig auf: Meist beginnen sie im Bereich des sogenannten ovalen Fensters, dem Übergang vom Mittelohr zum Innenohr. Hier ist der Steigbügel (lat. stapes) beweglich befestigt. Der Steigbügel überträgt die Schallschwingungen auf die Flüssigkeit im Innenohr. Die so entstehende Bewegung der Flüssigkeit regt die dort liegenden Sinneszellen an, die den Reiz wiederum an den Hörnerv weiterleiten.
Die Otosklerose führt dazu, dass wucherndes Gewebe die Fußplatte des Steigbügels regelrecht "ummauert": Die elastische Aufhängung des Steigbügels verknöchert, sodass dieser sich nicht mehr flexibel bewegen kann (sog. Stapesankylose: Ankylose = knöcherne Versteifung eines Gelenks). Das hat zur Folge, dass der Steigbügel den Schall nicht oder nur unvollkommen weiterleiten kann. Die Betroffenen hören nach und nach immer schlechter – es entstehen fortschreitende Hörprobleme wie Schwerhörigkeit (sog. Schallleitungsschwerhörigkeit) oder auch Ohrgeräusche (Tinnitus).
In seltenen Fällen können die mit der Otosklerose verbundenen Veränderungen auch an anderen Stellen des Innenohrs vorkommen – zum Beispiel am sogenannten knöchernen Labyrinth.
Häufigkeit
Otosklerose tritt bei etwa einem Prozent der Bevölkerung auf. Frauen sind dabei häufiger vertreten als Männer. Zudem ist die Otosklerose in der weißen Bevölkerung stärker verbreitet als bei Menschen anderer Hautfarbe. Rund jeder zweite Betroffene hat mindestens ein Familienmitglied mit derselben Erkrankung.
Die Otosklerose tritt vorwiegend zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Die knöchernen Veränderungen beginnen aber schon viele Jahre, bevor sich Symptome zeigen. Meistens sind beide Ohren betroffen.
Ursachen
Worin die Otosklerose ihre Ursachen hat, ist nicht vollständig geklärt. Vermutlich können Virusinfektionen dazu führen, dass sich der Knochen um das Innenohr krankhaft verändert – beispielsweise Masern, Mumps oder Röteln. Auch sogenannte Autoimmunprozesse, bei denen der Körper fälschlicherweise eigenes Gewebe bekämpft, gelten als mögliche Ursache für die Knochenerkrankung.
Zudem entwickeln Frauen etwa doppelt so häufig eine Otosklerose wie Männer. Bei vielen betroffenen Frauen machen sich erste Symptome oder eine Verschlechterung der Beschwerden bemerkbar, während sie schwanger sind oder wenn sie bestimmte Verhütungsmittel einnehmen ("Antibabypille"). Somit können auch hormonelle Einflüsse für die Entstehung der Erkrankung (mit)verantwortlich sein.
Symptome
Die mit einer Otosklerose verbundenen Symptome treten zunächst meist auf einem Ohr auf. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sind häufig beide Ohren betroffen. Typischerweise ist das Hörvermögen nach und nach immer stärker vermindert. Die Verschlechterung kann einem Hörsturz ähneln und sich anfangs auch wieder bessern.
Die meisten Menschen, bei denen sich eine Otosklerose erstmals durch Symptome bemerkbar macht, sind 20 bis 40 Jahre alt. Bei Frauen zeigt sich die Erkrankung oft während einer Schwangerschaft.
Diagnose
Bei einer Otosklerose ist die Diagnose – besonders in den frühen Stadien – eher schwierig. Der HNO-Arzt stellt anfangs meist keine Veränderungen am Trommelfell und Mittelohr fest. In seltenen Fällen ist durch das Trommelfell ein rötlicher Bereich (sog. Schwartze-Zeichen) zu erkennen. Untersucht der Arzt jedoch mithilfe der sogenannten Tympanometrie die Eigenschaften von Trommelfell und Mittelohr, ist das Ergebnis überwiegend unauffällig.
Wenn der Arzt hingegen die Funktion des Mittelohrs mithilfe der sogenannten Stapediusreflexmessung prüft, sind bei einer Otosklerose krankhafte Veränderungen nachweisbar: Die Messung gibt Aufschluss über die Beweglichkeit des Gehörknöchelchens namens Steigbügel (lat. stapes). Eine Otosklerose führt dazu, dass der Steigbügel unbeweglich ist – dann liegt eine sogenannte Schallleitungsstörung vor.
Um zu ermitteln, wie weit der Hörverlust bereits fortgeschritten ist, kommen weitere Hörtests zum Einsatz. So ergibt beispielsweise die Stimmgabelprüfung bei einer Otosklerose meist eine Schallleitungsschwerhörigkeit – das bedeutet: Auf normalem Weg (Gehörgang-Trommelfell-Mittelohr-Innenohr) ist ein Ton schlechter zu hören, als wenn der Arzt diesen über Vibrationen der Schädelknochen (Knochenleitung) direkt auf das Innenohr überträgt. Auch eine reine Innenohrschwerhörigkeit kann bei einer Otosklerose vorkommen. Eine sogenannte Sprachaudiometrie mit verschiedenen Sprachtests zeigt, ob man gesprochene Wörter und Sätze bereits schlechter versteht als jemand mit normalem Hörvermögen.
