Mann mit Schulterschmerzen
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Rotatorenmanschetten­ruptur (Rotatoren­manschettenriss)

Von: Onmeda-Redaktion , Lydia Klöckner (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 11.03.2020

Die Rotatorenmanschettenruptur ist eine Schulterverletzung. Dabei reißen eine oder mehrere Sehnen der vier Muskeln, die die Schulter umgeben. Der Riss macht sich in der Regel durch Schmerzen bemerkbar. Hier erfahren Sie, welche Symptome noch auftreten können, wie die Behandlung eines Rotatorenmanschettenrisses abläuft und wie lange man danach arbeitsunfähig ist.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Rotatorenmanschettenruptur

Als Rotatorenmanschette bezeichnet man die Muskeln und Sehnen, die das Schultergelenk umgeben. Man braucht sie, um den Arm rotieren zu lassen. Die Sehnen der Rotatorenmanschette können reißen, wenn sie stark überdehnt werden – etwa bei einem Sturz auf den ausgestreckten Arm, oder wenn man versucht, etwas sehr Schweres aufzufangen.

Wenn eine oder mehrere Sehnen der Rotatorenmanschette reißen, sprechen Ärztinnen und Ärzte von einer Rotatorenmanschettenruptur. Dabei können entweder nur einzelne Schichten einer Sehne reißen, oder der Riss durchtrennt eine oder mehrere Sehnen komplett.

Anfällig für Risse in der Rotatorenmanschette sind vor allem ältere Menschen, die ihre Schultern über viele Jahre hinweg stark beansprucht haben. Durch die dauerhafte Überlastung nutzen sich die Sehnen mit der Zeit ab, sie verschleißen. Die winzigen Schäden, die sich dabei bilden, können sich dann schon bei leichteren Erschütterungen zu größeren Rissen ausweiten. Diese Rissform wird als degenerative Rotatorenmanschettenruptur bezeichnet.

Besonders häufig reißt die Sehne, die oberhalb des Schultergelenks verläuft (Supraspinatussehne). Aufgrund ihrer eingeengten Lage zwischen Oberarmkopf und Schulterdach wird sie schwächer durchblutet und somit schlechter mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Deshalb heilen Verletzungen in diesem Bereich nicht so schnell. Je mehr dieser Verletzungen sich in der Sehne bilden und je schlechter sie heilen, umso anfälliger wird die Sehne für größere Risse.

Bei jungen Menschen kommt es insgesamt selten zu Rissen in der Rotatorenmanschette. Da ihre Sehnen normalerweise noch gesund und stabil ist, reißen sie nicht so leicht. Wenn, ist die Ursache meist eine sehr starke Krafteinwirkung auf die Schulter, zum Beispiel bei einem schlimmen Sportunfall.

Aufbau und Funktion der Rotatorenmanschette

Die Rotatorenmanschette besteht aus vier Muskeln und deren Sehnen:

  • Obergrätenmuskel (Musculus supraspinatus)
  • Untergrätenmuskel (Musculus infraspinatus)
  • kleiner runder Armmuskel (Musculus teres minor)
  • Unterschulterblattmuskel (Musculus subscapularis)

Wie die folgenden Abbildungen zeigen, verbinden die Muskeln (rot) und Sehnen (weiß) der Rotatorenmanschette den Oberarmknochen mit dem Schulterblatt.

Die Schulter zeichnet sich im Vergleich zu anderen Gelenken durch eine besonders große Beweglichkeit aus. Die Rotatorenmanschette hält die Knochen an der richtigen Position. So verleiht sie der Schulter trotz des großen Bewegungsspielraums Stabilität.

Die Muskeln bewegen den Arm im Schultergelenk und schaffen somit auch die Voraussetzung für viele Tätigkeiten der Hand. Gemeinsam mit dem Deltamuskel (Musculus deltoideus) heben sie den Arm nach außen (Abduktion) und beteiligen sich an Drehbewegungen des Arms nach innen (Innenrotation) und außen (Außenrotation).

