Aus für Amalgam bei Kindern, Schwangeren und Stillenden
Es ist beschlossene Sache: Amalgam darf als Füllung für Zähne bei schwangeren und stillenden Frauen sowie bei Kindern unter 15 Jahren weitgehend nicht mehr verwendet werden. Hier erfahren Sie, warum.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Aus für Amalgam bei Kindern, Schwangeren und Stillenden
Was ist Amalgam?
Das in der Zahnmedizin verwendete Amalgam ist eine Mischung aus den Metallen Quecksilber, Silber, Kupfer und Zinn. Das Material sieht silbrig-metallisch aus, ist weich und lässt sich leicht formen. Erst wenn es im Zahn ist, härtet es aus.
Wie verbreitet ist Amalgam als Füllung?
In der Zahnmedizin kommt Amalgam praktisch weltweit zum Einsatz – vor allem bei der Kariesbehandlung. Schätzungen zufolge besteht fast jede dritte Zahnfüllung aus Amalgam. Allerdings ist die Verwendung von Amalgamfüllungen in Deutschland seit Jahren rückläufig. Ein Grund hierfür ist, dass die meisten Menschen unauffälligere Zahnfüllungen vorziehen.
Warum das teilweise Aus für die Amalgamfüllung?
Weil Amalgam Quecksilber enthält, das in geringen Mengen aus Zahnfüllungen freigesetzt wird. Darum kamen in Deutschland und anderen Industrieländern immer wieder Diskussionen um die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Amalgam auf.
Wo liegt das Problem mit Quecksilber?
Quecksilber ist hochgiftig. Wer mit diesem Schwermetall (auch in kleinen Mengen) in Kontakt kommt, bekommt unter Umständen schwerwiegende Gesundheitsprobleme. Quecksilber kann das Nervensystem, das Verdauungssystem, das Immunsystem sowie Lungen, Nieren, Haut und Augen schädigen.
Zudem kann Quecksilber die Entwicklung von Kindern im Mutterleib und in der frühen Lebensphase nach der Geburt beeinträchtigen.
Wie giftig Quecksilber ist, zeigte sich in der japanischen Stadt Minamata:
In der Bucht von Minamata entsorgte ein örtlicher Chemiekonzern über viele Jahre Abfälle, die große Mengen Methylquecksilber enthielten. In der Folge erkrankten dort vor allem in den 1950er-Jahren Tausende von Menschen an einer Quecksilbervergiftung – und über 2.000 Menschen starben daran. Ursache war der Verzehr von Fisch und Schalentieren, in denen sich das Schwermetall angereichert hatte.
Ist Quecksilber immer schädlich?
Nein. Ob und in welchem Ausmaß Quecksilber im Körper Schaden anrichtet, hängt vor allem ab von
- der Form des Quecksilbers (elementar/anorganisch/organisch),
- der Quecksilberdosis,
- dem Alter bzw. Entwicklungsstadium der Betroffenen (Föten reagieren am empfindlichsten),
- der Kontaktdauer und
- der Art des Kontakts (Einatmung, Verzehr, Hautkontakt).
Elementares Quecksilber gefährdet die Gesundheit – vor allem, wenn man seine Dämpfe einatmet. Dieses bei Raumtemperatur flüssige Metall steckte früher in vielen Thermometern.
Auch die organische Quecksilberverbindung namens Methylquecksilber ist giftig. Methylquecksilber reichert sich im Körper an. Der Mensch nimmt es hauptsächlich durch den Verzehr von stark belasteten Fischen und Krustentieren auf.
Hingegen ist die organische Quecksilberverbindung namens Ethylquecksilber unschädlich. Der Körper wandelt Ethylquecksilber schnell in anorganisches Quecksilber um, das über den Stuhl ausgeschieden wird. In kleinen Mengen ist Ethylquecksilber zum Beispiel in manchen Impfstoffen als Konservierungsmittel enthalten.
Wie hoch ist die Quecksilberbelastung durch Amalgam?
Durchschnittlich gelangt aus Amalgamfüllungen etwa so viel Quecksilber in den Körper wie über die Nahrung. In Deutschland gelten Amalgam und der Verzehr von belasteten Meerestieren als wichtigste Ursachen für die Quecksilberbelastung der Menschen. Bei den meisten Menschen ist die im Blut oder Urin messbare Konzentration von Quecksilber jedoch so gering, dass kein ernstes Risiko für die Gesundheit besteht.
