Paukenerguss
Der Paukenerguss ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. Aber auch bei Erwachsenen kann sich Flüssigkeit im Ohr bilden. Wie kommt es zu einem solchen Erguss im Ohr, welche Folgen kann er haben und was hilft?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Paukenerguss (Flüssigkeit im Ohr)
Ein Paukenerguss ist eine Ansammlung nicht-eitriger Flüssigkeit im Mittelohr, also (von außen gesehen) hinter dem Trommelfell. Die Flüssigkeit kann dünn- oder dickflüssig sein:
- Ein dünnflüssiger Paukenerguss heißt fachsprachlich Serotympanon,
- ein dickflüssiger Paukenerguss hingegen Mukotympanon.
Da Mischformen häufig sind und die Beschaffenheit der Flüssigkeit im Ohr schwer abzuschätzen ist, bezeichnen Mediziner den Paukenerguss allgemein auch als Seromukotympanon.
Paukenerguss: Ursachen
Ein Paukenerguss entsteht infolge einer Belüftungsstörung im Mittelohr. Ursache hierfür ist eine verengte oder verstopfte Ohrtrompete.
Das Mittelohr ist nach außen durch das Trommelfell abgeschlossen. Für seine Belüftung sorgt die Ohrtrompete (auch Tuba auditiva bzw. Tube oder eustachische Röhre genannt): Dieser kleine Kanal verbindet das Mittelohr mit dem Nasen-Rachen-Raum. So kann über die Ohrtrompete …
- … der Druckausgleich zwischen äußerem Ohr und Mittelohr erfolgen, beispielsweise beim Tauchen oder im Flugzeug.
- … Sekret, das von der Schleimhaut im Mittelohr gebildet wird, in den Nasen-Rachen-Raum abfließen.
Ist die Ohrtrompete verengt oder gar verstopft, verursacht das einen Unterdruck im Mittelohr. Das kann zu einem Paukenerguss führen, der die Beweglichkeit des Trommelfells vermindert. Das kommt so:
- Durch den Unterdruck im Mittelohr sondert sich ein Sekret ab, das wegen der blockierten Ohrtrompete nicht mehr abfließen kann.
- Bei länger anhaltendem Unterdruck wandelt sich die Schleimhaut im Mittelohr so um, dass sie immer mehr Schleim bildet.
- Zudem gehen bei der Schleimhautumwandlung Flimmerhärchen (Zilien) verloren, was den Abtransport der Flüssigkeit im Ohr zusätzlich erschwert.
Oft ist der Weg vom Mittelohr zum Nasen-Rachen-Raumdurch durch Nasensekret und/oder eine geschwollene Schleimhaut blockiert. Darum entsteht ein Paukenerguss meist nach einer Infektion der oberen Atemwege (z.B. Erkältung). Weitere mögliche Ursachen für Flüssigkeit im Ohr sind zum Beispiel:
- Mittelohrentzündung
- Allergien
- vergrößerte Rachenmandel
- gut- oder bösartige Tumoren im Nasen-Rachen-Raum
- Nasenpolypen
- chronische Nasennebenhöhlenentzündung
- verkrümmte Nasenscheidewand
- vergrößerte Schwellkörper in der Nase (Nasenmuscheln)
- kurze, eher waagerecht verlaufende Ohrtrompete
- vergrößerte Gaumenmandeln
- Fehlbildungen im Schädel-Gesichts-Bereich (wie Lippen-Kiefer-Gaumenspalte)
- Verletzung durch starke Veränderungen des Umgebungsdrucks (Barotrauma), z. B. beim Tauchen
Zudem kann ein Paukenerguss durch verschiedene medizinische Behandlungen entstehen, zum Beispiel:
- als Folge einer Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich,
- durch eine Nasensonde oder Nasentamponade oder
- nach operativer Entfernung der Rachenmandel.
Paukenerguss beim Kind
Insgesamt entwickeln etwa 80 Prozent aller Kinder bis zum Schulalter mindestens einmal einen Paukenerguss. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen haben Kleinkinder eine kurze und eher waagerecht verlaufende Ohrtrompete. Zudem ist die Öffnung in Nase und Ohrtrompete beim Kind noch eng. Das führt dazu, dass
- das Ohr grundsätzlich schlechter belüftet ist und
- die Ohrtrompete leichter verstopfen kann.
Zum anderen ist das Immunsystem im Kleinkindalter noch nicht ausgereift. Darum treten bei Kleinkindern besonders häufig Infekte der oberen Atemwege sowie eine vergrößerte und keimbesiedelte Rachenmandel auf. Weitere Risikofaktoren für einen Paukenerguss beim Kind sind:
- Kita-Besuch (weil Kita-Kinder öfter erkältet sind als andere Kinder)
- Passivrauchen (z. B. wegen rauchender Eltern)
Paukenerguss: Symptome
Bei einem Paukenerguss können folgende Symptome auftreten:
- vermindertes Hörvermögen
- Druckgefühl (Gefühl wie Watte) im Ohr
- Schwindel
- Ohrgeräusche (Tinnitus)
- selten Ohrenschmerzen
Manche Symptome (wie Druck und Schmerzen im Ohr) treten erst dann auf oder verstärken sich, wenn es zu Druckschwankungen kommt – wie etwa beim Fliegen. Auch die beim Paukenerguss typische Hörminderung ist unterschiedlich ausgeprägt: Sie reicht von wenigen Dezibel (dB) bis 50 dB.
