Ein Kinderarzt tastet die Beckenregion eines Jungen ab.
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Morbus Perthes

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 21.09.2020

Morbus Perthes ist eine relativ häufige Hüfterkrankung, die meist zwischen dem 3. und 12. Lebensjahr auftritt. Bei dieser Erkrankung ist das Knochengewebe im Bereich des Hüftkopfs nicht mehr ausreichend durchblutet. Je früher Morbus Perthes behandelt wird, desto besser ist die Prognose!

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Morbus Perthes: Häufige Hüfterkrankung bei Kindern

Wenn ein Kind bei körperlicher Aktivität anfängt zu hinken und ihm Hüfte, Knie oder Oberschenkel wehtun, könnte das ein Hinweis auf Morbus Perthes sein. Morbus Perthes entsteht während des kindlichen Wachstums. Weil das Knochengewebes nicht mehr richtig durchblutet ist, sterben Teile des Hüftkopfs ab (sog. Hüftkopfnekrose). Der Bewegungsradius der Hüfte ist dadurch meist eingeschränkt.

Mit der Zeit bildet sich wieder neue Knochensubstanz – dabei ist Geduld gefragt, denn dieser Prozess kann einige Monate bis mehrere Jahre dauern. Während dieser Regenerationsphase ist der Hüftkopf nicht voll belastbar und weniger stabil, sodass er sich verformen kann. Da die Gefahr besteht, dass das Hüftgelenk dauerhaft Schaden nimmt, ist eine frühzeitige Therapie besonders wichtig.

Der Verlauf von Morbus Perthes hängt von vielen Faktoren ab, so unter anderem vom Alter des Kindes, aber auch davon, wie viel Gewebe abgestorben ist und wie stark die Bewegungseinschränkung ist. Während Morbus Perthes bei vielen Kindern ohne Folgen ausheilt, bleibt bei anderen der Hüftkopf verformt, was körperliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann – zum Beispiel einen vorzeitigen Gelenkverschleiß der Hüfte. Um dies zu verhindern, ist manchmal eine Operation vonnöten, in welcher der Chirurg die Fehlstellung korrigiert.

Benannt nach einem Arzt

Morbus Perthes (lat. morbus = Krankheit) wurde nach dem deutschen Chirurgen Georg Clemens Perthes benannt, der die Erkrankung Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte. Morbus Perthes ist auch unter dem Begriff Perthes-Calvé-Legg-Krankheit beziehungsweise Morbus Legg-Calvé-Perthes bekannt, da zwei weitere Forscher etwa zeitgleich mit dem Deutschen die Krankheit beschrieben: Jacques Calvé, ein französischer Orthopäde, und Arthur T. Legg, ein Chirurg aus Amerika. Manchmal bezeichnen Mediziner Morbus Perthes auch als "idiopathische kindliche Hüftkopfnekrose" (idiopathisch = ohne erkennbare Ursache) beziehungsweise "juvenile Hüftkopfnekrose" (juvenil = jugendlich).

Was ist Morbus Perthes?

Morbus Perthes ist eine Knochenerkrankung im Bereich des Hüftgelenks, die mit Veränderungen der Knochenbestandteile (sog. Osteochondrose) einhergeht. Die Erkrankung tritt während der kindlichen Wachstumsphase auf.

Bei Morbus Perthes ist der noch im Wachstum befindliche Hüftkopf (auch: Oberschenkelkopf, Femurkopf) des Kindeszu schlecht durchblutet. Die Folge der mangelnden Durchblutung: Teile des Knochengewebes am Hüftkopf werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt – sie sterben ab. Das Absterben von Gewebe bezeichnen Mediziner auch als Nekrose – daher handelt es sich bei Morbus Perthes um eine Hüftkopfnekrose.

Das abgestorbene Gewebe baut der Körper ab und ersetzt es vorläufig durch Bindegewebe, bis sich neue, gesunde Knochensubstanz gebildet hat.

Während dieses Prozesses, der einige Monate bis mehrere Jahre dauern kann, ist das Hüftgelenk nicht voll belastbar. Der Hüftkopf ist vorübergehend weicher als normal – und kann sich dauerhaft verformen (Deformierung). Damit keine bleibenden Schäden an Knochen und Gelenken entstehen, ist es besonders wichtig, durch die frühzeitige Therapie eine Deformierung zu verhindern.