Trotzdem kann die aufgenommene Menge Quecksilber vereinzelt gesundheitlich bedenklich sein. Zum Beispiel bei Menschen, die besonders häufig Seefisch essen (v.a. bestimmte Raubfische wie Hecht oder Thunfisch). Und auch die Quecksilberfreisetzung aus Amalgamfüllungen kann erhöht sein, wenn
- jemand viele Amalgamfüllungen hat,
- die Amalgamfüllungen große Oberflächen besitzen,
- die Amalgamfüllungen angegriffen sind,
- neben Amalgamfüllungen weitere metallische Zahnfüllungen vorhanden sind, die direkten Kontakt zum Amalgam haben.
Wie kam die neue Amalgam-Verordnung zustande?
Schon seit Längerem sind die Weltgesundheitsorganisation WHO und viele Länder weltweit bestrebt, die Belastung des Menschen durch Quecksilber zu verringern. Das schließt aus Sicherheitsgründen auch die Verwendung von Amalgam in der Zahnmedizin ein.
2009 kamen WHO-Experten jedoch zu dem Schluss, dass ein kurzfristiges globales Verbot von Amalgam Probleme im Gesundheitswesen bereiten würde. Darum entschied man sich stattdessen, einen stufenweisen Ausstieg aus der Amalgamnutzung anzustreben.
Im Jahr 2013 unterzeichneten 90 Staaten, darunter die 28 EU-Mitgliedstaaten, in der japanischen Stadt Minamata die sogenannte Minamata-Konvention. Ziel dieses Übereinkommens ist es, die Nutzung von Quecksilber so weit wie möglich zu verringern.
In der Folge hat das Europäische Parlament die Verwendung von Quecksilber in der Industrie und Medizin stark eingeschränkt. Ab Juli 2018 darf bei Schwangeren und Stillenden sowie bei Kindern unter 15 Jahren Amalgam nur noch in absoluten Ausnahmefällen als Zahnfüllung verwendet werden.
Zudem soll eine Studie bis 2020 prüfen, ob Zahnfüllungen aus Amalgam ab 2030 vollständig verboten werden sollten.
Was ändert sich für Patienten konkret?
Schon seit Jahren kommt Amalgam bei Schwangeren und Stillenden zum Schutz des Kindes kaum noch zum Einsatz. Und auch in folgenden Fällen verzichten Zahnmediziner schon länger weitgehend darauf, Amalgam zur Füllung von Zähnen zu verwenden:
- bei den Behandlung von Milchzähnen,
- wenn im Mund weitere metallische Zahnfüllungen vorhanden sind, die direkt mit der Amalgamfüllung in Kontakt kommen,
- wenn es durch Knötchenflechte zur Entzündungsreaktion im Mund kommt (oraler Lichen ruber planus),
- bei bestehender Niereninsuffizienz und
- bei nachgewiesener Kontaktallergie gegen Amalgam.
Laut den neuen Regeln, die ab Juli 2018 in der Europäischen Union gelten, darf bei schwangeren und stillenden Frauen sowie bei unter 15-Jährigen in der Regel kein Amalgam mehr verwendet werden. Als Alternative muss den Betroffenen, sofern sie gesetzlich versichert sind, eine zuzahlungsfreie Zahnfüllung (z.B. eine Kunststofffüllung) angeboten werden.
Sollte man Füllungen aus Amalgam entfernen lassen?
Beim Entfernen von Amalgamfüllungen kommt es zu einer erhöhten Quecksilberbelastung. Darum sollte man Amalgam nur dann entfernen lassen, wenn es medizinisch notwendig ist – wie bei:
- einer Allergie gegen Amalgam (wenn die Reaktion im Epikutantest positiv war und entsprechende allergische Symptome auftreten) oder
- oralem Lichen ruber planus.
Hingegen sollten Frauen Zahnfüllungen aus Amalgam besser nicht in der Schwangerschaft und Stillzeit entfernen lassen. Wenn es aus zahnmedizinischen Gründen dringend nötig ist, besteht jedoch die Möglichkeit, einzelne Amalgamfüllungen unter entsprechenden Schutzmaßnahmen zu entfernen.