Eine Frau untersucht ihre Augen im Spiegel.
© Getty Images

Endokrine Orbitopathie

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 19.01.2022

Bei etwas mehr als der Hälfte der Menschen mit Morbus Basedow kommt es im Laufe der Erkrankung zu einer Beteiligung der Augen, einer sogenannten endokrinen Orbitopathie. In schweren Fällen können sich die Augen dabei merklich vorwölben und so zu weiteren Beschwerden führen. Meist verläuft die Augenbeteiligung jedoch mild. Erfahren Sie mehr über die Symptome und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Endokrine Orbitopathie

Die endokrine Orbitopathie (endokrine Ophthalmopathie) ist eine Erkrankung der Augenhöhlen. Sie kann im Rahmen eines Morbus Basedow auftreten – einer Schilddrüsenerkrankung, bei der meist es zu einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) kommt.

Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, das Immunsystem reagiert fälschlicherweise auf körpereigenes Gewebe. Die Immunabwehr greift bei den Betroffenen irrtümlich Strukturen der eigenen Schilddrüse an, weil sie diese für fremd hält. Dazu bildet sie Antikörper gegen sogenannte TSH-Rezeptoren. Das sind bestimmte Eiweiße, die auf den Zellen der Schilddrüse vorkommen. Docken die Antikörper dort an, löst das Entzündungsreaktionen am Organ aus.

Eine endokrine Orbitopathie entsteht durch dieselben Antikörper, die auch gegen die Schilddrüse gerichtet sind. Denn Rezeptoren dafür finden sich nicht nur auf den Zellen der Schilddrüse, sondern auch im Muskel- und Fettgewebe der Augenhöhle. Als Folge kommt es dort zu Entzündungsprozessen, die Schwellungen in der Augenhöhle hervorrufen.

Das verursacht letztlich die typischen Augenbeschwerden im Rahmen eines Morbus Basedow und kann sich unter Umständen auf das Aussehen der Augen auswirken: Bei manchen Betroffenen drückt die Schwellung im Laufe der Erkrankung die Augen etwas aus den Augenhöhlen hervor.

In der Regel betreffen die entzündlichen Prozesse im Rahmen einer endokrinen Orbitopathie beide Augen. Die Augen können sich allerdings unterschiedlich stark vorwölben. Nur bei etwa einem von zehn Betroffenen tritt die Augenveränderung einseitig auf.

Eine endokrine Orbitopathie betrifft Frauen häufiger als Männer: Frauen erkranken daran rund dreimal so oft.

Endokrine Orbitopathie: Symptome

Eine endokrine Orbitopathie (endokrine Ophthalmopathie) entwickelt sich bei etwas mehr als jedem zweiten Menschen mit Morbus Basedow. Die Beteiligung der Augen tritt dabei oft begleitend zur Basedow-Erkrankung auf, kann jedoch auch bereits einige Zeit davor oder danach beginnen.

Bei einer endokrinen Orbitopathie verändert sich das um den Augapfel herum gelegene Gewebe. Das kann auch das Aussehen der Betroffenen beeinflussen. Die Augäpfel treten möglicherweise etwas aus den Augenhöhlen hervor (sog. Exophthalmus) und wirken dadurch größer. Die Augen können zum Teil auch schlechter geschlossen werden. In der Regel treten die Veränderungen an beiden Augen auf, wenn auch manchmal unterschiedlich stark.

Dazu können weitere Augenbeschwerden kommen. Diese entstehen zum Teil durch die sich vorwölbenden Augen und die in der Folge nicht richtig schließenden Augenlider, aber auch durch die Schwellungen hinter dem Auge. Eine endokrine Orbitopathie äußert sich typischerweise durch folgende Symptome:

  • verstärkter Tränenfluss
  • trockene, gereizte Augen
  • Fremdkörpergefühl im Auge (Gefühl von Sand im Auge)
  • seltener Lidschlag
  • Druck oder Schmerzen im bzw. hinter dem Auge
  • Schmerzen beim Bewegen der Augen
  • geschwollene Augenlider
  • gerötete, entzündete Augen
  • Schwellung der Tränenpünktchen im inneren Lidwinkel
  • Lichtempfindlichkeit
  • Doppelbilder
  • Probleme mit den Augenmuskeln, starrer Blick
  • selten: Hornhautgeschwür (Ulcus corneae)
  • selten: verschwommene Sicht, verminderte Sehkraft

In den meisten Fällen handelt es sich jedoch nur um eine milde Form der endokrinen Orbitopathie, die kaum ausgeprägte Symptome zeigt. Nur bei etwa jedem Dritten Basedow-Patienten treten die Augen merklich hervor.

