Frau macht Schlafmethode Mouth Taping und hat zwei Pflaster über den Mund geklebt.
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Mouth Taping: Besserer Schlaf oder gefährlicher Trend?

Von: Miriam Müller (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 23.11.2023 - 12:06 Uhr

Beim Mouth Taping wird nachts ein Pflaster auf den Mund geklebt, um die Mundatmung während des Schlafs zu verhindern. Dadurch sollen unter anderem eine bessere Schlafqualität erzielt und Schnarch-Geräusche reduziert werden. Aber ist es wirklich sinnvoll, sich beim Schlafen den Mund zuzukleben? Vor- und Nachteile des Trends und was die Wissenschaft dazu sagt!

Was ist Mouth Taping?

Beim Mouth Taping (deutsch: Mund-Kleben) handelt es sich um einen Schlaf-Hack, bei dem Menschen vor dem Zubettgehen ein Klebeband oder Pflaster über den Lippen anbringen. Dadurch soll die Atmung durch den Mund verhindert und die Nasenatmung forciert werden. 

Vor allem in den sozialen Medien berichten viele Menschen, darunter auch Prominente wie der Fußballspieler Erling Haaland, von positiven Erfahrungen mit Mouth Taping. Das Zukleben des Mundes garantiere einen besseren Schlaf und führe dazu, dass man sich nach dem Aufstehen fitter und ausgeruhter fühle. Sogar das Immunsystem soll davon profitieren.

So funktioniert Mouth Taping?

Mouth Taping ist einfach: Kurz vor dem Schlafengehen wird ein Klebeband beziehungsweise Pflaster quer oder längs über den Mund geklebt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass atmungsaktives und hautfreundliches Tape verwendet wird, das die Haut nicht reizt. Mittlerweile gibt es auch spezielle Mundpflaster, die zum Beispiel unter den Bezeichnungen "Sleep Stripes" oder "Sleep Tapes" angeboten werden.

Tipp:
Wer Mouth Taping ausprobieren möchte, sollte die Mundstreifen zunächst einige Minuten bis Stunden tagsüber tragen, um sich langsam an die neue Atemtechnik zu gewöhnen. Bei allergischen Hautreaktionen oder erschwerter Nasenatmung sollte auf das Mouth Taping verzichtet werden.

Mouth Taping: Ist Nasenatmung wirklich gesünder?

In bestimmten Situationen, etwa bei intensiver körperlicher Anstrengung, ist es normal, durch den Mund zu atmen. Das ist sogar wichtig, um den Sauerstoffbedarf zu decken. In Ruhe, also auch im Schlaf, gilt die Nasenatmung jedoch als die gesündere Variante.

Gesundheitliche Vorteile der Nasenatmung:

  • Luftfilterung: Die Nase ist mit winzigen Härchen und Schleimhäuten ausgestattet, die dazu dienen, Schadstoffe, Staub, Allergene und Krankheitserreger aus der eingeatmeten Luft zu filtern.

  • Luftbefeuchtung: Die Nase befeuchtet und erwärmt die eingeatmete Luft. Dies ist wichtig, um die Schleimhäute der Atemwege vor Austrocknung und Auskühlung zu schützen.

  • Produktion von Stickstoffmonoxid: Die Nasennebenhöhlen produzieren Stickstoffmonoxid, ein Molekül, das die Blutgefäße weitet und die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen optimiert. Bei der Mundatmung entsteht weniger Stickstoffmonoxid.

  • Reduzierte Atemfrequenz: Durch die Nasenatmung erfolgt die Atmung oft ruhiger und tiefer im Vergleich zur flacheren Mundatmung. Dies führt zu einer effizienteren Sauerstoffaufnahme und einer besseren Kohlendioxidabgabe.

  • Reduzierte Mundtrockenheit: Mundatmung verursacht oft Mundtrockenheit, was unangenehm ist und das Risiko von Zahnproblemen wie Karies erhöht.

Mundatmung wird von Fachleuten daher insgesamt als ungünstiger eingestuft. Zudem wird vermutet, dass dadurch sogar das Risiko schwerer Erkrankungen wie Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. 
 

Mund- oder Nasenatmung: Wie atmen Sie nachts?

Ein Indiz, dass man hauptsächlich nachts durch den Mund atmet, ist ein trockener Mund am Morgen. Auch hörbare Atemgeräusche wie Schnarchen können auf eine Mundatmung hinweisen. Ursache ist meist eine Verengung der Nase, etwa durch eine Nasenscheidewandverkrümmung oder Polypen. Dies kann in der HNO-ärztlichen Praxis festgestellt werden.

Was die Wissenschaft zu Mouth Taping sagt

Es gibt viele individuelle Erfahrungsberichte über Mouth Taping, aber die wissenschaftliche Datenlage ist noch sehr dünn. Zwar existieren einige kleinere Studien, aber auch deren Ergebnisse sind nicht ganz eindeutig oder nur auf eine bestimmte Versuchsgruppe beschränkt.

