Interstitielle Zystitis: Frau hat Unterleibsschmerzen und sitzt auf einem Sofa
© Getty Images/LordHenriVoton

Interstitielle Zystitis: Schmerzen in der Blase ohne Entzündung

Von: Frederike Rausch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 21.07.2025

Ein ständiger Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen und ein Druckgefühl im Unterbauch: Derartige Beschwerden lassen oft an eine bakteriell bedingte Blasenentzündung denken. Doch was, wenn keine Bakterien im Urin nachweisbar sind und die Symptome nicht verschwinden? In solchen Fällen könnte eine interstitielle Zystitis (IC) die Ursache sein. Welche Behandlung hilft?

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zur interstitiellen Zystitis

Auslöser kann eine interstitielle Zystitis sein. Hierbei bestehen die Schmerzen in der Blase oft dauerhaft oder verstärken sich bei gefüllter Blase. Die Ursachen für die Erkrankung sind nicht eindeutig geklärt.

Nein, die interstitielle Zystitis beeinflusst die Lebenserwartung nicht. Die Erkrankung ist jedoch chronisch und kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Eine vollständige Heilung ist bislang nicht möglich. Es stehen aber verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, welche die Beschwerden lindern können – darunter Medikamente, Blasenspülungen und Beckenbodentherapie.

Was ist eine interstitielle Zystitis?

Die interstitielle Zystitis (IC) – auch chronisches Blasenschmerzsyndrom oder abakterielle Zystitis genannt – ist eine chronische, nicht durch Bakterien verursachte Entzündung der Blasenwand.

Im Gegensatz zu einer normalen Blasenentzündung lassen sich im Urin keine Erreger nachweisen. Trotzdem beeinträchtigen die Beschwerden das tägliche Leben oft erheblich – sowohl körperlich als auch psychisch.

Häufigkeit

Die Erkrankung betrifft überwiegend Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Sie ist selten und wird häufig erst spät erkannt, da andere Ursachen zunächst ausgeschlossen werden müssen.

Symptome: Woran lässt sich eine interstitielle Zystitis erkennen?

Typisch für eine interstitielle Zystitis sind:

  • Druckgefühl und Schmerzen im Blasenbereich, die bei zunehmender Blasenfüllung stärker werden
  • ständiger Harndrang, auch nachts (Nykturie): mitunter kommt es zu bis zu 60 Toilettengängen
  • Gefühl, die Harnblase nie ganz entleert zu haben
  • häufiges Wasserlassen mit geringen Urinmengen
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie)

Die Beschwerden können schubweise auftreten oder chronisch bestehen. Manche Betroffene erleben beschwerdefreie Intervalle, andere leiden dauerhaft unter Symptomen.

Begleiterkrankungen bei interstitieller Zystitis

Viele Betroffene haben zusätzlich andere chronische Beschwerden. Dazu zählen unter anderem:

Ursachen einer interstitiellen Zystitis sind unklar

Wie eine interstitielle Zystitis entsteht, ist bislang nicht abschließend geklärt. Es wird angenommen, dass mehrere Faktoren zusammenwirken:

  • Störungen der Blasenschleimhaut: Oft ist bei Betroffenen die schützende GAG-Schicht (Glykosaminoglykane) in der Harnblasenwand gestört. Dadurch können reizende Stoffe aus dem Urin in tiefere Gewebeschichten eindringen. Zusätzlich zeigen Untersuchungen, dass sich die Blasenzellen bei Patient*innen mit IC nicht normal erneuern und vermehrt absterben.

  • entzündliche Prozesse ohne Infektion: In Blasengewebe und Urin finden sich häufig entzündliche Botenstoffe, Immunzellen und Histamin – auch ohne bakterielle Ursache. Möglicherweise spielen dabei auch fehlgesteuerte Immunprozesse wie Autoimmunreaktionen eine Rolle.

  • überempfindliche Nervenbahnen: Viele Betroffene reagieren auf normale Füllreize der Blase überempfindlich. Schmerzreize werden schneller und intensiver wahrgenommen. Auch bestimmte Botenstoffe wie der Nervenwachstumsfaktor NGF sind im Urin häufig erhöht.