Rotatorenmanschettenruptur: Symptome

Die wichtigsten Symptome der Rotatorenmanschettenruptur sind

Die Betroffenen können ihre Schulter nicht mehr ohne Schmerzen bewegen. Außerdem tut es ihnen weh, wenn die Schulter im Bereich der gerissenen Sehne berührt wird. Welche Bewegungen und Berührungen Probleme bereiten, hängt davon ab, wo genau der Riss entstanden ist. Häufig ist die Supraspinatussehne betroffen, die oberhalb des Schultergelenks verläuft. In diesem Fall haben die Betroffenen Schwierigkeiten, den Arm seitlich ausgestreckt anzuheben.

Hat ein akuter Unfall wie ein Sturz zur Rotatorenmanschettenruptur geführt, treten die Symptome plötzlich auf. Gerade bei älteren Menschen können sich die Beschwerden aber auch erst langsam entwickeln und verstärken. Das ist der Fall, wenn die Verletzung durch allmählichen Verschleiß entstanden ist.

Rotatorenmanschettenruptur: Diagnose

Wer starke Schulterschmerzen verspürt, sollte diese von einer Orthopädin oder einem Orthopäden abklären lassen. Sie oder er kann feststellen, ob eine Rotatorenmanschettenruptur die Ursache ist und wenn ja, in welchem Bereich die Rotatorenmanschette gerissen ist.

Einen ersten Eindruck von den Beschwerden verschafft sich die Ärztin oder der Arzt durch ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Dann tastet sie oder er die betroffene Schulter vorsichtig ab. Ein Riss in der Rotatorenmanschette führt manchmal zu einem tastbaren Rückgang der Muskulatur im verletzten Bereich.

Im Anschluss folgen eine Reihe von Tests, um die Beweglichkeit und Kraft der betroffenen Schulter zu prüfen. Die Ärztin oder der Arzt kann durch die Tests ermitteln, welcher Teil der Rotatorenmanschette möglicherweise verletzt ist – und wie stark.

Ein wichtiger Bestandteil der Untersuchung ist etwa der drop-arm-Test: Die Ärztin oder der Arzt hebt den Arm des Patienten bis etwa 90 Grad an. Dann soll der Patient den Arm aus eigener Kraft oben halten. Fällt der Arm einfach herunter, spricht das für einen ausgeprägten Riss in der Sehne oberhalb des Schultergelenks (Supraspinatussehne).

Ergänzend zu diesen Tests kann der Arzt bei Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur zur exakten Diagnose auf bildgebende Verfahren wie

zurückgreifen.

Im Ultraschall oder mithilfe eines MRT kann die Ärztin oder der Arzt eine Rotatorenmanschettenruptur anhand einer Unterbrechung der Sehne erkennen. Bei einem Riss der gesamten Manschette liegt der Oberarmkopf frei. Man spricht dann von einer Humeruskopfglatze. Auch ein Erguss unter dem Schulterdach wäre auf den Ultraschall- und MRT-Aufnahmen sichtbar.

Eine Röntgenuntersuchung kann zwar die Rotatorenmanschette nicht direkt darstellen – es ergeben sich bei einem Riss aber in manchen Fällen Hinweise auf mögliche Ursachen. Zudem kann der Oberarmkopf im Falle eines ausgeprägten Rotatorenmanschettenrisses nach oben verrückt sein, da ihn die Muskeln durch die Ruptur nicht mehr in der Gelenkpfanne des Schulterblattes halten können.

Rotatorenmanschettenruptur: Behandlung

Es gibt zwei Möglichkeiten, eine Rotatorenmanschettenruptur zu behandeln:

Welches Vorgehen infrage kommt, hängt vor allem vom Alter des Patienten ab – und davon, wie es zum Riss gekommen ist.

Älteren Patienten, deren Rotatorenmanschette durch Verschleiß und Überlastung geschädigt ist, hilft meist eine konservative Behandlung am besten. Gegen die Beschwerden bekommen sie schmerzlindernde Medikamente wie Ibuprofen verschrieben. Wenn nötig, kann die Ärztin oder der Arzt ihnen zusätzlich eine Spritze mit Kortison verabreichen. Um die Beweglichkeit und Kraft der Schulter zu verbessern, erhalten die Patienten außerdem Physiotherapie.

