Das Bild zeigt ein Kleinkind bei einer Untersuchung.
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Invagination, Darmverschluss bei Kleinkindern

Von: Onmeda-Redaktion, Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 24.10.2022

Eine Invagination ist eine Einstülpung eines Darmabschnitts. Bei einer Invagination kann der Darminhalt nicht mehr ungehindert passieren und staut sich – ein Darmverschluss kann die Folge sein (Ileus).

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Überblick

Eine Invagination und ein damit verbundener Darmverschluss tritt vor allem bei Kleinkindern unter drei Jahren auf, insbesondere im ersten Lebensjahr. Der Darmverschluss macht sich dabei relativ plötzlich bemerkbar.

Typische Symptome einer Invagination mit Darmverschluss sind:

Im fortgeschrittenen Stadium des Darmverschlusses geht mit dem Stuhlgang Blut oder blutiger Schleim ab. Das Kind schreit oder weint häufig und wirkt ängstlich und angespannt.

Eine Invagination zählt zu den häufigsten Ursachen für einen mechanischen Darmverschluss bei Säuglingen und Kleinkindern.

Ein Darmverschluss vor muss unverzüglich im nächsten Krankenhaus behandelt werden. Zur Diagnose tastet der Arzt zunächst den Bauch des Kindes vorsichtig ab. Eine Invagination kann er so häufig bereits ertasten. Eine Ultraschalluntersuchung des Bauchs hilft ihm, die Einstülpung des Darms deutlich zu erkennen.

Im Frühstadium kann der Arzt die Invagination oft ohne einen chirurgischen Eingriff lösen. Gelingt dies nicht oder ist der Darmverschluss schon fortgeschritten, ist eine Operation unumgänglich, um die Invagination zu beseitigen. Dabei legt der Chirurg den eingestülpten Darm in seine ursprüngliche Position zurück.

Bei einem Darmverschluss ist die Verdauung blockiert – Verdauungsbrei staut sich auf und schädigt die Darmwand. Treten Bakterien aus dem Darm in den Bauchraum über, kann sich unter anderem eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung (Peritonitis) entwickeln. Auch ist der Dickdarm dafür zuständig, dem Verdauungsbrei Flüssigkeit zu entziehen und ins Blut zu überführen. Beim Darmverschluss kann der Darm diese Aufgabe nicht mehr entsprechend erfüllen – Austrocknung (Exsikkose) und Kreislaufversagen können mögliche Folgen sein.

Ohne eine entsprechende Behandlung kann eine Invagination mit Darmverschluss tödlich enden. Daher ist ein schnelles Eingreifen sehr wichtig!

Definition

Eine Invagination ist eine plötzlich auftretende Einstülpung des Darms, die zu einem Darmverschluss führen kann. Bei einem Darmverschluss kann der Darminhalt den Verdauungstrakt nicht weiter passieren. In den meisten Fällen tritt eine Invagination am letzten Abschnitt des Dünndarms auf, der sich in den Blinddarm oder in den aufsteigenden Dickdarm stülpt.

Häufigkeit

In 8 von 10 Fällen tritt eine Invagination innerhalb des ersten Lebensjahres auf. Etwa 6 bis 10 von 1.000 Kindern sind im ersten Lebensjahr davon betroffen. Bei Säuglingen in den ersten drei Lebensmonaten sowie bei Kindern nach dem dritten Geburtstag kommt ein Darmverschluss durch Invagination nur sehr selten vor.

Ursachen

Ein Darmverschluss (Ileus) bei Kleinkindern kann verschiedene Ursachen haben – eine davon ist die Invagination, die Einstülpung des Darms. Ein Darmverschluss ist also keine eigenständige Erkrankung, sondern eine unspezifische Reaktion des Magen-Darm-Trakts auf verschiedenste Störungen. Zu möglichen Ursachen einer Invagination zählen zum Beispiel:

  • Infektionen des Darms: Infekte können zur Vergrößerung bestimmter Lymphfollikel im Darm führen (sog. Peyer-Plaques). Eine Magen-Darm-Grippe (Gastroenteritis) kann eine Darmverschlingung oder eine Invagination auslösen, weil der Darm sich dabei deutlich stärker bewegt als sonst.
  • Darmausstülpungen (sog. Meckel-Divertikel), Polypen
  • Tumoren

Selten sind angeborene Anomalien der Darmentwicklung (Malrotation) die Ursachen für einen Darmverschluss bei Kleinkindern.

Bei einem Darmverschluss durch Invagination wird durch die normale Darmbewegung das eingestülpte Darmstück, das sogenannte Invaginat, noch weiter nach vorne geschoben und damit vergrößert. Dadurch knicken die Blutgefäße, die den Darm versorgen, ab und können die Darmwand nicht mehr ausreichend durchbluten – das betroffene Gewebe erhält zu wenig Sauerstoff (Ischämie). Andererseits kann das Blut dann nicht mehr ungehindert abfließen, das Venenblut staut sich auf, was mitunter zu Blutungen der Darmschleimhaut führt.

Symptome

Eine Invagination, also eine Ausstülpung des Darms, kann zu einem Darmverschluss führen. Typische Symptome sind plötzlich auftretende heftige, kolikartige Bauchschmerzen. Die Kinder krümmen sich vor Schmerzen und nehmen eine Schonhaltung mit angezogenen Beinen an. Oft schreien sie ununterbrochen.