So wurde das Mouth Taping beispielsweise in einer Studie getestet, die 2022 in der Fachzeitschrift der American Thoracic Society veröffentlicht wurde. Die Versuchsgruppe bestand aus 21 Personen mit Schlafapnoe, von denen etwa die Hälfte zusätzlich zu einer speziellen Beatmungsmaske (CPAP-Gerät) ein Mouth Tape erhielt. Die nächtlichen Atemaussetzer verringerten sich bei den Proband*innen, die zusätzlich ein Mouth Tape trugen. 

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine ebenfalls sehr kleine Studie von 2022 mit 20 Teilnehmenden, die an einer milden Form von Schlafapnoe leiden. Auch hier wurde festgestellt, dass bei den Menschen, denen der Mund mit Klebeband zugeklebt wurde, die nächtlichen Atemaussetzer verringert wurden und sie weniger schnarchten. 

Kritiker*innen argumentieren, dass aufgrund dieser Datenlage keine Rückschlüsse für die Allgemeinbevölkerung zulässig sind. Um Aussagen über den Nutzen von Mouth Tapes treffen zu können, sind weitere, größere Studien notwendig.
 

Ist Mouth Taping gefährlich?

Schlafmediziner*innen sehen das Mouth Taping kritisch, da der Nutzen nicht ausreichend belegt ist. Zudem sind Schlafprobleme individuell und sollten besser ärztlich abgeklärt werden, anstatt zu versuchen, das Problem mit Selbsthilfemaßnahmen zu lösen.

Der Schlafmediziner Prof. Martin Konermann hält den Schlaftrend jedoch nicht für gefährlich. Der Körper habe einen Selbsterhaltungsmechanismus, der bei Erstickungsgefahr aktiviert werde. Die Betroffenen wachen auf und öffnen den Mund weit, wodurch sich das Pflaster löst. 

Dennoch sollten vor allem Menschen, die stark durch den Mund atmen oder Schlafprobleme haben, auf das Zukleben verzichten. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass ein Klebeband auf dem Mund bei manchen Menschen Panikattacken auslösen oder traumatische Erlebnisse wieder reaktivieren könnte. Auch Kindern sollte keinesfalls der Mund beim Schlafen zugeklebt werden. 
 

Alternativen zu Mouth Taping: Tipps für besseren Schlaf

Wer Probleme mit der nächtlichen Atmung hat oder unter Schlafstörungen leidet, sollte vor allem der Ursache auf den Grund gehen und ärztlichen Rat einholen. Schwere Schlafapnoe kann gefährlich sein. Die nächtlichen Atemaussetzer erhöhen zum Beispiel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine geeignete Therapie ist daher sehr wichtig. Meist erhalten Betroffene eine CPAP-Nasenmaske, die Raumluft mit leichtem Überdruck in die Atemwege leitet. Die einströmende Luft hält die Atemwege frei und verhindert Atemaussetzer.

Bei leichteren Beschwerden können oft schon leichte Schlafanpassungen helfen, etwa:

  • Rückenlage vermeiden: Die Rückenlage begünstigt Schnarchen und Atemaussetzer, deshalb sollten Betroffene möglichst in Seitenlage schlafen. Um nächtliches Umdrehen zu vermeiden, kann z. B. ein Kissen auf dem Rücken hilfreich sein.

  • Optimierung des Schlafplatzes: Manchmal kann auch eine neue Matratze oder ein anderes Kopfkissen helfen, die Schlafqualität zu verbessern. Hier können sich Betroffene im Fachhandel beraten lassen. Außerdem sollte das Schlafzimmer gut belüftet sein. Eine nächtliche Raumtemperatur von 16 bis 18 Grad Celsius gilt als ideal.

  • Ernährung umstellen: Wer Probleme mit der nächtlichen Atmung hat, sollte abends auf sehr fettreiche und schwere Mahlzeiten verzichten und mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen keinen Alkohol mehr trinken.

  • Nasenstrips: Eine mögliche Alternative zu Mund-Tapes sind sogenannte Nasenstrips, die auf die Nasenflügel geklebt werden. Sie sollen die Nasenpassage erweitern und die Nasenatmung erleichtern. Allerdings ist auch hier der Nutzen umstritten.

Fazit zu Mouth Taping: Kein erwiesener Nutzen

Die Idee hinter Mouth Taping klingt plausibel: Es ist tatsächlich gesundheitsfördernd, nachts hauptsächlich durch die Nase und nicht durch den Mund zu atmen. Doch wer keine Probleme mit der Nasenatmung hat, braucht kein Pflaster auf den Lippen. Außerdem ist es zweifelhaft, ob es wirklich etwas bringt, die Nasenatmung durch das Verschließen des Mundes zu erzwingen.

Die wenigen, sehr kleinen Studien haben sich bisher vor allem auf den Nutzen für Menschen mit Schlafapnoe beschränkt. Aber auch hier ist weitere Forschung notwendig, um die langfristigen Auswirkungen und den Nutzen zu untersuchen.

Zudem ist Mouth Taping nicht für jeden geeignet. Wer die Methode ausprobieren möchte, sollte sich vorher ärztlich beraten lassen.