Bei jüngeren Patienten, bei denen ein Unfall zu einer plötzlichen Rotatorenmanschettenruptur geführt hat, ist meist eine OP notwendig: Durch Unfälle verursachte Risse sind oft stärker ausgeprägt als durch Verschleiß verursachte Rupturen. Ohne OP würden sie deutlich schlechter heilen. Deshalb ist es wichtig, dass der Riss nach dem Unfall schnellstmöglich operiert wird: Je frischer die Verletzung in der Sehne, umso besser stehen die Chancen, dass diese nach der OP vollständig wieder heilt.

Physiotherapie ist auch im Falle einer OP wichtiger Bestandteil der Behandlung: Die Beweglichkeit und Kraft der Schulter lassen sich nur durch gezielte Übungen wiederherstellen.

Rotatorenmanschettenruptur: OP

Ziel der OP ist es, die gerissene Sehne zu nähen. Um sich einen Zugang zur Sehne verschaffen, kann die Ärztin oder der Arzt zwischen drei verschiedene Verfahren wählen:

  • Schlüssellochchirurgie (Gelenkspiegelung, Arthroskopie): Durch einen kleinen Hautschnitt werden eine Kamera (Endoskop) und die OP-Instrumente eingeführt.
  • offene Operation: Die Sehne wird durch einen größeren Hautschnitt offengelegt.
  • mini-open-Operation, eine Kombination aus Schlüssellochchirurgie und offener OP

Meist kommt die Schlüssellochtechnik zum Einsatz. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass der kleine Hautschnitt deutlich schneller abheilt als der große Schnitt bei einer offenen Operation. Außerdem dient die Gelenkspiegelung zugleich der Diagnose und der Therapie: Stellt die Ärztin oder der Arzt dabei fest, dass eine Operation nicht nötig oder hilfreich wäre, kann sie oder er den Eingriff beenden.

Erweist sich der Riss bei der Spiegelung hingegen als gut operierbar, nimmt die Ärztin oder der Arzt die dazu nötigen Schritte direkt als nächstes vor:

  • Ist die Sehne im mittleren Bereich gerissen, wird sie durch eine Naht repariert.
  • Bei einem Riss am Sehnenansatz wird die Sehne am Knochen festgenäht. Dazu kommen meist sogenannte Fadenanker zum Einsatz. Ein Fadenanker ist eine kleine Schraube, an der ein Faden befestigt ist. Die Schraube wird in den Knochen gedreht, mit dem Faden wird die Sehne angenäht.

Manchmal rät die Ärztin oder der Arzt dazu, im Rahmen der OP auch eine sogenannte subakromiale Dekompression durchzuführen. Dabei werden der Schleimbeutel und Teile des Schulterdachs entfernt. Dadurch wird der Raum unter dem Schulterdach größer und die verletzte Sehne erhält mehr Platz. Ob dieser zusätzliche OP-Schritt tatsächlich Vorteile bringt oder nicht, lässt sich allerdings nicht sicher sagen: Zu dieser Frage gibt es noch keine eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Studien haben zwar gezeigt, dass eine subakromiale Dekompression bei Schulterschmerzen nicht besser hilft als Physiotherapie und Medikamente. In diesen Untersuchungen ging es aber nicht speziell um Schmerzen durch eine Rotatorenmanschettenruptur, sondern um Schulterschmerzen im Allgemeinen.

Nach der OP wird die Schulter durch eine sogenannte Orthese für drei bis sechs Wochen ruhig gestellt. Während dieser Zeit findet jedoch bereits der erste Teil der Physiotherapie statt. Im Vordergrund stehen dabei zunächst passive Übungen für die Beweglichkeit der Schulter. Kraftübungen folgen erst später.

Muskeltransfer bei großen Rissen

Bei einer sehr ausgeprägten Rotatorenmanschettenruptur erfolgt in der Operation ein sogenannter Muskeltransfer. Bei diesem Verfahren flickt die Ärztin oder der Arzt den Riss mit Teilen anderer Muskeln, etwa des großen Brustmuskels oder des breiten Rückenmuskels. Der Muskeltransfer ist allerdings eine Notlösung, wenn der Riss zu groß ist, um ihn zu nähen.

