Ein Arzt zeigt einem Patienten das Röntgenbild seiner Lunge.
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Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Symptome und Lebenserwartung

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 01.07.2025

Ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist eine erbliche Erkrankung, bei der der Körper ein wichtiges Schutzprotein nicht richtig bilden kann. Vor allem die Lunge, seltener auch die Leber, kann dadurch geschädigt werden. Welche Symptome sind erste Warnzeichen – und wie wirkt sich der Gendefekt auf die Lebenserwartung aus?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Bei der Erbkrankheit wird zu wenig oder fehlerhaftes Alpha-1-Antitrypsin – ein schützendes Eiweiß – gebildet. In der Folge kann es zu Schäden an der Lunge, seltener auch an der Leber kommen.

Die Lebenserwartung ist häufig normal oder nur leicht verkürzt, wenn die Erkrankung frühzeitig diagnostiziert und behandelt wird und Betroffene auf Rauchen verzichten.

Bei einer schweren Ausprägung kann sich das fehlerhaft gebildete Alpha-1-Antitrypsin in der Leber ansammeln. Dadurch sind Reizungen und langfristige Schäden wie eine Leberentzündung oder Leberzirrhose möglich.

Was ist ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel?

Ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (kurz AATM) ist eine erblich bedingte Stoffwechselerkrankung, bei der der Körper nicht ausreichend funktionsfähiges Alpha-1-Antitrypsin (AAT) bildet. Dieses Eiweiß wird vor allem in der Leber produziert und spielt eine wichtige Rolle beim Schutz des Lungengewebes: Es hemmt sogenannte Proteasen wie die Neutrophilen-Elastase, die bei Entzündungsprozessen freigesetzt werden und ansonsten das empfindliche Gewebe der Lunge angreifen würden.

Bei einem Mangel an Alpha-1-Antitrypsin fehlt dieser natürliche Schutz. In der Folge kann es zu einer fortschreitenden Zerstörung der Lungenstruktur kommen. Langfristig entstehen dadurch chronische Lungenerkrankungen. Gleichzeitig kann die Erkrankung auch die Leber schädigen.

Häufigkeit

Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zählt zu den häufigsten genetisch bedingten Stoffwechselstörungen in Europa, wird aber oft erst spät oder gar nicht diagnostiziert. In Deutschland sind schätzungsweise rund 12.000 Menschen betroffen. Frauen und Männer erkranken gleichermaßen oft. 

Welche Symptome sind bei einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel typisch?

Die Symptome variieren je nach betroffenem Organ und können in unterschiedlichen Lebensphasen auftreten.

Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Mögliche Symptome der Lunge

Die häufigste Folge des AATM in der Lunge ist die Entwicklung einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und eines Lungenemphysems. Typische Anzeichen sind:

  • Atemnot (Dyspnoe), zunächst bei körperlicher Anstrengung, später auch in Ruhe
  • chronischer Husten, oft mit Auswurf
  • pfeifende oder keuchende Atmung (Giemen)
  • häufige Atemwegsinfektionen, z. B. Bronchitis

Diese Krankheitszeichen treten meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf, können jedoch bei Raucher*innen oder Personen mit anderen Risikofaktoren früher beginnen. In einigen Fällen kann es auch zu Bronchiektasen kommen. Darunter verstehen Fachleute eine dauerhafte Erweiterung der Bronchien, die mit chronischem Husten und Auswurf einhergeht.

Lebererkrankungen durch AATM

Die Leber ist der Produktionsort von Alpha-1-Antitrypsin. Bei AATM können sich fehlerhaft gefaltete Proteine in den Leberzellen ansammeln und zu Leberschäden führen. Mögliche Beschwerden und Komplikationen sind dann:

  • Gelbsucht (Ikterus), insbesondere bei Neugeborenen
  • chronische Hepatitis
  • Leberzirrhose, die sich im späteren Leben entwickeln kann
  • Leberkrebs (in fortgeschrittenen Stadien)

Lebererkrankungen können bereits im Kindesalter auftreten. Da die Symptome jedoch oft unspezifisch sind, bleiben Leberschäden oft lange unbemerkt.