Mediziner unterscheiden mehrere Stadien der Erkrankung:

  1. Initialstadium: Durch die verminderte Durchblutung verzögert sich das Wachstum im Hüftkopfkern. Der Gelenkspalt zwischen Hüftkopf und Gelenkpfanne erscheint im Röntgenbild verbreitert.
  2. Kondensationsstadium: Knochengewebe des Hüftkopfs stirbt ab. Der Körper beginnt mit ersten "Reparaturprozessen", bei denen sich der Knochen verdichtet. Es bilden sich feine Risse und Brüche im Gewebe (Mikrofrakturen). Das Kondensationsstadium dauert etwa 6 bis 12 Monate.
  3. Fragmentationsstadium: Teile des Hüftkopfes zerfallen, der Hüftkopf flacht ab und kann aus der Gelenkpfanne herausragen. Diese Phase hält etwa 1,5 bis 2 Jahre an.
  4. Reparationsstadium: Der Hüftkopf baut sich wieder auf.
  5. Ausheilungsstadium: Der Hüftkopf ist wieder vollständig aufgebaut – entweder mit oder ohne Deformierung.

Bis zum Ausheilungsstadium ist der Hüftkopf nicht voll belastbar.

Häufigkeit

Morbus Perthes ist eine relativ häufige Hüfterkrankung bei Kindern. Die Diagnose stellt der Arzt in der Regel bei Kindern zwischen 3 und 12 Jahren, die meisten von ihnen sind etwa 5 bis 6 Jahre alt.

Schätzungen zufolge ist etwa eines von 1.200 Kindern von Morbus Perthes betroffen, wobei die Angaben zur Häufigkeit je nach Literatur voneinander abweichen.

Die kleinen Patienten sind vorwiegend Jungen: Sie erkranken viermal häufiger als Mädchen. Zudem betrifft Morbus Perthes insbesondere Kinder aus der weißen Bevölkerung.

Was sind die Ursachen?

Bislang sind die Ursachen von Morbus Perthes nicht bekannt. Die Durchblutung des Hüftkopfes ist bei Kindern mit Morbus Perthes krankhaft vermindert. Es sind im Wesentlichen nur zwei Blutgefäße, die den menschlichen Hüftkopf mit Nähstoffen und Sauerstoff versorgen – eine verminderte Durchblutung kann also rasch entstehen, wenn eines der Gefäße seine Aufgabe nicht richtig erfüllen kann. Wie die krankhafte Minderdurchblutung zustande kommt, konnten Wissenschaftler bislang nicht eindeutig aufklären.

Man vermutet, dass mehrere Einflüsse eine Rolle bei der Entstehung spielen – unter anderem auch genetische Faktoren.

Forscher diskutieren verschiedene Theorien darüber, wie Morbus Perthes entstehen könnte. So führen möglicherweise Gefäßanomalien dazu, dass die Durchblutung des Hüftkopfs vermindert ist (sog. Gefäßtheorie). Aber auch eine erhöhte Zähflüssigkeit des Blutes (Blutviskosität) könnte die Durchblutung stören.

Bei vielen Kindern mit Morbus Perthes ist die Skelettentwicklung im Vergleich zu ihren Altersgenossen vorübergehend verzögert, Wirbelsäule und untere Extremität sind in dieser Zeit nicht im richtigen Verhältnis proportioniert. Dies kann dazu führen, dass Blutgefäße eingeengt und behindert werden. Möglicherweise tragen wiederholte kleinste Verletzungen (Mikrotraumen) dazu bei.

Symptome

Bei Morbus Perthes können die Symptome von Kind zu Kind unterschiedlich sein.

Häufig bemerkt ein Elternteil, dass sein Sprössling eine Schonhaltung einnimmt – so hinkt das Kind beispielsweise, um ein Bein zu entlasten. Auch ermüden betroffene Kinder relativ schnell beim Gehen und sind nicht mehr so körperlich aktiv wie gewohnt. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt.

Während einige Kinder bei körperlicher Aktivität Schmerzen in der Hüfte haben, klagen andere über Schmerzen in Knie oder Oberschenkel. Manche Kinder sind hingegen schmerzfrei.

Obwohl bei Morbus Perthes der Hüftkopf betroffen ist, haben viele Kinder keine Schmerzen in der Hüfte, sondern in Knie oder Oberschenkel.