Rotatorenmanschettenruptur: Wie lange krank?

Für die OP nach einer Rotatorenmanschettenruptur ist ein kurzer Krankenhausaufenthalt notwendig. Wie lange man im Krankenhaus bleiben muss, ist von Klinik zu Klinik verschieden und hängt auch davon ab, wie die Operation verläuft. In der Regel müssen Patienten ein paar Tage einplanen, meist aber nicht mehr als eine Woche.

Wie lange man nach einer Rotatorenmanschettenruptur arbeitsunfähig ist, richtet sich danach,

  • wie stark die Beschwerden sind,
  • welche Behandlung notwendig ist und
  • welchen Beruf der Patient ausübt.

Wer im Job keiner körperlich anstrengenden Tätigkeit nachgehen oder Autofahren muss, kann bereits nach einigen Wochen wieder arbeiten – sofern sich die Beschwerden durch die Behandlung ausreichend gebessert haben. Komplikationen und Folgeschäden können die Dauer der Arbeitsunfähigkeit verlängern.

Sportlerinnen und Sportler müssen sich jedoch darauf einstellen, dass sie erst nach etwa vier Monaten wieder mit dem Training beginnen können. Auch Menschen, die beruflich körperlich schwer arbeiten und dabei ihre Arme einsetzen, müssen mit einem längeren Ausfall rechnen.

Rotatorenmanschettenruptur: Prognose & Verlauf

Die Prognose kann je nach Ausmaß der Rotatorenmanschettenruptur sehr unterschiedlich sein. Sie hängt auch vom Alter des Patienten ab und davon, wie stark seine Rotatorenmanschette bereits abgenutzt ist.

Bei älteren Menschen kommt es häufig zu kleineren Rissen, verursacht durch Verschleiß und Überlastung. Je stärker die Rotatorenmanschette bereits abgenutzt ist, umso länger kann die Genesung dauern und umso größer ist das Risiko für eine erneute Ruptur. Grundsätzlich ist die Prognose aber oft gut. Nach einigen Monaten sind viele Patienten nicht mehr auf Schmerzmittel angewiesen und können den betroffenen Arm wieder wie gewohnt einsetzen.

Bei jungen Menschen reißt die Rotatorenmanschette meist nicht durch Verschleiß und Überlastung, sondern plötzlich – etwa durch einen Sportunfall. Die Verletzung ist dann zwar häufig von größerem Ausmaß als verschleißbedingte Rupturen. Dennoch ist die Prognose meist gut: Das Gewebe der Sehne ist im jungen Alter noch gut durchblutet und somit sehr regenerationsfähig. Selbst große Risse können vollständig heilen, wenn sie rechtzeitig operiert werden.

Häufig ist die Schulter schwächer und steifer als vor der Verletzung. Dieses Problem besteht sowohl mit als auch ohne OP. Durch gezielte physiotherapeutische Übungen lassen sich Kraft und Beweglichkeit der Schulter jedoch meist deutlich verbessern.

Folgeschäden

Ein unbehandelter Riss der Rotatorenmanschette kann je nach Ausmaß der Verletzung zu Komplikationen führen, etwa zu einer Arthrose (Gelenkverschleiß) des Schultergelenks. Der Fachbegriff lautet Defektarthropathie (griechisch arthros = Gelenk, pathie = Krankheit).

Bei rechtzeitiger Behandlung ist die Gefahr bleibender Folgeschäden generell geringer. Allerdings birgt die Behandlung selbst gewisse Risiken. Sowohl nach einer OP als auch nach einer medikamentösen Behandlung kann die Schulter dauerhaft versteifen (Frozen Shoulder). Auch ist es möglich, dass die Schulterschmerzen nicht vollständig abklingen.

Eine OP geht zudem immer mit zusätzlichen Risiken wie Wundheilungsstörungen und Infektionen einher. Außerdem können bei dem Eingriff Nerven geschädigt und Gefäße verletzt werden. In jedem Fall entstehen bei einer OP bleibende Narben. Diese sind nach einem Eingriff mittels Schlüssellochtechnik deutlich kleiner als nach einer offenen OP.