Meist erbrechen Kinder mit einem Darmverschluss zuerst den Mageninhalt, später Gallenflüssigkeit. Die Haut ist von kaltem Schweiß bedeckt, sie sind blass und ängstlich. Anfangs können die Schmerzattacken wehenartig auftreten, also in einem wellenförmigen Verlauf. Die Kinder wirken dann zeitweise beschwerdefrei.

Die Schmerzen beim Darmverschluss können zeitweilig so stark sein, dass das Kind neben Erbrechen auch die Symptome eines Schocks zeigt. Während der Stuhlgang anfangs noch normal ist, tritt im weiteren Verlauf ein blutiger, himbeergeleeartiger Schleim aus dem After aus.

Durch die aufgeblähten Darmschlingen beim Darmverschluss wirkt der Bauch aufgetrieben. In einigen Fällen kann der Arzt einen Teil der Darmeinstülpung durch die Bauchdecke ertasten.

Diagnose

Vermutet der Arzt, dass ein Kleinkind eine Invagination und einen damit verbundenen Darmverschluss hat, der möglicherweise durch eine Invagination entstanden ist, erfragt er zunächst Einzelheiten zur Krankengeschichte (Anamnese). Dabei erkundigt er sich besonders nach dem Verlauf der Symptome und Schmerzen – charakteristisch sind abwechselnd schmerzhafte und schmerzfreie Phasen. Die geschilderten Symptome sind meist typisch und ergeben so bereits den Verdacht auf eine Invagination und einen dadurch verursachten Darmverschluss. Bei der anschließenden körperlichen Untersuchung kann der Arzt das betroffene Darmstück häufig ähnlich einer Walze im Unterbauch ertasten. Zudem kann er zu Beginn des Darmverschlusses beim Abhören in vielen Fällen charakteristische Darmgeräusche hören.

Nach der Austastung des Enddarms über den After zeigt sich oft blutiger Schleim am Untersuchungshandschuh. Außerdem kann der Arzt manchmal die äußerste Spitze des Invaginats – also des eingestülpten Darmstücks – fühlen.

Bei einem Darmverschluss durch Invagination gelingt eine eindeutige Diagnose in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung, nur in seltenen Fällen kommt noch eine Röntgenaufnahme mithilfe eines Kontrastmittels zum Einsatz.

Therapie

Hat eine Einstülpung des Darms (Invagination) zum Darmverschluss geführt, können verschiedene Therapiemaßnahmen zum Einsatz kommen. Zunächst kann der Arzt versuchen, die Invagination von außen zu lösen, also ohne eine Operation. Dabei versucht er, den eingestülpten Darmteil durch Druck wieder in die normale Position zu bringen. Dies kann zum Beispiel mithilfe der sogenannten hydrostatischen Reposition gelingen. Dabei wird eine Kochsalzlösung als Einlauf in den Darm verabreicht. Im günstigen Fall kann sich dadurch der eingestülpte Darm durch den Druck der Flüssigkeit, die für den Einlauf verwendet wird, zurückschieben. Im Ultraschall prüft der Arzt, ob das Verfahren erfolgreich war.

Eine alternative Therapie ist die sogenannte pneumatische Reposition: Dabei wird Luft über ein rektal eingeführtes ein Rohr in den Darm geblasen.

Gelingt es dem Arzt nicht, die Invagination von außen zu lösen oder ist der Darmverschluss schon weiter fortgeschritten, ist eine Operation notwendig. Nur dadurch kann der Arzt letztlich vermeiden, dass das schlecht durchblutete Darmstück abstirbt. In der Regel muss der Chirurg einen Schnitt durch die Bauchdecke machen und den Darm wieder in seine Ursprungsposition bringen. Unter bestimmten Umständen ist aber auch eine sogenannte Laparoskopie (Bauchspiegelung) möglich, also eine Operation durch eine ganz kleine Öffnung in der Bauchdecke. Meistens bleibt der Darm bei der Operation vollständig erhalten. Ist der Darmverschluss bereits fortgeschritten und der Darm geschädigt, muss der Arzt das eingestülpte Darmstück jedoch entfernen (sog. Darmresektion).

Verlauf

Bei einem Darmverschluss bei Kleinkindern, der durch eine Invagination entstanden ist, ist der Verlauf und damit die Prognose meist gut, wenn die Darmeinstülpung rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Bei 5 bis 15 von 100 Patienten tritt die Invagination jedoch erneut auf.

Jedes Therapieverfahren birgt auch Risiken. So besteht etwa bei dem Versuch, die Invagination durch Druck zu lösen, die Gefahr einer Darmperforation (in bis zu 1,4 von 100 Fällen).

Besteht die Invagination über längere Zeit, können Darmschlingen absterben, weil sie nicht mehr ausreichend durchblutet werden. Treten bei einem Darmverschluss bei Kleinkindern Bakterien aus dem Darm in das umliegende Gewebe über, ist eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) eine mögliche Komplikation, die sich auf den Verlauf negativ auswirken kann.

Wie beim Blinddarmdurchbruch verschlechtert sich bei einem Darmverschluss innerhalb kurzer Zeit der Zustand des Kindes. Ohne rechtzeitige Behandlung nimmt ein Darmverschluss bei Kleinkindern einen lebensgefährlichen Verlauf.