Jodtabletten von junger Frau eingenommen
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Jodtabletten: Wann ist die Einnahme sinnvoll?

Von: Jenni Graf (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 31.03.2022

Jod ermöglicht die Arbeit der Schilddrüse. In der Schwangerschaft und Stillzeit trägt es zur körperlichen und geistigen Entwicklung des Babys bei. Doch nicht jeder Mensch deckt seinen täglichen Bedarf: Was bringen dann Jodtabletten? Und inwiefern kann die Einnahme bei einem Reaktorunfall helfen?

Welche Jodtabletten gibt es?

Grundsätzlich stehen zwei verschiedene Arten von Jodtabletten zur Verfügung: Mittel, die dabei unterstützen, den täglichen Bedarf an Jod zu decken, und Medikamente, die im Rahmen eines Reaktorunfalls als Schutzmaßnahme zum Einsatz kommen. Mediziner*innen entscheiden im individuellen Fall, welches Präparat in welcher Dosierung geeignet ist.

Jod – was ist das?

Bei Jod handelt es sich um ein lebensnotwendiges Spurenelement, das der Organismus nicht selbst herstellen kann. Vor allem für die Schilddrüse spielt es eine essenzielle Rolle: Die Hormondrüse setzt das Spurenelement in die Botenstoffe Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) um. Beide regulieren unzählige Stoffwechselvorgänge – von der Körpertemperatur über den Puls und Blutdruck bis hin zur Verwertung der Nahrung.

Jodtabletten zur ausreichenden Versorgung mit Jod

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. empfiehlt je nach Altersgruppe unterschiedliche Werte für die Zufuhr von Jod. In Deutschland sollten Erwachsene und Jugendliche ab 13 Jahren jeden Tag 200 Mikrogramm Jod zu sich nehmen. Während der Schwangerschaft und Stillzeit steigt der Bedarf deutlich an (auf 230 beziehungsweise 260 Mikrogramm), im Alter sinkt er etwas ab.

Menschen, die ihren täglichen Bedarf an Jod nicht über die Ernährung decken können oder bei denen bereits ein Jodmangel besteht, wird häufig die Einnahme von Jodtabletten empfohlen. Entsprechende Mittel sollen das bestehende Defizit ausgleichen. Denn: Fehlt es dem Organismus an Jod, ist die Schilddrüse nicht dazu in der Lage, genügend Hormone zu produzieren.

Bei schwangeren und stillenden Frauen rückt nicht nur die eigene Versorgung in den Vordergrund, sondern auch die ihres Babys. Sie erhalten Supplemente, um eine normale Entwicklung des Kindes zu unterstützen. Der Jodbedarf ist in beiden Lebensphasen so hoch, dass ihn die meisten Frauen allein über die Ernährung nicht ausgleichen können.

Jodtabletten zur Jodblockade der Schilddrüse

Jodtabletten, die aufgrund eines Reaktorunfalls ausgegeben werden, lassen sich mit herkömmlichen Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten bei Jodmangel nicht vergleichen. Sie enthalten das 100- bis 1.000-fache der normalerweise pro Tag empfohlenen Menge Jod.

Bestimmt sind die Jodtabletten in diesem Fall nicht für einen generellen Schutz vor radioaktiver Strahlung. Sie dienen ausschließlich dazu, die Schilddrüse abzuschirmen: "Normales", stabiles Jod besetzt die dafür vorgesehenen Andockstellen in der Schilddrüse – und blockiert sie für schädliches, radioaktiv verseuchtes Jod. Auf diesem Weg kann die Einnahme spezieller Jodtabletten die Entstehung von strahlungsbedingtem Schilddrüsenkrebs verhindern.

Katastrophenschutzbehörden wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) haben klare Richtlinien aufgestellt, wann und in welchem Umfang Maßnahmen für eine Jodblockade zu ergreifen sind. Sie basieren sowohl auf bisherigen Erfahrungen (zum Beispiel in Tschernobyl und Fukushima) als auch auf einer sorgfältigen Abwägung der Vorteile und Risiken, die sich durch die Gabe von extrem hoch dosiertem Jod ergeben. Jodtabletten, die eine Jodblockade erzielen, sind nicht frei in Drogerien oder Apotheken erhältlich.

Wann empfiehlt sich die Einnahme von Jodtabletten?

Die genauen Empfehlungen, wie und wann Jodtabletten eingenommen werden sollten, variieren abhängig von ihrem Zweck. Bestehen Unsicherheiten, können sich Betroffene an ihre Apotheke oder Arztpraxis wenden und dort Rücksprache halten. Generell gilt: Tabletten mit Jodid, die die Jodversorgung unterstützen oder bei einem Mangel vorgesehen sind, eignen sich nicht für eine Jodblockade – und umgekehrt. Hier kommen jeweils völlig unterschiedliche Dosierungen zum Einsatz.

Vorbeugung oder Behandlung von Jodmangelzuständen

Nach derzeitigen Schätzungen besteht bei knapp einem Drittel der Deutschen über 18 Jahre die Gefahr, irgendwann im Lauf des Lebens einen Jodmangel zu entwickeln. In der Folge können Probleme mit der Schilddrüse entstehen, die sich zum Beispiel durch ausgeprägte Erschöpfung, Konzentrationsprobleme oder äußerlich sichtbare Anzeichen wie eine Struma  (auch: Kropf) zu erkennen geben. Häufig bleibt eine Unterversorgung anfangs unentdeckt: Sie entfaltet sich allmählich und so schleichend, dass sie zu Beginn weder vom Betroffenen selbst noch von seinem Umfeld wahrgenommen wird.