  • Störung der Blasendurchblutung: Eine verminderte Versorgung der Blasenschleimhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen kann das Gewebe schwächen und anfälliger für Reizungen machen.

  • Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Lebensmitteln: Einige Lebensmittel verschlimmern die Beschwerden, etwa Kaffee, Zitrusfrüchte, kohlensäurehaltige Getränke oder scharfe Gewürze. In manchen Fällen spielt eine Histaminintoleranz eine Rolle.

  • vorangegangene Infektionen: Frühere oder wiederholte Blasenentzündungen begünstigen das Entstehen einer interstitiellen Zystitis eventuell. 

  • Dysfunktion des Beckenbodens: Ein angespannter Beckenboden mit erhöhter Muskelspannung steht im Verdacht, die Beschwerden zu verstärken.

  • Einfluss anderer Organe: Reizungen und Schmerzen aus umliegenden Organen – etwa dem Darm oder der Gebärmutter – können über gemeinsame Nervenbahnen auf die Blase wirken (Cross-Talk-Phänomen).

  • psychische Belastungen und Begleiterkrankungen: Viele Betroffene leiden zusätzlich unter Erkrankungen wie Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie oder Depressionen. Auch Dauerstress, Angst oder traumatische Erfahrungen beeinflussen das Schmerzempfinden möglicherweise.

  • individuelle Veranlagung: Diskutiert werden außerdem genetische Faktoren oder hormonelle Einflüsse.

Therapie: Behandlung bei interstitieller Zystitis

Eine vollständige Heilung ist bei einer interstitiellen Zystitis bisher nicht möglich. Die Behandlung hat daher das Ziel, Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Häufig werden mehrere Maßnahmen miteinander kombiniert.

Nicht-medikamentöse Therapieoptionen

In der Regel beginnt die Behandlung mit sogenannten konservativen Verfahren:

  • Information und Aufklärung: Ein gutes Verständnis der Erkrankung kann helfen, besser mit den Beschwerden umzugehen.

  • Verhaltensänderungen und Selbstmanagement: Dazu gehört z. B. ein Ernährungstagebuch, um auslösende Lebensmittel zu erkennen und zu meiden. Auch raten Fachleute dazu, Stress zu reduzieren.

  • Beckenbodenphysiotherapie: Bei einem verspannten oder schmerzhaft reagierenden Beckenboden bietet sich eine gezielte physiotherapeutische Behandlung an. 

  • Blasentraining: Mit einem behutsam aufgebauten Blasentraining lässt sich die Kontrolle über den Harndrang verbessern. Gleichzeitig wird die Blasenkapazität langsam gesteigert, ohne die Blase zu überfordern.

Medikamentöse Therapie

Bessern sich die Beschwerden nicht und besteht weiterhin ein großer Leidensdruck, kommen verschiedene Medikamente infrage.

  • Schmerzmittel: Dazu gehören Arzneimittel wie Paracetamol, Ibuprofen oder in schwereren Fällen trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin), die auch bei chronischem Schmerzsyndrom wirken.

  • Antihistaminika: Sie schwächen die Wirkung von entzündungsfördernden Botenstoffen wie Histamin ab.

  • Pentosanpolysulfat-Natrium: Dieser Wirkstoff soll die schützende Schleimhautschicht der Blase stärken. In Deutschland ist er für die interstitielle Zystitis nicht zugelassen, kann aber im Rahmen einer individuellen Therapieentscheidung off-label verordnet werden.

  • Blasenspülungen: Direkt in die Blase eingebrachte Substanzen wie Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat oder Heparin können helfen, die Blasenschleimhaut zu stabilisieren. Die Spülungen erfolgen meist ambulant und in Serien.

Weitere Verfahren

Erzielen bisherige Therapiemaßnahmen keine ausreichende Wirkung, kommen in Einzelfällen weitere Verfahren zum Einsatz.

  • Hydrodistension: Eine Möglichkeit ist die sogenannte Hydrodistension, bei der die Blase unter Narkose vorsichtig gedehnt wird. Aufgrund möglicher Risiken wird die Methode jedoch eher zurückhaltend angewendet.