Endokrine Orbitopathie: Diagnose

Ist bereits ein Morbus Basedow bekannt, genügt für die Diagnose einer endokrinen Orbitopathie (endokrinen Ophthalmopathie) in der Regel eine Augenuntersuchung.

Falls beim Betroffenen bislang kein Morbus Basedow bekannt ist, untersucht der Arzt die Augen und prüft zudem, ob die Schilddrüse vergrößert ist. Dazu wird er die Vorderseite des Halses abtasten und gegebenenfalls eine Ultraschalluntersuchung vornehmen.

Um festzustellen, ob eine Schilddrüsenüberfunktion vorliegt, bestimmt man aus einer Blutprobe die Schilddrüsenwerte (wie z. B. den TSH-Wert). Dabei wird in der Regel auch geprüft, ob Schilddrüsen-Antikörper wie TRAK oder TPO-AK im Blut vorkommen. Diese sind typisch für Morbus Basedow.

Gegebenenfalls veranlasst der Arzt weitere Untersuchungen der Augenhöhle wie eine

Endokrine Orbitopathie: Therapie

Um eine endokrine Orbitopathie (endokrine Ophthalmopathie) im Rahmen eines Morbus Basedow zu behandeln, versucht man als Erstes die Produktion der Schilddrüsenhormone zu normalisieren. Hierfür nutzt man in der Regel zuerst Medikamente mit schilddrüsenhemmenden Wirkstoffen (sog. Thyreostatika).

Daneben gibt es weitere Therapie-Möglichkeiten, abhängig davon, ob es sich um eine leichte oder schwere Form der Augenbeteiligung handelt. Da eine endokrine Orbitopathie überwiegend mild ausfällt, erfordert sie normalerweise keine operativen Eingriffe.

Endokrine Orbitopathie: Allgemeine Maßnahmen

Verschiedenen Maßnahmen können allgemein dazu beitragen, die Beschwerden im Rahmen einer (leichten oder schweren) endokrinen Orbitopathie zu lindern.

Rauchen aufgeben

Um eine endokrine Orbitopathie nicht zu verschlimmern, sollten Betroffene unbedingt auf das Rauchen verzichten. Denn Rauchen verstärkt die Entzündungsprozesse im Auge. Das wiederum kann die Symptome verstärken und den Therapie-Verlauf ungünstig beeinflussen.

Bei erblich vorbelasteten Personen kann Rauchen zudem Auslöser für eine endokrine Orbitopathie sein. Das Risiko, daran zu erkranken, ist bei rauchenden Basedow-Patienten um das Achtfache erhöht.

Selen

Bei leichten Fällen von endokriner Orbitopathie wirkt sich die Einnahme von Selen möglicherweise positiv aus und kann das Fortschreiten der Augenbeteiligung unter Umständen verlangsamen. Empfehlungen zufolge sollten Betroffene hierfür mindestens sechs Monate lang täglich 200 Mikrogramm (µg) Selen einnehmen.

Tränenersatzmittel

Wenn die Augenlider durch hervortretende Augen nicht richtig schließen, kann es zu Beschwerden durch trockene Augen kommen. Hier können Tränenersatzmittel (künstliche Tränen) helfen, das Auge feucht zu halten. Bei schlecht schließenden Augenlidern ist nachts ein feuchtigkeitsspendendes Gel für die Augen (z. B. mit Dexpanthenol) sinnvoll.

Sonnenbrille, getönte Gläser

Bei endokriner Orbitopathie reagieren die Augen empfindlich auf Licht. Empfehlenswert ist deshalb der Gebrauch einer Sonnenbrille oder einer Brille mit getönten Gläsern. Ideal sind hierbei Brillen, die einen Seitenschutz haben und so Wind abhalten. Denn häufig sind die Augen auch sehr windempfindlich. Brillen mit getönten Gläsern sind bei Morbus Basedow verordnungsfähig.

Kopf hochlagern

Lagern Sie im Bett den Kopf höher als den Rest des Körpers. Dadurch sammelt sich weniger Flüssigkeit in den Augenlidern und im Gewebe hinter den Augen. Das kann den Druck auf den Augapfel etwas verringern.