Weitere mögliche Symptome bei einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel:

In seltenen Fällen kann sich die Genmutation auch auf andere Organe außerhalb von Lunge und Leber auswirken. Dann können unter anderem folgende Beschwerden auftreten:

  • Hautveränderungen (Pannikulitis): schmerzhafte, rötlich-knotige Entzündungen im Unterhautfettgewebe

  • Gefäßentzündungen (Vaskulitiden): entzündliche Prozesse, die verschiedene Organe schädigen können

  • Nierenerkrankungen: z. B. Glomerulonephritis, eine Entzündung der Nierenkörperchen

Solche Beschwerden sind zwar selten, können aber in Einzelfällen mit einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel zusammenhängen – deshalb sollten sie ärztlich genauer abgeklärt werden.

Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Was sind die Ursachen?

AATM ist genetisch bedingt: Ursächlich ist eine Veränderung im Erbgut, die durch Mutationen die Bauanleitung für das Eiweiß AAT umwandeln. 

Diese Veränderung führt dazu, dass 

  • das Protein entweder in zu geringer Menge oder 
  • in einer fehlerhaften Form produziert wird. 

In beiden Fällen kann AAT seine Schutzfunktion im Körper nicht ausreichend erfüllen.

Der Gendefekt wird autosomal-rezessiv vererbt. Das bedeutet: Eine Person erkrankt nur dann an der schweren Form, wenn sie die genetische Veränderung von beiden Elternteilen erbt. In diesem Fall spricht man von einer homozygoten Form. Vererbt nur ein Elternteil das veränderte Gen, liegt eine heterozygote Form vor – dabei ist der AAT-Spiegel zwar leicht verringert, in der Regel treten aber keine oder nur milde Symptome auf.

Genvarianten beim Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Es gibt verschiedene Varianten (sogenannte Allele) des Gens, die für die Bildung von Alpha-1-Antitrypsin verantwortlich sind. Jeder Mensch trägt zwei Kopien dieses Gens in sich – eine von jedem Elternteil. Welche Kombination vorliegt, bestimmt, ob und in welchem Ausmaß ein AAT-Mangel entsteht.

Die häufigsten Genvarianten sind:

  • Pi*M – die normale, gesunde Variante
  • Pi*S – eine mild veränderte Variante mit leicht verminderter AAT-Produktion
  • Pi*Z – die häufigste krankmachende Variante, bei der die AAT-Produktion stark eingeschränkt ist

Je nachdem, welche zwei Varianten eine Person besitzt, kann sich der Schweregrad der Erkrankung deutlich unterscheiden. Besonders die Kombination Pi*ZZ ist mit einem stark erhöhten Risiko für Lungen- und/oder Lebererkrankungen verbunden. 

Wie wird ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel diagnostiziert?

Der Verdacht auf einen AATM ergibt sich häufig zunächst aus körperlichen Beschwerden, zum Beispiel chronischem Husten, Atemnot oder auffälligen Leberwerten. Sicher nachweisen lässt sich die Erkrankung aber erst durch eine Blutuntersuchung, bei der die Konzentration des Eiweißes im Blut gemessen wird.

Körperliche Untersuchung

Eine körperliche Untersuchung ist oft der erste Schritt, wenn Patient*innen wegen unklarer Beschwerden an Lunge oder Leber ärztlichen Rat suchen. Zu den typischen Untersuchungsschritten gehören:

  • Abhören der Lunge
  • Abklopfen des Brustkorbs
  • Inspektion von Haut und Schleimhäuten
  • Abtasten des Oberbauchs (Palpation)

Blutuntersuchung

Die Messung des Alpha-1-Antitrypsin-Wertes im Blut ist die wichtigste Grundlage zur Diagnostik eines AATM. Normalwerte liegen bei gesunden Personen etwa zwischen 150 und 350 Milligramm pro Deziliter (mg/dl). 

