Von straffer Männerbrust zu Körbchengröße B
In Deutschland haben mehr als die Hälfte der Männer mit einer Vergrößerung der Brust zu kämpfen. Ursachen dafür gibt es viele und oft muss die wachsende Männerbrust ärztlich behandelt werden.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Von straffer Männerbrust zu Körbchengröße B
Was für Frauen als Schönheitsideal gilt, ist für Männer ein Auslöser für Scham. Eine Männerbrust sollte schließlich durchtrainiert sein und nicht unnatürlich groß werden. Je nach Alter leidet dem Hamburger Institut für Männergesundheit zufolge etwa die Hälfte der männlichen Deutschen unter einer Vergrößerung der Brust. Die Veränderung kann ihre Ursachen in Nebenwirkungen von Medikamenten haben, eine Folge von Übergewicht sein, aber auch ein Symptom für eine Vielzahl von Krankheiten. Die vermehrte Bildung des Drüsengewebes wird als Gynäkomastie bezeichnet.
Während bei der sogenannten normalen Gynäkomastie die Ursachen in Hormonschwankungen bei Neugeborenen, Pubertierenden oder Älteren sowie in übermäßiger Ernährung liegen, ist die krankhafte Gynäkomastie meist auf ernstere Auslöser bis hin zum Tumor zurückzuführen. Deshalb raten Experten, bei einer vergrößerten Männerbrust spätestens im Erwachsenenalter und bei ungleichmäßiger Ausprägung einen Urologen oder Brustspezialisten aufzusuchen.
Psychische Belastung und physische Beschwerden
Schließlich entfallen ein Prozent aller Brustkrebserkrankungen auf Männer. Vier bis fünf Fälle pro Jahr sieht auch Professor Andree Faridi am Vivantes Klinikum Am Urban in Berlin. Der Gynäkologe und Chefarzt des Zentrums für Brusterkrankungen ist spezialisiert auf die Behandlung und operative Verkleinerung der Männerbrust. Seiner Erfahrung nach sind sogar bis zu zwei Drittel der männlichen Deutschen im Alter über 50 von dieser Veränderung betroffen. Sie leiden ebenso wie die jüngeren vor allem unter der psychischen Belastung und manchmal auch unter physischen Beschwerden wie einem Spannungsgefühl in der Brust oder einer erhöhten Berührungsempfindlichkeit.
Die Auslöser für das verstärkte Wachstum der Brustdrüsen sind dem Berliner Chefarzt zufolge verschieden. Vor allem bei Jugendlichen und bei älter Werdenden kann eine Mehr-Produktion der Östrogene diese Veränderung hervorrufen (siehe Infobox). Denn gerade das Gewebe der Männerbrust reagiert auf das weibliche Geschlechtshormon. So kann etwa eine Hormonbehandlung infolge der Behandlung eines Prostatakarzinoms oder ein östrogenproduzierender Hodentumor die Brüste beim Mann wachsen lassen.
Auch der Hopfen im Bier enthält Östrogene
Auch in der Ernährung liegt demnach eine häufige Ursache für das Drüsenwachstum. Nicht nur das Wieviel beim Essen ist entscheidend für die Größe der Männerbrust. Hormonbehandeltes Fleisch, jede Art von Testosteron oder Anabolika zur Unterstützung des sportlichen Muskelaufbaus steigern den Östrogenhaushalt. Auch der übermäßige Genuss Bier wird für die wachsende Oberweite verantwortlich gemacht. Denn die für den Brauvorgang verwendeten Hopfenblüten enthalten Phytoöstrogene, die den Hormonhaushalt beeinflussen sollen. "Der klassische Biertrinker hat meistens nicht nur einen Bauch, sondern auch besonders ausgeprägte Brüste", so Faridis Erfahrung.
Besonders in den Nebenwirkungen zahlreicher Medikamente gegen bestimmte Beschwerden oder Krankheiten sieht der Chefarzt eine häufige weitere Ursache für eine Männerbrust. Dazu gehören Säureblocker, Neuroleptika, Blutdrucksenker, Beta-Blocker, Medikamente gegen Aids und Präparate für nicht hormonell behandelte Prostatakrebs-Patienten. Auch Konsumenten von Heroin, Hasch, übermäßig viel Zigaretten und Alkohol zählt Faridi zur Risikogruppe.
Operationen der Männerbrust gelten als Wachstumsmarkt
Nicht bei jedem Betroffenen gelingt es, die Drüsenvergrößerung durch das Absetzen der Medikamente oder eine Änderung der Lebensweise wieder rückgängig zu machen. Wer sich auf lange Sicht nicht mit einer unnatürlich große Männerbrust abfinden will, dem bleibt nur ein korrigierender Eingriff beim Facharzt: eine Fettabsaugung oder eine Brustverkleinerung, die inzwischen aber beinahe ohne sichtbar bleibende Narben vollzogen werden kann. Die OP gilt mittlerweile als Wachstumsmarkt. In Großbritannien ist sie nach Angaben der Britischen Vereinigung der Ästhetischen Chirurgie der am schnellsten wachsende Bereich der Schönheitschirurgie.
"Eine Operation sollte der Risiken wegen dennoch die letzte Option einer Behandlung sein", appelliert auch der ärztliche Direktor der Hamburger Klinik Pöseldorf Holger Fuchs. Dennoch weiß der Facharzt für plastische ästhetische und rekonstruktive Chirurgie, wie hoch der Leidensdruck bei betroffenen Männern sein kann. Nicht selten erlebt er in seiner Klinik "schlanke Männer mit Körbchengröße B". Im Alltag würden sie sich ähnlich wie Frauen mit sehr großen oder sehr kleinen Brüsten oft unter zu weiter Kleidung verstecken. "Männer können Tausend Ausreden finden, warum sie von ihrer Partnerin nicht anfassen lassen oder am Strand ihr T-Shirt nicht ausziehen wollen", sagt Fuchs über die enorme Tabuisierung des Themas Männerbrust selbst unter Männern. "Eine Brust gilt als Verweiblichung. Deshalb mögen sie nicht darüber sprechen."
Übrigens: Ob die Auslöser für das Wachstum der Brustdrüsen von Männern denn auch bei Frauen wirken, kann Chefarzt Faridi nicht sagen. Das habe bisher schlicht noch niemand untersucht.