Augenkompressen

Kühle Augenkompressen empfinden viele Menschen mit endokriner Orbitopathie als angenehm. Diese lindern vor allem Schwellungen der Augenlider.

Prismenfolie

Die endokrine Orbitopathie kann die Augenmuskeln beeinflussen und dadurch zu Doppelbildern führen. Übergangsweise kann hier Prismenfolie Abhilfe schaffen, die man auf die Brillengläser klebt. Bestehen die Doppelbilder dauerhaft, sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden.

Schwere endokrine Orbitopathie: Behandlung

In schweren Fällen von endokriner Orbitopathie gibt es folgende Therapie-Optionen:

  • Behandlung mit Glukokortikoiden
  • operative Druckentlastung des Sehnervs (orbitale Dekompression)
  • Operation der Augenlider
  • Operation der Augenmuskeln
  • Bestrahlung der Augenhöhlen (Retrobulbärbestrahlung; heute eher unüblich)

Glukokortikoide

Die Vorwölbung der Augäpfel im Rahmen einer endokrinen Orbitopathie entsteht vor allem durch entzündliche Immunreaktionen, die das Gewebe in der Augenhöhle anschwellen lassen und dadurch den Augapfel nach vorne schieben. Entzündungshemmende Wirkstoffe aus der Gruppe der Glukokortikoide (wie z. B. Prednisolon), können die Schwellung verringern und die Vorwölbung des Augapfels zurückgehen lassen.

Operative Druckentlastung des Sehnervs (orbitale Dekompression)

Die Schwellung im Gewebe der Augenhöhle kann nicht nur den Augapfel nach vorne schieben, sondern unter Umständen auch den Sehnerv quetschen (Sehnerv-Kompression). Das kann den Sehnerv und damit das Sehvermögen gefährden.

Um den Sehnerv zu entlasten, kann man operativ den Knochen von der Augenhöhle zur Nasennebenhöhle hin durchbrechen. So kann sich das geschwollene Gewebe nach hinten in die Nasennebenhöhle ausbreiten und drückt nicht mehr so sehr auf Augapfel und Sehnerv.

Solch eine Operation kann ebenfalls ratsam sein, wenn der Augapfel so weit vortritt, dass die Hornhaut des Auges möglicherweise Schaden nimmt, weil die Augenlider nicht richtig schließen.

Operation der Augenlider

Durch eine endokrine Orbitopathie ist in manchen Fällen das Augenlid ungünstig in der Form verändert oder zu kurz, um einen normalen Lidschluss zu ermöglichen. Oder die Augenlider schwellen an und erschweren das Schließen der Lider.

In beiden Fällen ist eine operative Korrektur der Augenlider möglich, bei der entweder das Augenlid angepasst oder – bei geschwollenen Lidern – Fettgewebe entnommen wird. Operative Eingriffe dieser Art sind möglich, wenn keine akuten Entzündungsreaktionen mehr vorliegen.

Operation der Augenmuskeln

Die Entzündungsreaktionen im Rahmen einer endokrinen Orbitopathie können die Augenmuskeln ungünstig beeinflussen, sodass die Betroffenen die Augen nicht richtig ausrichten können. Als Folge können Doppelbilder entstehen.

In diesem Fall lassen sich nach Abklingen der Entzündungen die Augenmuskeln operativ korrigieren. Hierfür versetzt der Operateur die Augenmuskeln am Augapfel ein Stück weiter nach hinten.

Bestrahlung der Augenhöhlen (Retrobulbärbestrahlung)

Die Bestrahlung der Augenhöhlen (Retrobulbärbestrahlung) war eine gängige Methode zur Behandlung der endokrinen Orbitopathie. Dabei wurde das Gewebe der Augenhöhle (Orbita), also der Bereich hinter dem Auge, von den Schläfen aus mit Röntgenstrahlen bestrahlt.

Die Bestrahlung sollte entzündliche Prozesse in den Augenmuskeln hemmen und dadurch Schwellungen zurückgehen lassen, damit der Augapfel wieder tiefer in der Augenhöhle sitzen kann. Studien zeigten jedoch, dass die Retrobulbärbestrahlung kaum Einfluss auf die endokrine Orbitopathie hat. Die Methode wird heute deshalb nur noch selten durchgeführt.