Bei Menschen mit AATM können folgende Werte auftreten:

  • < 50 mg/dl: deutlicher Hinweis auf einen schweren AATM (z. B. bei Pi*ZZ)
  • 50-120 mg/dl: Bereich mit erhöhtem Risiko, je nach Genvariante
  • > 120 mg/dl: meist unauffällig oder heterozygote Träger

Genetische Untersuchung

Bei auffälligen Laborwerten werden oft zusätzlich eine Phänotypisierung (Eiweißtypisierung) oder eine Genotypisierung (Gentest) durchgeführt. Mithilfe dieser Untersuchungen lässt sich bestimmen, welche Genvarianten vorliegen und ob es sich um eine homozygote (schwere) oder heterozygote (milde oder asymptomatische) Form handelt. 

Die häufigsten Befunde sind PiZZ, PiSZ, PiMZ oder PiMS. Diese Geninformation ist wichtig für die Prognose, die Auswahl geeigneter Behandlungsmethoden und die gezielte Testung von Angehörigen.

Bildgebende Verfahren zur Beurteilung von Folgeschäden

Bildgebende Untersuchungen werden eingesetzt, um mögliche Schäden an Lunge und Leber zu erkennen, die infolge der Krankheit entstanden sind.

  • Röntgen oder Computertomographie (CT) des Brustkorbs: zeigen Hinweise auf Lungenemphysem, z. B. abgeflachte Zwerchfelle oder überblähte Lungenfelder

  • Spirometrie (Lungenfunktionstest): erfasst eine mögliche Atemflussbehinderung (obstruktive Störung)

  • Ultraschall des Oberbauchs: prüft Lebergröße und -struktur

  • Leberelastographie: misst die Lebersteifigkeit, um eine Fibrose oder Zirrhose auszuschließen

  • Leberbiopsie: Gewebeprobe der Leber, wird nur bei unklaren oder schweren Befunden durchgeführt

Wie wird ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel behandelt?

Ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist nicht heilbar – doch mit der richtigen Behandlung lassen sich Beschwerden lindern, das Fortschreiten der Erkrankung bremsen und Folgeerkrankungen vermeiden. Die Therapie besteht aus mehreren Bausteinen, die individuell an den Gesundheitszustand der betroffenen Person angepasst werden.

Allgemeine Maßnahmen

Unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung sind folgende Maßnahmen wichtig:

  • Rauchstopp: Rauchen beschleunigt die Lungenschädigung erheblich und sollte unbedingt dauerhaft vermieden werden.

  • Impfungen: Schutzimpfungen, z. B. gegen Grippe und Pneumokokken, senken das Risiko für Atemwegsinfekte.

  • körperliche Aktivität: Regelmäßige, angepasste Bewegung und Atemtherapie fördern die Lungenfunktion und das Allgemeinbefinden.

  • frühe Therapie von Infekten: Atemwegsinfekte sollten immer ärztlich untersucht und konsequent behandelt werden, um Komplikationen zu vermeiden.

Ersatztherapie mit Alpha-1-Antitrypsin

Bei bestimmten Patient*innen kann ein AAT-Mangel durch eine sogenannte Substitutionstherapie ausgeglichen werden. Dabei wird Alpha-1-Antitrypsin als Medikament regelmäßig über die Vene (intravenös) verabreicht – meist einmal pro Woche.

Ziel dieser Therapie ist es, den AAT-Spiegel im Blut zu stabilisieren und so das Lungengewebe vor weiteren Schäden zu bewahren.