In etwa 10 bis 20 Prozent der Fälle tritt der Morbus Perthes beidseitig auf, also sowohl am linken als auch am rechten Hüftkopf.

Diagnose

Insbesondere bei leichten Verlaufsformen von Morbus Perthes ist es nicht immer leicht, die Diagnose zu stellen: Manchmal kann der Kinderarzt während der Untersuchung zunächst keine Auffälligkeiten feststellen, obwohl ein Kind erkrankt ist.

Zunächst prüft der Kinderarzt, wie beweglich die Hüfte des Kindes ist. Ist die Beweglichkeit eingeschränkt, kann dies ein erster Hinweis auf Morbus Perthes sein.

Eine einfache Untersuchungsmethode, bei der die Beweglichkeit des Hüftgelenks getestet wird, ist das sogenannte Viererzeichen: Der kleine Patient legt sich dabei auf den Boden und soll ein Bein um etwa 45 Grad beugen sowie gleichzeitig das Kniegelenk um 90 Grad abspreizen – so, dass die Außenseite des Knies den Boden berührt. Von oben betrachtet wird bei gesunden Menschen eine liegende "4" beschrieben. Bei Morbus Perthes sind die Kinder nicht in der Lage, diese Position nachzustellen.

Meist kann der Arzt die Veränderungen des Hüftkopfs in einem Röntgenbild gut erkennen. Auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann dem Mediziner helfen, die Diagnose zu sichern, insbesondere, wenn sich die Erkrankung noch im Frühstadium befindet und das Röntgenbild noch keine Auffälligkeiten zeigt. Die MRT gibt zudem Aufschluss darüber, wie groß der Bereich mit abgestorbenem Gewebe bereits ist. Zusätzlich kann eine Ultraschalluntersuchung hilfreich sein.

Therapie bei Morbus Perthes

Morbus Perthes bedarf meist einer speziellen Therapie. Ohne Behandlung können bleibende Schäden im Bereich des Hüftgelenks die Folge sein. Je früher Morbus Perthes behandelt wird, desto besser ist auch die Prognose.

Solange das abgestorbene Knochengewebe am Hüftkopf nicht vollständig erneuert ist, ist das Hüftgelenk relativ weich und kann sich verformen. Daher ist es wichtig, die Hüfte in dieser Zeit nicht zu sehr zu belasten, um bleibende Schäden zu vermeiden. Wie lange es dauert, bis die Erkrankung ausgeheilt ist, ist sehr unterschiedlich.

Ziel der Behandlung ist es, eine Deformierung des Hüftkopfs zu verhindern, solange der Hüftbereich nicht voll belastbar ist. Wenn sich der Hüftkopf bereits verformt hat, ist es das Ziel, die Gelenke operativ wieder in die richtige Position zueinander zu stellen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Therapie. Welche Behandlungsmethode infrage kommt, richtet sich unter anderem nach

  • dem Alter des Kindes
  • dem Ausmaß der Gewebeveränderungen und
  • der Beweglichkeit des Gelenks / der Bewegungseinschränkung,

Konservative Therapie

In manchen, leichten Fällen reicht es aus, den Verlauf der Erkrankung zu beobachten und das Gelenk zu schonen. Das Hüftgelenk darf jedoch in seiner Beweglichkeit nicht eingeschränkt sein. Entscheidet sich der Arzt für eine beobachtende Therapie, muss er den Zustand der Hüfte regelmäßig kontrollieren. Zudem muss das Kind Sprungbelastung vermeiden. Diese Therapiemöglichkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Erkrankung vor dem fünften Lebensjahr eingesetzt hat.

Bei älteren Kindern ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Hüftkopf verformt, größer – bedingt durch ein höheres Körpergewicht und zunehmende Aktivität. Um das Hüftgelenk zu entlasten, kann das Kind beispielsweise Gehstützen verwenden, bis der Heilungsprozess beendet ist.

Krankengymnastik kann die meist eingeschränkte Beweglichkeit der Hüfte wieder verbessern – zu Hause sollte das Kind unter Anleitung der Eltern täglich entsprechende physiotherapeutische Übungen durchführen. Eher selten kommen Entlastungsorthesen zum Einsatz. Gips wird in den meisten Fällen nicht mehr empfohlen, da die langwierige Ruhigstellung zum Beispiel zu Muskelschwund führen kann. Sportarten wie Schwimmen und Radfahren – in Maßen betrieben und nach Absprache mit dem Arzt – wirken sich gegebenenfalls positiv auf den Verlauf aus.