Besteht der Verdacht auf einen Jodmangel, ist eine Blutuntersuchung ratsam, um genaue Aussagen über die Versorgung treffen zu können. Bestätigt die Analyse einen unausgeglichenen Bedarf, verordnen Mediziner*innen passend dosierte Jodtabletten, die in der Regel einmal täglich eingenommen werden.

 

Jodmangel ausgleichen in Schwangerschaft und Stillzeit

Für Frauen, die sich in der Schwangerschaft oder Stillzeit befinden, gehört die Einnahme von Jodtabletten meist automatisch dazu. Um die individuell notwendige Dosis festzulegen, ist die sogenannte Jodanamnese fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchungen: Über gezielte Fragen zur Ernährung und regelmäßige Bluttests lässt sich der Bedarf exakt ermitteln – und die Supplementierung gezielt steuern.

Schwangere und Stillende können darüber hinaus vermehrtes Augenmerk auf jodhaltige Lebensmittel legen: Besonders reich an Jod sind Meeresfische sowie mit Jod versetztes Speisesalz (sogenanntes Jodsalz). Wegen entsprechender Futterzusätze stellen zunehmend auch Milch, Milchprodukte und Eier relevante Jod-Quellen dar. Über die Ernährung allein ist es allerdings – gerade in der Schwangerschaft und Stillzeit – kaum möglich, genügend Jod für Mutter und Kind aufzunehmen.

 Jodblockade nach einem Reaktorunfall im Kernkraftwerk

Die Richtlinien der Katastrophenschutzbehörden sehen für Reaktorunfälle klare Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor. Die Einnahme von Kaliumjodid dient hier der Vorbeugung von strahlungsbedingtem Schilddrüsenkrebs. Grundsätzlich erhalten im Ernstfall sämtliche Menschen, die durch die Strahlung einer besonderen Gefahr ausgesetzt sind, speziell dosierte Jodtabletten. Dazu zählen:

  • alle Personen, die im betroffenen Atomkraftwerk beschäftigt sind
  • alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland
  • alle schwangeren und stillenden Frauen in Deutschland (unabhängig von ihrem Alter)
  • Menschen bis zu einem Alter von 45 Jahren im Umkreis von 100 Kilometern um das Kernkraftwerk herum

Idealerweise erfolgt die Einnahme kurz bevor radioaktives Jod aufgenommen wird oder so schnell wie möglich nach der Strahlenbelastung. Die zeitliche Grenze liegt hier bei 24 Stunden vor oder nach dem ersten Kontakt mit radioaktivem Jod – außerhalb dieser kritischen Phase bleibt die Anwendung von stabilem Jod wirkungslos.

Für gewöhnlich genügt eine einmalige Jodblockade. Sollte die Strahlenbelastung jedoch anhalten und dadurch die Gefahr weiterhin hoch bleiben, können die Behörden zu einer weiteren Einnahme aufrufen. Sinnvoll ist es daher, im Ernstfall die lokalen und nationalen Nachrichten sowie offizielle Aufforderungen aufmerksam zu verfolgen.

Gut zu wissen: Bei großer Entfernung zum Unfall in einem Kernkraftwerk bleiben Kaliumjodidtabletten ohne positiven Effekt und werden daher nicht empfohlen.

Risiken durch die Einnahme von Jodtabletten

Wie alle Arzneimittel können auch Jodtabletten mit bestimmten Nebenwirkungen einhergehen. Im Fall von frei verkäuflichen Präparaten sind die unerwünschten Begleiterscheinungen in der Regel gering ausgeprägt. Mitunter entwickeln sich Beschwerden wie:

Dennoch sollte die Einnahme nur auf ärztliche Aufforderung hin erfolgen und durch regelmäßige Blutkontrollen überprüft werden.

Tabletten für eine Jodblockade geben Apotheken und Arztpraxen ausschließlich auf Weisung der Katastrophenschutzbehörden aus. Bestimmte Erkrankungen stehen allerdings auch in dieser Notsituation der Einnahme von Jodtabletten entgegen. Vorsicht ist unter anderem geboten bei:

  • bereits bestehendem Schilddrüsenkrebs
  • einer Überempfindlichkeit gegenüber Jod
  • der sehr seltenen Jodallergie
  • der hypokomplementämischen urtikariellen Vaskulitis (einer Entzündung von Blutgefäßen aufgrund einer allergischen Reaktion)
  • Morbus Duhring (einer chronischen Erkrankung mit Entzündungen und Blasenbildung der Haut; auch: Dermatitis herpetiformis Duhring)

Gegebenenfalls können in solchen Fällen andere Medikamente zum Einsatz kommen. Allerdings ist bei ihnen die Gefahr von Nebenwirkungen größer – daher finden alternative Mittel nicht flächendeckend Anwendung.

Für Menschen, die älter sind als 45 Jahre, sehen die Katastrophenschutzbehörden grundsätzlich keine Jodblockade vor. Die Einnahme von hochdosierten Jodtabletten ist in dieser Altersgruppe mit einem wesentlich höheren Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen verbunden. Sie könnte eine ausgeprägte Überfunktion der Schilddrüse in Gang setzen – die von ihr ausgehende Bedrohung ist wesentlich größer als die Wahrscheinlichkeit, strahlungsbedingten Schilddrüsenkrebs zu entwickeln. Einzige Ausnahme sind schwangere oder stillende Frauen über 45.