Mädchen hält sich das Ohr
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Cholesteatom

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 27.05.2020

Ständige Ohrenentzündungen, Schmerzen, schlechtes Hörvermögen, ein Druckgefühl auf dem Ohr und Ausfluss aus dem Gehörgang – treten diese für eine Mittelohrentzündung typischen Symptome immer wieder auf, kann eine Perlgeschwulst (Cholesteatom) dahinterstecken. Bei dieser besonderen Form der chronischen Mittelohrentzündung sammelt sich Hautgewebe aus dem Gehörgang im Mittelohr an. Abhilfe schafft meist nur eine Operation.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Cholesteatom

Beim gesunden Ohr ist der äußere Gehörgang mit Hautzellen ausgekleidet. Das Mittelohr ist mit Schleimhautzellen bedeckt. Zwischen dem äußeren Gehörgang und dem Mittelohr befindet sich eine dünne Membran, die beide Bereiche voneinander trennt: das Trommelfell. Ist es beschädigt, können Hautzellen des Gehörgangs in das Mittelohr hineinwachsen und sich dort ausbreiten. Dabei entsteht durch zwiebelschalenartige Wucherungen das Cholesteatom. Diese Wucherungen sind gutartig und haben mit Krebs nichts zu tun. Allerdings können sich an dieser Stelle Bakterien besonders gut vermehren, sodass sich eine chronische Entzündung bilden kann.

Dabei können auch die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) im Mittelohr Schaden nehmen. Diese leiten die Schwingungen von außen zum Innenohr weiter und sind wichtig für das Gehör. Können Sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen, können die Betroffenen schwerhörig werden. Es ist deshalb wichtig, ein Cholesteatom rechtzeitig zu behandeln. Bleibt es unbehandelt, drohen neben Schwerhörigkeit im Extremfall Komplikationen wie eine Blutvergiftung (Sepsis), ein Hirnabszess oder eine Gehirnhautentzündung (Meningitis).

Im Durchschnitt erkranken 9 von 100.000 Personen pro Jahr an einem Cholesteatom. Im Alter von 5 bis 15 Jahren kommt es besonders häufig vor.

Cholesteatom: Symptome

Ein Cholesteatom kann völlig unbemerkt entstehen. Erst, wenn es sich entzündet, treten Symptome auf, die denen einer Mittelohrentzündung ähneln. Mögliche Symptome sind:

  • übelriechendes Sekret und/oder Eiter, die aus dem Ohr abfließen
  • Druck auf dem Ohr
  • Schwerhörigkeit auf dem betroffenen Ohr
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • manchmal Fieber

Wann zum Arzt?

Zum Arzt gehen sollten Sie mit den oben genannten Symptomen immer. Akute medizinische Hilfe brauchen Sie, wenn Sie starke Kopf- oder Nackenschmerzen haben, da dies ein Hinweis auf eine Gehirnhautentzündung sein könnte. In schweren Fällen können außerdem die Gesichtsnerven in Mitleidenschaft gezogen sein. Dann kann es zu Taubheitsgefühlen im Gesicht oder hängenden Mundwinkeln kommen. Auch bei solchen Lähmungserscheinungen im Gesicht sollten Sie sofort einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen.

Cholesteatom: Ursachen

Es gibt angeborene und erworbene Cholesteatome.

  • Angeborene Cholesteatome sind sehr selten. Sie entstehen, wenn während der Entwicklung des Embryos Reste von Hautzellen im Mittelohr verbleiben. Das Trommelfell ist in diesem Fall nicht beschädigt.
  • Bei erworbenen Cholesteatomen gelangen die Hautzellen erst später ins Mittelohr. Ärzte unterscheiden dabei zwischen dem primären und dem sekundären Cholesteatom.

Primäres Cholesteatom

Am häufigsten entwickelt sich ein Cholesteatom primär aus einer sogenannten Retraktionstasche. Diese kann entstehen, wenn das Mittelohr nicht mehr richtig belüftet wird. Das Mittelohr ist durch die Ohrtrompete mit dem Rachenraum verbunden. Durch diese Art Tunnel wird es belüftet, was sehr wichtig für die Gesundheit des Mittelohrs ist. Ist die Ohrtrompete jedoch verstopft, entsteht ein Unterdruck. Durch den permanenten Unterdruck kann das Trommelfell reißen und/oder sich einziehen. Dabei entsteht die Retraktionstasche. In ihr sammeln sich Hautreste. Im Laufe der Zeit entwickelt sich daraus ein Cholesteatom. Bakterien können sich darin gut vermehren und es entsteht eine Entzündung.

Die Entzündung führt zu einer erhöhten Sekretproduktion, sodass Sekret und Eiter durch das gerissene Trommelfell aus dem Ohr abfließen. Aufgrund des verletzten Trommelfells und der geschädigten Gehörknöchelchen ist das Hörvermögen auf dem betroffenen Ohr vermindert.

Sekundäres Cholesteatom

Beim sekundären Cholesteatom ist das Trommelfell bereits vorher beschädigt, zum Beispiel aufgrund von wiederholten Mittelohrentzündungen. Durch das Loch können Hautzellen und Bakterien ins Mittelohr eindringen.