Vorübergehend können Wirkstoffe wie Paracetamol oder Ibuprofen hilfreich sein, um Schmerzen zu lindern.

Operative Therapie

Hat die konservative Therapie keinen Erfolg gebracht oder hat sich der Hüftkopf verformt, ist oft ein operativer Eingriff erforderlich. Normalerweise sollten die Gelenkflächen optimal zueinander ausgerichtet sein – wenn diese sogenannte Gelenkkongruenz nicht mehr gegeben ist, muss diese Fehlstellung behoben werden.

Mithilfe der Umstellungsosteotomie stellt der Chirurg das anatomische Gleichgewicht wieder her. Bei einer Umstellungsosteotomie entnimmt der Chirurg entweder keilförmige Knochenteile (zuklappende oder subtraktive Osteotomie) oder aber er spreizt den Knochen auf (aufklappende oder additive Osteotomie). Nach der OP darf das Bein für mehrere Wochen nicht voll belastet werden. Kleine Kinder bekommen häufig einen Gipsverband.

Verlauf & Vorbeugen

Verlauf

Bei Morbus Perthes kann der Verlauf von Fall zu Fall ganz unterschiedlich sein. Während es bei manchen Kindern einige Monate dauert, bis die Erkrankung ausgeheilt ist, können bei anderen Patienten mehr als fünf Jahre vergehen, bis das Hüftgelenk wieder voll belastet werden kann. Dauer und Verlauf hängen unter anderem von der Ausdehnung und dem Schweregrad ab.

Mit der frühzeitigen Therapie steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass das zerstörte Knochengewebe ohne Folgen wieder abheilt. Es können jedoch auch bleibende Veränderungen in der Hüfte zurückbleiben, sodass die Gelenke und die Skelettfunktion in Mitleidenschaft gezogen werden.

Generell gilt: Je jünger das Kind zu Beginn der Behandlung ist, desto günstiger die Prognose.

Die Prognose bei Morbus Perthes ist von mehreren Faktoren abhängig, so etwa davon,

  • wie alt das Kind ist: Je jünger das Kind, desto günstiger,
  • wie groß der Bereich mit abgestorbenem Gewebe ist,
  • wie sehr die Bewegung des Hüftgelenks eingeschränkt ist und
  • in welcher Form der Hüftkopf angegriffen ist / welche Bereiche befallen sind.

Der Arzt kann im Röntgenbild nicht nur erkennen, welches Stadium der Erkrankung vorliegt, er kann auch die Prognose abschätzen. So wirkt sich beispielsweise ein Hüftkopf, der nach außen verformt ist, eher negativ aus.

Bei Kindern bis zum Alter von etwa vier bis fünf Jahren ist die Prognose bei geeigneter Therapie meist sehr gut, da sie noch über bessere Selbstheilungsmöglichkeiten verfügen als ältere Kinder.

Stellt der Arzt die Diagnose bei einem Kind, das über acht Jahre alt ist und besteht eine ausgeprägte Deformierung mit anhaltender Bewegungseinschränkung, wird das Kind möglicherweise später unter frühzeitigem Hüftgelenkverschleiß leiden. Auch die Form des Hüftkopfes am Ende des Wachstums kann dem Arzt Hinweise darauf geben, welche Auswirkungen Morbus Perthes langfristig haben wird.

Komplikationen

Bei einem ungünstigen Verlauf kann sich der Hüftkopf dauerhaft verformen und zu bleibenden Schäden führen, so etwa zu einer Beinverkürzung und Gelenkschäden. Bei starker Verformung leiden viele Betroffene als Erwachsene unter Gelenkverschleiß (Arthrose) in der Hüfte – meist zeigen sich die ersten Auswirkungen im Laufe des vierten Lebensjahrzehnts.

Vorbeugen

Morbus Perthes kann man nicht vorbeugen. Aber: Je früher Morbus Perthes erkannt wird, desto besser sind auch die Aussichten, dass keine bleibenden Schäden zurückbleiben.

Nehmen Sie deshalb erste Hinweise bei Ihrem Kind ernst, so beispielsweise, wenn es über Knie- oder Hüftschmerzen klagt. Ebenfalls hellhörig werden sollten Eltern, wenn das Kind ohne ersichtlichen Grund hinkt, insbesondere nach Belastung.