  • Nervenmodulation: In besonders schweren, therapieresistenten Fällen kommt eventuell eine Nervenmodulation zum Einsatz – etwa in Form der sakralen Neuromodulation. Dabei werden bestimmte Nerven elektrisch stimuliert, um die Blasenfunktion positiv zu beeinflussen.

  • Zystektomie: Eine (partielle) Entfernung der Blase kommt nur infrage, wenn unerträgliche Schmerzen bestehen und alle anderen Therapieoptionen nicht ansprechen.

Auch eine psychologische Unterstützung spielt bei chronischen Schmerzsyndromen eine wichtige Rolle. Eine psychotherapeutische Begleitung hilft vielen Menschen, besser mit der Erkrankung, ihren Auswirkungen auf den Alltag und dem seelischen Druck umzugehen.

Interstitielle Zystitis: So erfolgt die Diagnose

Die interstitielle Zystitis lässt sich nicht mit einem einzelnen Test feststellen. Stattdessen handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose: Zunächst müssen andere Ursachen wie bakterielle Infektionen, Tumoren oder gynäkologische Erkrankungen ausgeschlossen werden.

Typisch ist, dass die Beschwerden – etwa Schmerzen im Unterbauch und ständiger Harndrang – länger als sechs Wochen bestehen, ohne dass sich Erreger im Urin nachweisen lassen.

Um die Diagnose zu stellen, sind folgende Maßnahmen und Untersuchungen möglich:

  • Anamnese und Symptomfragebögen: Im ersten Schritt wird genau erhoben, seit wann und in welcher Form die Beschwerden auftreten. 

  • Urinuntersuchung: Eine Laboranalyse schließt bakterielle Infektionen oder andere Auffälligkeiten aus. Auch ein sogenannter Urinkulturtest kann notwendig sein.

  • Blasentagebuch (Miktionsprotokoll): Betroffene notieren über mehrere Tage, wie oft sie Wasser lassen, wie viel Urin dabei abgeht und wann Schmerzen auftreten. Das hilft, das Ausmaß der Beschwerden objektiv zu erfassen.

  • Sonographie (Ultraschall): Eine Ultraschalluntersuchung der Nieren, Harnleiter und Blase dient dazu, andere organische Ursachen wie Harnsteine oder Tumoren auszuschließen.

  • Zystoskopie mit Biopsie: Bei unklaren Fällen kann eine Blasenspiegelung mit Entnahme kleiner Gewebeproben notwendig sein. Dabei lassen sich typische Veränderungen wie sogenannte Hunner-Läsionen erkennen – entzündliche Stellen an der Blasenschleimhaut, die bei einer bestimmten Form der IC auftreten.

Diagnose häufig spät

Bis die Diagnose gestellt wird, vergehen im Schnitt mehrere Jahre. Studien zeigen, dass zwischen den ersten Symptomen und der endgültigen Diagnosestellung häufig vier bis sieben Jahre liegen. 

Interstitielle Zystitis: Verlauf und Prognose

Der Verlauf einer interstitiellen Zystitis ist individuell sehr unterschiedlich. Bei einigen Betroffenen treten die Beschwerden dauerhaft auf, bei anderen verstärken sie sich in Schüben oder wechseln sich mit beschwerdefreien Phasen ab.

Bleibt die Erkrankung unbehandelt, kann sich die Lebensqualität erheblich verschlechtern. Viele Betroffene entwickeln im Laufe der Zeit zusätzliche Probleme wie Erschöpfung, depressive Verstimmungen oder psychosomatische Beschwerden. Auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Einschränkungen im Berufsleben sind keine Seltenheit.

Eine vollständige Heilung ist nicht möglich. Wird die interstitielle Zystitis jedoch frühzeitig erkannt und konsequent behandelt, lässt sich der Krankheitsverlauf häufig günstig beeinflussen.

Studien zeigen, dass rund 90 Prozent der Betroffenen durch individuell angepasste Therapien eine deutliche Linderung der Beschwerden erreichen.