Im Einzelfall können bei Verdacht auf eine Otosklerose weitere Untersuchungen nützlich sein:
- Röntgen der Ohrregion (Felsenbeingegend), um eventuelle Entzündungen beurteilen zu können
- Gleichgewichtsprüfung
- Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) zum Nachweis anatomischer Veränderungen und Entzündungen
- tympano-cochleäre-Szintigraphie (TCS), um mögliche aktive Entzündungsherde aufzuspüren
Therapie
Bei einer Otosklerose ist eine Therapie sinnvoll, wenn Ihr Hörvermögen so beeinträchtigt ist, dass Sie gesprochene Sprache nur noch bei einer Lautstärke von mindestens 20 bis 30 Dezibel hören können und Ihre Kommunikation dadurch stark eingeschränkt ist. Die Behandlung der Otosklerose beschränkt sich auf eine Operation am Mittel- und Innenohr. Eine erfolgversprechende nicht-operative Behandlungsmöglichkeit (z.B. Medikamente) steht bislang nicht zur Verfügung.
Wer sich nicht operieren lassen kann oder möchte, kann ein Hörgerät verordnet bekommen, um sein Hörvermögen zu verbessern.
Stapedektomie
Eine Möglichkeit, die Otosklerose zu behandeln, ist die sogenannte Stapedektomie – das heißt: Der Arzt entfernt den Steigbügel mit feinsten Instrumenten oder einem Laser. Während der Stapedektomie entnimmt der Arzt den angewachsenen Steigbügel und einen Teil seiner Fußplatte. Anschließend ersetzt er das entfernte Gehörknöchelchen durch eine Prothese (sog. Stapesplastik). Diese setzt der Arzt zwischen dem langen Schenkel des mittleren Gehörknöchelchens (Amboss) und dem Bereich ein, wo nun ein Teil der Steigbügelfußplatte fehlt. Die Prothese übernimmt damit die Aufgabe des Steigbügels: Sie überträgt die Schallschwingungen wieder ungehindert über die Gehörknöchelchen direkt auf die Innenohrflüssigkeit.
Meist findet die Otosklerose-Operation unter örtlicher Betäubung (Lokalanästhesie) statt. Dies hat den Vorteil, dass sich Hörveränderungen sofort überprüfen und gegebenenfalls korrigieren lassen. Der Arzt spritzt das Betäubungsmittel in den äußeren Gehörgang. Durch einen kleinen Schnitt erweitert er dann den Gehörgang, löst das Trommelfell in der hinteren Region ab und klappt es vor, sodass die Gehörknöchelchen Steigbügel und Amboss sichtbar sind. Nach der Stapedektomie bringt er das Trommelfell wieder an seinen ursprünglichen Platz.
Stapedotomie
Heutzutage kommt bei der Otosklerose zur Therapie jedoch überwiegend die sogenannte Stapedotomie zum Einsatz. Der Grund: Diese Operationstechnik ist – obwohl sie recht ähnlich verläuft – mit weniger Komplikationen verbunden. Bei der Stapedotomie entfernt der Arzt nur die Steigbügelschenkel – die Fußplatte bleibt bestehen. Mit einem Laserstrahl oder einer spitzen Nadel bohrt er ein kleines Loch in die Fußplatte und führt darin eine stempelförmige Platin-Teflon-Prothese ein, die am Amboss befestigt wird. Die Prothese kann Schallschwingungen wieder störungsfrei übertragen und so das Hörvermögen verbessern.
Verlauf
Die Otosklerose nimmt typischerweise einen fortschreitenden Verlauf: Die zunehmenden knöchernen Veränderungen beeinträchtigen die Schallleitung im Ohr immer mehr, sodass sich ohne Behandlung allmählich eine Schwerhörigkeit entwickelt. Im Extremfall kann die Hörstörung sogar bis zur Taubheit führen. Dabei gilt meist: Je früher die Erkrankung auftritt, desto rascher entwickelt sie sich.
Bei einer frühzeitig behandelten Otosklerose ist die Prognose aber überwiegend günstig: In über 90 Prozent der Fälle gelingt es, die Schwerhörigkeit durch eine Operation wesentlich zu bessern oder gar zu beseitigen. Wenn der Eingriff komplikationslos verläuft und die Ohrtrompete Tube oder ustachische Röhre) beider Ohren durchgängig ist (= normale Tubenfunktion), stellen anschließend auch Flugreisen kein Problem dar.
Wer sich wegen einer Otosklerose operieren lässt, ist in der Regel rund zwei bis drei Wochen nach dem Eingriff wieder arbeitsfähig. Manchmal tritt nach der Operation für einige Tage Schwindel auf. Zudem kann es passieren, dass die eingesetzte Prothese verrutscht – dann ist ein erneuter Eingriff notwendig. In Einzelfällen kann sich das Hörvermögen durch die Operation auch verschlechtern.
Vorbeugen
Einer Otosklerose können Sie nicht gezielt vorbeugen. Ihre Auswirkungen lassen sich aber meist beheben. Darum ist es in jedem Fall sinnvoll, sich frühzeitig an einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt zu wenden, wenn bei Ihnen Hörprobleme oder andere Veränderungen wie Tinnitus auftreten. Der Arzt untersucht Sie dann gründlich und erklärt Ihnen unter anderem, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Wenn bei Ihnen in der Familie bereits Otosklerose vorgekommen ist, empfiehlt es sich, regelmäßig einen HNO-Arzt aufzusuchen, der die Schallweiterleitung im Mittelohr untersuchen kann. Auf diese Weise gelingt es, eine Otosklerose schnell zu erkennen und gegebenenfalls operativ zu behandeln. So können Sie möglichen Folgeerscheinungen (z.B. Taubheit) rechtzeitig vorbeugen.