Cholesteatom: Diagnose

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt wird den Betroffenen zunächst nach den Symptomen fragen. Mit einer Ohrenspiegelung kann er sehen, ob das Trommelfell beschädigt und das Mittelohr entzündet sind. Mit dem Ohrmikroskop kann er häufig bereits die Retraktionstasche erkennen, in der sich weißlich-gelbes Keratin angesammelt hat. Keratin ist ein Eiweiß, das unter anderem in Hautzellen enthalten ist. Das Cholesteatom sieht deshalb aus wie eine weißgelbe Kruste.

Schwieriger ist es, wenn das Ohr akut entzündet ist und nässt. Dann muss der Arzt unter Umständen erst das Sekret aus dem Gehörgang absaugen. Bei Kindern gelingt das häufig nur unter Narkose.

Mit speziellen Tests kann der Arzt außerdem Hörvermögen und Gleichgewichtssinn prüfen. Mit einer Computertomographie (CT) kann er feststellen, wo genau sich die Wucherung befindet und ob die Gehörknöchelchen bereits in Mitleidenschaft gezogen ist.

Manchmal ist ein Cholesteatom ohne Operationsmikroskop nur schwer nachzuweisen.

Cholesteatom: Behandlung

Als erste Maßnahme kann der Arzt den Gehörgang reinigen und lokal ein Antibiotikum auftragen oder ein Antibiotikum zum Einnehmen verschreiben.

Fast immer ist bei einem Cholesteatom jedoch eine Operation nötig, um den Entzündungsherd zu beseitigen und das Hörvermögen wiederherzustellen oder zu erhalten. In der Regel findet die Operation unter Narkose statt und der Patient muss dafür stationär in eine Klinik aufgenommen werden. Bei der Operation darf das Ohr nicht entzündet sein. Daher muss der Patient vor der Operation mit einem Antibiotikum behandelt werden.

Trommelfell und / oder Gehörknöchelchenkette werden mit einer sogenannten Tympanoplastik wiederhergestellt. Dabei arbeitet der Chirurg mit sehr filigranen Instrumenten unter einem Ohrmikroskop. Mit Knochenprothesen kann er zerstörtes Knochengewebe ersetzen. Gleichzeitig entfernt er bei dem Eingriff das Cholesteatom. In etwa 70 bis 90 Prozent der Fälle ist die Rekonstruktion von Trommelfell und Gehörknöchelchen erfolgreich und das Hörvermögen kann erhalten werden oder der Patient kann sogar wieder besser hören.

Wenn der Arzt nicht sicher ist, dass er das Cholesteatom vollständig entfernen konnte, ist in ein bis zwei Jahren eine Kontrolloperation notwendig.

Es besteht jedoch immer die Möglichkeit, dass sich erneut ein Cholesteatom bildet. Aus diesem Grund müssen die Patienten auch nach einer erfolgreichen Operation mindestens einmal im Jahr zur Kontrolle zum Hals-Nasen-Ohrenarzt gehen.

Bei einem Cholesteatom gibt es generell zwei Operationstechniken: Die geschlossene und die offene Technik.

Operation des Cholestestatoms: Die geschlossene Technik

Häufiger verwendet wird die geschlossene Technik. Dabei entfernt der Chirurg das Cholesteatom über zwei Wege. Und zwar einmal vom Warzenfortsatz aus, der sich neben dem Mittelohr befindet und zusätzlich vom Gehörgang aus. Bei dieser Technik bleibt die hintere Gehörgangswand erhalten oder der Arzt rekonstruiert sie mit Knorpelgewebe. Der Vorteil bei dieser Technik ist, dass das Ohr seine ursprüngliche Struktur behält. Allerdings ist die Gefahr, dass sich erneut ein Cholesteatom bildet, größer als bei der offenen Technik.

Operation des Cholestestatoms: Die offene Technik

Bei einer offenen Technik wird die hintere Gehörgangswand komplett entfernt. Es bildet sich eine sogenannte Radikalhöhle. Diese kann anschließend gut kontrolliert werden. Diese Technik kommt zum Einsatz, wenn das Cholesteatom sich weit ausgebreitet hat und/oder der Patient in einem schlechten Allgemeinzustand ist, sodass eine zweite Operation unbedingt vermieden werden soll.

Das Risiko, dass sich erneut ein Cholesteatom bildet, ist gering. Allerdings muss diese offene Höhle anschließend ein Leben lang vom HNO-Arzt kontrolliert und gereinigt werden. Außerdem muss der Patient mit einer solchen Radikalhöhle immer darauf achten, dass kein Wasser in das Ohr eindringt. Sonst kann sich der Bereich im Ohr entzünden. Darüber hinaus kann eine Radikalhöhle zu Schwindelbeschwerden im Wasser führen.

Manchmal ist das Hörvermögen nach Anlegen einer Radikalhöhle auch etwas schlechter, als wenn mit der geschlossenen Technik operiert wurde.

Was können Sie selbst tun?

Sie sollten beim ersten Auftreten der Symptome auf jeden Fall zum Arzt gehen. Dennoch gibt es einige Dinge, auf die Sie achten sollten, wenn Sie ein Cholesteatom oder Schmerzen in den Ohren haben:

  • Vermeiden Sie, dass beim Schwimmen oder Duschen Wasser ins Ohr kommt.
  • Benutzen Sie keine Wattestäbchen im Gehörgang.
  • Stochern Sie nicht im Ohr.