Blutgruppen und Covid-19
Die Blutgruppe könnte beeinflussen, wie schwer jemand an Covid-19 erkrankt. Das ist das vorläufige Ergebnis einer deutsch-norwegischen Studie. Lesen Sie hier, welche Blutgruppe im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 der Studie zufolge besonders gefährdet ist — und welche Blutgruppe offenbar vor Komplikationen schützt.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Wissenschaftler vermuteten bereits, dass es neben Alter, Geschlecht und bestimmten Vorerkrankungen noch weitere Faktoren gibt, die einen schweren Verlauf der Erkrankung begünstigen. Forscher aus Kiel und Oslo suchten nun in einer Studie nach möglichen genetischen Einflüssen. Und wurden fündig: Die Blutgruppe nimmt offenbar Einfluss darauf, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand schwer an Covid-19 erkrankt und auf ein Beatmungsgerät angewiesen ist. Die vorveröffentlichte Studie muss allerdings noch von unabhängigen Experten geprüft werden. Die Ergebnisse müssen deshalb als vorläufig betrachtet werden.
Die Studie
Die Forscher werteten Blutproben von rund 1.600 schwer an Covid-19 erkrankten Patienten aus Italien und Spanien aus und verglichen sie mit den Daten von etwa 2.200 gesunden Blutspendern aus beiden Ländern.
Sie stellten fest, dass unter den Patienten, die schwer an Covid-19 erkrankt waren und ein Beatmungsgerät benötigten, 50 Prozent mehr Menschen mit der Blutgruppe A Rhesusfaktor positiv waren als mit anderen Blutgruppen. Immerhin 37 Prozent der Menschen in Deutschland haben Blutgruppe A+.
Die Blutgruppe 0 scheint dagegen eher vor schweren Verläufen zu schützen. Unter den schwer Erkrankten waren besonders wenige mit dieser Blutgruppe. Die Anzahl der schwer erkrankten Personen mit den Blutgruppen AB oder B lag dazwischen.
Die Verteilung der Blutgruppen in Deutschland
AB Rhesusfaktor positiv: 4 %
B Rhesusfaktor positiv: 9 %
0 Rhesusfaktor positiv: 35 %
A Rhesusfaktor positiv: 37 %
AB Rhesusfaktor negativ: 1 %
B Rhesusfaktor negativ: 2 %
0 Rhesusfaktor negativ: 6 %
A Rhesusfaktor negativ: 6 %
Dass Menschen mit der Blutgruppe A offenbar häufiger schwer von SARS-CoV-2 betroffen sind und Träger der Blutgruppe 0 seltener, hatten bereits im März chinesische Forscher in einer Studie festgestellt. Nun scheint die neue Studie dieses Ergebnis zu bestätigen.
Video: Covid-19: Diese Blutgruppe gilt als besonders gefährdet
Das bedeutet jedoch nicht, dass sich Menschen mit der Blutgruppe 0 völlig sicher fühlen können und Personen mit Blutgruppe A+ zwangsläufig schwer erkranken. Weder schützt eine Blutgruppe sicher vor einem schweren Verlauf der Erkrankung, noch bedeutet eine andere, dass man schwer erkrankt. Die Blutgruppe ist außerdem nur ein Faktor von vielen, der den Verlauf der Erkrankung beeinflusst. Zudem muss die Studie noch von weiteren Experten geprüft und bestätigt werden.
Hinweise darauf, dass die Blutgruppe Einfluss auf das Immunsystem und die Infektionsanfälligkeit gegen Erreger hat, lieferten allerdings bereits andere Studien vor der Corona-Pandemie. Um zu verstehen, wie die Blutgruppe mit der Anfälligkeit für Infektionen zusammenhängen könntet, muss man wissen, wie das Blutgruppensystem funktioniert.
Das AB0-System
Ob ein Mensch Blutgruppe A, B, AB oder 0 hat, hängt damit zusammen, welche Antigene er auf seinen roten Blutkörperchen bildet. Antigene sind fremde Eiweiße, die auf einer Zelloberfläche sitzen und gegen die das Immunsystem Antikörper bildet und sie bekämpft. Welche Antigene jemand auf seinen roten Blutkörperchen trägt, ist genetisch festgelegt. Hat jemand Blutgruppe A, bildet er das Antigen A, Blutgruppe B bildet das Antigen B, Blutgruppe AB bildet beide Antigene und Blutgruppe 0 hat antigenfreie rote Blutkörperchen.
Wer Blutgruppe A und Antigen A hat, bildet Antikörper gegen das Antigen B. Wird nun Blut der Blutgruppe A mit Blut der Blutgruppe B vermischt, gehen die Antikörper gegen das fremde Antigen vor. Deshalb darf bei einer Bluttransfusion niemals Blut der Blutgruppen A und B vermischt werden, da es sonst zum Verklumpen des Blutes kommt. Blutgruppe AB bildet keine Antikörper.
Warum könnte die Blutgruppe Einfluss darauf nehmen, wie schwer jemand an einer Infektion erkrankt?
Antigene sitzen auch auf der Oberfläche von Viren und Bakterien. Bei vielen Viren und Bakterien ist die Oberflächenstruktur ähnlich wie die der Antigene, die die Blutgruppe bestimmen. Es kann deshalb sein, dass die Blutgruppe einen Menschen anfälliger für einen Erreger macht – oder ihn besser dagegen wappnet.
Da die Blutgruppen weltweit unterschiedlich stark vorkommen, nehmen Forscher an, dass bestimmte Blutgruppen ihren Trägern in bestimmten Teilen der Welt einen evolutionären Vorteil brachten. Zum Beispiel haben in Afrika besonders viele Menschen die Blutgruppe 0. In diesem Teil der Welt ist Malaria sehr häufig. Menschen mit dieser Blutgruppe sind besser vor Malariainfektionen geschützt als Menschen mit der Blutgruppe A, sind jedoch anfälliger für Magen-Darm-Infektionen.