Bei Kindern macht sich ein Paukenerguss meist durch die Schwerhörigkeit bemerkbar: Babys und Kleinkinder reagieren nicht wie sonst auf Stimmen oder Umgebungsgeräusche. Manche sind auch reizbar und unruhig. Bleibt der Erguss im Ohr länger bestehen, können infolge der Hörminderung weitere Symptome hinzukommen, wie:
- verzögerte Sprachentwicklung
- gestörte Hörentwicklung
- Gleichgewichtsprobleme
- Verhaltensauffälligkeiten
- schulischer Leistungsabfall
In der Regel sind diese Beeinträchtigungen aber nicht von Dauer: Sobald der Paukenerguss verschwunden ist, können sich auch die Symptome wieder zurückbilden.
Paukenerguss: Diagnose
Bei Verdacht auf einen Paukenerguss besteht der erste Schritt zur Diagnose darin, das Ohr sorgfältig mit einem Ohrenspiegel zu untersuchen. Dabei kann die Ärztin oder der Arzt vielleicht schon sehen, ob sich eine klare oder gelbliche Flüssigkeit im Ohr hinter dem Trommelfell gesammelt hat.
Zudem ist bei einem Paukenerguss das Trommelfell oft nach innen gezogen. Hinter dem Trommelfell sind manchmal Luftbläschen erkennbar. Schmerzen und eine Rötung des Trommelfells, die bei einer akuten Mittelohrentzündung typisch sind, fehlen aber meist.
Ist das Ergebnis der Ohruntersuchung unklar, kann ein Hörtest weiterhelfen. Bei einem Paukenerguss zeigt sich eine teils erhebliche Hörminderung.
Um der Ursache für den Paukenerguss auf den Grund zu gehen, können weitere Untersuchungen nötig sein. Zum Beispiel:
- Untersuchung von Mundhöhle und Rachen sowie eine Nasenspiegelung, um Infekte oder krankhafte Veränderungen an Nasenscheidewand, Nasenschleimhaut und Gaumen festzustellen
- Allergietests bei Anzeichen für eine Allergie
- bildgebende Verfahren (Computertomografie) bei Verdacht auf eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung
- (bei Erwachsenen mit fortdauerndem Paukenerguss ohne erkennbare andere Ursache) Spiegelung des Nasen-Rachen-Raums zum Ausschluss eines Tumors
Paukenerguss: Behandlung
Einen Paukenerguss kann man in jedem Alter behandeln – entweder durch nicht-operative (konservative) Maßnahmen oder durch eine kleine OP. Doch meist verschwindet die Flüssigkeit im Ohr von selbst wieder.
Wenn außer dem Paukenerguss keine gesundheitlichen Probleme bestehen, kann man also zunächst bis zu mehrere Monate abwarten, ob eine operative Behandlung überhaupt nötig ist. Dann reicht es in der Regel, die Belüftung der Ohren zu fördern und den Zustand (v. a. das Hörvermögen) regelmäßig zu kontrollieren.
Bei Kindern mit Risikofaktoren (wie Fehlbildungen im Schädel-Gesichts-Bereich, schon bestehender Innenohrschwerhörigkeit, Sehschwäche oder deutlichen Sprachentwicklungsstörungen) ist es hingegen ratsam, einen Paukenerguss frühzeitig operativ zu behandeln, wenn er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bald verschwindet.
Konservative Behandlung
Wenn bei einem Paukenerguss die Nase verstopft ist, können abschwellende Nasentropfen oder Nasensprays die Belüftung des Mittelohrs verbessern. Bei allergischem Schnupfen kann auch eine örtliche Behandlung mit Glukokortikoiden sinnvoll sein: Das wirkt gegen die Entzündungsprozesse, die den Erguss im Ohr begünstigen.
Zudem gibt es bei einem Paukenerguss verschiedene Methoden, mit denen Betroffene (ggf. nach ärztlicher Anleitung) selber für eine bessere Belüftung der Ohren sorgen können, wie:
- verstärkte Kau- und Schluckbewegungen
- Valsalva-Manöver (d. h. tief einatmen, Nase zuhalten und dann für ca. 10 Sekunden bei angespannter Bauchmuskulatur und fest geschlossenem Mund gegen den Widerstand ausatmen)
- Politzer-Ballon (das ist ein spezieller Luftballon, den man z. B. über ein Nasenloch aufblasen kann)
Wichtiger Hinweis: Wer neben dem Paukenerguss eine bakterielle eitrige Infektion im Bereich der Nase oder Ohren hat, darf den Politzer-Ballon nicht anwenden.