Ob eine Substitutionstherapie infrage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • schwerer AAT-Mangel (z. B. Genotyp Pi*ZZ): spricht für eine Therapie; bei nur leichter Ausprägung meist nicht empfohlen

  • beginnende Lungenkrankheit (z. B. Emphysem): spricht für eine Behandlung; bei noch normaler Lungenfunktion eher nicht erforderlich

  • Rauchverhalten: Therapie nur sinnvoll bei Nichtraucher*innen oder nach Rauchstopp; bei aktiv rauchenden Personen nicht empfohlen

  • Erkrankungsstadium: bei fortgeschrittener Lungen- oder Lebererkrankung wird meist keine relevante Wirkung mehr erwartet

  • Plasmaprotein-Verträglichkeit: bei bekannten Unverträglichkeiten gegen Eiweiße aus menschlichem Blutplasma keine Anwendung

Organtransplantation bei schweren Fällen

Bei schweren Krankheitsverläufen kann eine Transplantation von Lunge oder Leber notwendig werden – insbesondere dann, wenn andere Therapiemaßnahmen ausgeschöpft und die Organe dauerhaft geschädigt sind.

  • Lungentransplantation: Kann sinnvoll sein, wenn eine schwere Ateminsuffizienz trotz medikamentöser Therapie fortbesteht.

  • Lebertransplantation: Wird bei fortschreitender Leberzirrhose oder Leberkrebs in Betracht gezogen – und kann die Erkrankung dauerhaft heilen, da das neue Organ wieder funktionsfähiges Alpha-1-Antitrypsin produziert.

Ob eine Transplantation infrage kommt, wird individuell gemeinsam mit dem*der Patient*in besprochen und abhängig vom Gesundheitszustand und den Behandlungszielen geplant.

Verlauf und Prognose bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Wie sich ein AATM entwickelt, hängt vor allem von

  • der genetischen Ausprägung,
  • dem Zeitpunkt der Diagnose und
  • individuellen Risikofaktoren ab – insbesondere dem Rauchverhalten.

Während viele Menschen mit einer milden Genvariante (z. B. Pi*MZ oder Pi*MS) in der Regel keine oder nur geringe Beschwerden entwickeln, kann eine schwere Form (z. B. Pi*ZZ) schon im Kindesalter zu Leberproblemen führen – und später zu einer schleichend fortschreitenden Lungenerkrankung.

Lungenschäden im Krankheitsverlauf

Langfristig kann sich ein Lungenemphysem entwickeln – dabei werden die Lungenbläschen (Alveolen) dauerhaft überdehnt und zerstört. Viele Patient*innen erkranken zusätzlich an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) mit zunehmender Atemnot und Leistungsabfall.

Leberschäden im Krankheitsverlauf

Einige Betroffene – vor allem Kinder mit schwerem AATM – zeigen bereits früh Hinweise auf eine Leberbeteiligung. Später können sich eine chronische Leberentzündung, Fibrose oder Leberzirrhose entwickeln. In sehr fortgeschrittenen Fällen steigt das Risiko für Komplikationen wie Gerinnungsstörungen oder Leberkrebs.

Lebenserwartung und Prognose bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Die Lebenserwartung hängt stark vom individuellen Krankheitsverlauf und von begleitenden Risikofaktoren ab. Viele Menschen mit milderen Genvarianten (z. B. Pi*MZ oder Pi*MS) leben beschwerdefrei und erreichen ein normales Lebensalter. Auch bei schwerem Mangel (z. B. Pi*ZZ) ist eine annähernd normale Lebenserwartung möglich – vorausgesetzt, die Erkrankung wird früh erkannt und konsequent behandelt.

Wichtige Faktoren für einen günstigen Verlauf sind:

  • frühe Diagnose und engmaschige Kontrollen: Je früher der AATM erkannt wird, desto besser lassen sich Folgeschäden vermeiden.

  • Verzicht auf Rauchen: Rauchen beschleunigt die Lungenschädigung deutlich – ein vollständiger Rauchstopp ist entscheidend.

  • konsequente Therapie bei Lungen- oder Lebererkrankungen: Eine gut abgestimmte Behandlung und regelmäßige Verlaufskontrollen helfen, Lunge und Leber langfristig zu erhalten.

  • Schutz vor Atemwegsinfekten: Impfungen, Bewegung und Ernährung stärken die Abwehrkräfte.