Wann braucht man eine Auslandskrankenversicherung?

Von: Onmeda-Redaktion, Till von Bracht (Medizinredakteur, M.A. Sportwissenschaften)
Letzte Aktualisierung: 29.11.2021

Jeder fünfte Urlauber ist auf Reisen schon einmal krank geworden. Wann reicht die Krankenversicherung und wann sollte man eine Auslandskrankenversicherung abschließen?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Wann braucht man eine Auslandskrankenversicherung?

Wer verschwendet in seiner Urlaubsvorfreude schon einen Gedanken an eine Auslandskrankenversicherung? Wer sich auf den Urlaub freut, denkt meist nicht daran, dass er auf Reisen möglicherweise ärztliche Hilfe braucht. Dabei wäre die Sorge vor einer Erkrankung im Urlaub durchaus berechtigt. Bei einer von TNS Infratest durchgeführten Umfrage gab jeder Fünfte an, während seines Auslandsurlaubs schon mindestens einmal krank gewesen zu sein oder einen Unfall erlitten zu haben. Starke Sonnenbrände, Erkältungen, Durchfälle, Allergien und Hautverletzungen gehören zu den häufigsten Gründen für einen Arzt- oder Krankenhausbesuch.

Grundsätzlich gilt: In Staaten der Europäischen Union und in der Schweiz braucht man nicht unbedingt eine besondere Auslandskrankenversicherung. Hier können Betroffene mit der Europäischen Krankenversicherungskarte direkt Arzt, Krankenhaus oder andere sogenannte Leistungserbringer aufsuchen. Der EU-Ausweis befindet sich oft auf der Rückseite der normalen Krankenversicherungskarte. Wenn nicht, sollten Versicherte vor Beginn der Reise diese Karte oder einen sogenannten Anspruchsschein bei ihrer Kasse besorgen. Mit der Türkei, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Bosnien Herzegowina, Kroatien oder auch Tunesien gibt es dagegen für kranke Reisende ein Sozialversicherungsabkommen. Dort gilt dann der Auslandskrankenschein, der ebenfalls vor Reiseantritt von der Kasse ausgestellt wird.

Odyssee ohne Auslandskrankenversicherung

Wer in diesen Ländern, in einem EU-Staat oder der Schweiz erkrankt, hat im Prinzip zwar Anspruch auf die Leistungen, die das Sozialsystem dort vorsieht. In der Praxis aber kann das zu einer verwirrenden Odyssee durch die Gesundheitsbürokratie des Gastlandes führen — etwa in der Türkei. So hilft nur eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung, nicht aber die Europäische Krankenversicherungskarte oder der Auslandskrankenschein bei einer Behandlung durch einen Privatarzt.

Dessen sind sich die Urlauber nicht immer bewusst, sagt Mareke Kortmann vom Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Kiel. Bei einer Gallenkolik oder einem Beinbruch wird die nächstbeste Klinik oder ein Arzt aufgesucht, egal, ob man zuvor eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen hat. Im guten Glauben legen die Patienten ihre Versicherungskarte vor und sind erstaunt, wenn sie nach der Behandlung eine Rechnung bekommen. Wieder heimgekehrt komme die böse Überraschung. Oft zahlt die Krankenkasse höchstens den Betrag, den sie in Deutschland zahlen würde. Das ist aber, so Kortmann, häufig nur ein Bruchteil dessen, was auf der Rechnung steht. Bei einem Krankenhausaufenthalt kämen schnell einige Tausend Euro zusammen.

Wer sich bei der Reise auf die Leistungen seiner deutschen Kasse verlassen will, tut gut daran, entsprechende Merkblätter der Kassen ins Handgepäck zu legen und vorher nach Telefon-Notfallnummern zu fragen. Einige bieten nämlich solche Hotlines für Hilfe suchende Urlauber an.

Rücktransport nur mit Auslandskrankenversicherung

Für Katharina Henrich von der Stiftung Warentest indessen ist klar: Ohne eine Auslandskrankenversicherung sollte niemand verreisen.. Bei ihrer Untersuchung 2012 bekamen von 44 Tarifen sieben die Note Sehr gut und 11 ein Gut (siehe Tabelle). Diese Versicherungen zahlen in vielen Fällen auch den Krankenrücktransport, den deutsche Kassen (auch die meisten privaten) aufgrund einer gesetzlichen Regelung nicht übernehmen dürfen, betont Henrich. Wer in ein außereuropäisches Land ohne Sozialversicherungsabkommen reist, sollte sich ohnehin extra versichern, sonst muss eine Behandlung komplett privat bezahlt werden. Das gilt zum Beispiel bei Reisen in beliebte Urlaubsländer wie Thailand, Ägypten oder die USA.

Die meisten Kassen bieten ihren Versicherten eine Auslandkrankenversicherung in Zusammenarbeit mit Partnern an, die Jahresprämie liegt oft unter zehn Euro. Für Familien gibt es häufig spezielle Angebote von 15 bis 30 Euro. Die meisten Reisekrankenversicherungen sind Jahresverträge, der Begriff täuscht jedoch: Man kann zwar beliebig oft, aber nicht beliebig lange verreisen. Meist sind es nur 42 Tage am Stück, bei der Debeka bis zu 70 Tage. Mehr als die Hälfte der Unternehmen übernehmen den Rücktransport schon dann, wenn die Behandlung im Krankenhaus voraussichtlich mehr als 14 Tage dauert. Der Schutz gilt, solange das Auswärtige Amt keine klare Reisewarnung für das Urlaubsland ausgesprochen hat.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Problemen. Strittig ist häufig, wann ein Rücktransport aus dem Urlaubsland medizinisch notwendig ist. Dazu befand das Amtsgericht Stuttgart, dass allein die Erwartung, der Urlauber werde zu Hause in vertrauter Umgebung schneller genesen, die Versicherung nicht zur Kostenübernahme verpflichte (Az.: 1 C 9977/96). Weigert sich die Krankenversicherung zu Unrecht, die Transportkosten zu übernehmen, kann der Kunde aber nach einer Entscheidung des Landgerichts München sogar Anspruch auf Schmerzensgeld haben (Az.: 6 S 20960/06).

Auf Notrufdienst der Versicherung achten

Verbraucherschützerin Henrich empfiehlt deshalb, unbedingt das Kleingedruckte in den Vertragsbedingungen zu lesen. Wichtig ist auch, ob der Anbieter einer Auslandskrankenversicherer einen Notruf betreibt, der Reisende bei der Arztsuche im Urlaubsland unterstützt. Henrich: "Bei unserem Test konnten nur drei von zehn Notrufdienstleistern ein nur 15 Kilometer entferntes Gesundheitszentrum auf der Insel San Miguel benennen."