Bei hartnäckigem Paukenerguss: Kleine OP
Wenn sich ein Paukenerguss monatelang nicht bessert und die Hörprobleme bestehen bleiben, kommt ein operativer Eingriff in Betracht. Die OP kann darin bestehen,
- das Trommelfell vorsichtig zu durchstechen, um die Flüssigkeit im Ohr abzusaugen, und/oder
- ein Paukenröhrchen ins Ohr einzulegen, damit Sekret ablaufen kann und das Ohr gut belüftet ist, sowie
- ggf. die Rachenmandel zu entfernen, wenn diese stark vergrößert ist und die Belüftung der Ohren behindert. (Ist der Nasen-Rachen-Raum nicht krankhaft verändert, reichen aber ein Trommelfellschnitt und/oder eine Paukenröhrcheneinlage aus.)
In der Regel ist die operative Behandlung beim Paukenerguss ambulant möglich.
Paukenröhrchen
Paukenröhrchen sind 1,2 bis 1,5 Millimeter dick und bestehen meist aus Kunststoffen wie Silikon oder Polyethylen. Sie sollen helfen, den Paukenerguss zu beseitigen, und so
- das Hören verbessern sowie
- bei Kindern Sprachentwicklungsstörungen vorbeugen.
Das Einsetzen von Paukenröhrchen findet meist unter Vollnarkose statt. Wenn die Narkose wirkt, macht die Ärztin oder der Arzt einen kleinen Schnitt ins Trommelfell und schiebt das feine Röhrchen durch das Loch ins Mittelohr. So wird das Ohr von außen besser belüftet.
Paukenröhrchen können bis zu ein Jahr im Trommelfell bleiben. In der Regel fallen sie von selbst heraus, meist nach 2 bis 8 Monaten (falls nicht, muss der Arzt sie zur Beendigung der Behandlung entfernen). Auch der Schlitz im Trommelfell verschließt sich von allein.
Paukenröhrchen wirken also nur begrenzt. Darum ist es auch bei einem seit 3 Monaten bestehenden Paukenerguss meist vertretbar, unter ärztlicher Kontrolle weiter abzuwarten, ob das Problem doch noch von alleine verschwindet.
Denn der Nutzen von Paukenröhrchen ist unter Experten umstritten. Zwar scheinen sie vor wiederholten Mittelohrentzündungen mit Paukenerguss zu schützen. Doch die Behandlung bringt auch Risiken mit sich:
- Zum einen kann das Einsetzen von Paukenröhrchen wie jede OP zu Verletzungen und Komplikationen führen (wie z. B. ein verletztes und vernarbtes Trommelfell).
- Zum anderen können durch die künstliche Öffnung Bakterien das Ohr leichter infizieren.
Wenn der Paukenerguss nach etwa 6 Monaten noch nicht verschwunden ist, kann die Ärztin oder der Arzt immer noch ein Paukenröhrchen einsetzen. Langfristig ist diese Vorgehensweise wahrscheinlich genauso wirksam wie eine frühzeitige OP.
Hinweis: Manchmal wird als Vorsichtsmaßnahme dazu geraten, beim Schwimmen, Baden oder Duschen spezielle Ohrstöpsel zu tragen, solange sich das Paukenröhrchen im Ohr befindet. Doch ob man Ohrstöpsel trägt oder nicht, scheint nur einen sehr geringen Unterschied zu machen. Darum halten viele Fachleute diese Maßnahme für verzichtbar. Tief tauchen sollte man mit Paukenröhrchen allerdings nicht.
Paukenerguss: Dauer & Verlauf
Ein Paukenerguss kann plötzlich auftreten und nur von kurzer Dauer sein, in Abständen wiederkehren oder chronisch verlaufen. In den meisten Fällen bildet sich die Flüssigkeit im Ohr innerhalb von mehreren Monaten zurück.
In etwa 80 Prozent aller Fälle heilt ein Paukenerguss von alleine. Mit zunehmender Dauer des Ergusses sinken die Chancen auf Selbstheilung jedoch. So verschwindet beispielsweise bei Kindern …
- … ein nach akuter Mittelohrentzündung aufgetretener Paukenerguss mit einer Dauer von 3 Monaten in 75 % der Fälle von selbst.
- … ein Paukenerguss mit einer Dauer von 6 bis 12 Monaten in ungefähr 30 % der Fälle von selbst.
Zu den möglichen Komplikationen von Paukenergüssen zählen beispielsweise Mittelohrentzündungen sowie Veränderungen und Schäden am Trommelfell oder an den Gehörknöchelchen. Dass ein Paukenerguss zu bleibenden Hörschaden führt, passiert jedoch nur sehr selten.