Haarausfall: Eine Frau steht vor dem Spiegel, ihre Haare fallen aus.
© GettyImages/Sol de Zuasnabar Brebbia

Erblich bedingter Haarausfall bei Frauen

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education), Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 20.12.2022

Erblich bedingter Haarausfall ist bei Frauen die häufigste Form des Haarverlusts. Er muss nicht zwangsläufig behandelt werden. Oft sorgt Haarausfall jedoch für einen hohen Leidensdruck. Was können betroffene Frauen tun, um die sogenannte androgenetische Alopezie zu stoppen? Und ab wann sprechen Fachleute von Haarausfall?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Erblich bedingter Haarausfall bei Frauen: Definition

Der erblich bedingte oder anlagebedingte Haarausfall ist die häufigste Form von Haarausfall: Von 100 Frauen mit Haarausfall lassen sich 95 Fälle auf eine Vererbung zurückführen. Fachleute bezeichnen den erblich bedingten Haarausfall als androgenetische Alopezie oder Alopecia androgenetica.

Bei erblich bedingtem Haarausfall verkleinern sich die Haarfollikel in bestimmten Bereichen der Kopfhaut. Grund sind männliche Geschlechtshormone (Androgene): Ein Ungleichgewicht der männlichen Hormone wie Testosteron kann dazu führen, dass die Haarfollikel sensibel werden und es zu Haarausfall kommt. Haarfollikel sind jene Strukturen, die die Haarwurzel umgeben und das Haar in der Haut verankern.

Die Haare werden kürzer und dünner und fallen schneller aus. An den betroffenen Stellen verbleibt im Laufe der Zeit nur noch ein weicher Flaum aus feinen, kurzen, schwach pigmentierten Haaren.

Erblich bedingter Haarausfall verläuft bei Frauen meist in Schüben. Der Haarschwund schreitet in der Regel nur mäßig schnell voran. Die Zahl der ausfallenden Haare nimmt mit steigendem Alter zu.

Rund 30 bis 40 Prozent aller Frauen sind im Laufe ihres Lebens von androgenetischer Alopezie betroffen. Oft setzt der Haarausfall erst nach den Wechseljahren ein. Manche Frauen entwickeln aber auch schon zwischen 20 und 30 einen deutlich sichtbaren Haarverlust.

Typische Symptome bei erblich bedingtem Haarausfall

Ein gesunder Mensch verliert jeden Tag bis zu 100 Haare. Erst, wenn der Haarverlust darüber hinausgeht, sprechen Fachleute von Haarausfall.

Beim Mann lässt sich erblich bedingter Haarausfall zunächst an den klassischen Geheimratsecken in der Schläfenregion erkennen. Anders bei der Frau:

  • Typisch für den erblich bedingten weiblichen Haarschwund ist, dass die Haare vor allem im Bereich des Mittelscheitels dünner werden.

  • Zudem entstehen bei Frauen nur selten komplett kahle Stellen auf dem Kopf. Der Haarausfall beginnt in der Regel nicht wie bei Männern an Schläfe oder Stirn. Vielmehr werden die Haare insgesamt immer dünner, sodass die Kopfhaut mit der Zeit durchscheint.

  • Eine Glatze ist bei Frauen mit erblich bedingtem Haarausfall eine seltene Ausnahme.

In manchen Fällen wird der Haarausfall durch Symptome wie Hautunreinheiten und einen gesteigerten Talgabfluss begleitet.

Je nachdem, wie weit der Haarschwund vorangeschritten ist, unterteilen Hautärzt*innen die erblich bedingte androgenetische Alopezie bei Frauen in drei Grade (Ludwig-Klassifikation):

  • Grad I: Das Haar wird im Frontalbereich des Kopfes lichter, dadurch entsteht ein verbreiterter Mittelscheitel.
  • Grad II: Die Ausdünnung betrifft auch Flächen neben dem Mittelscheitel (vorn und oben seitlich am Kopf).
  • Grad III: Beim Grad III ist der Haarausfall bereits sehr ausgeprägt (ausgedehnte Bereiche am vorderen und seitlichen Kopf).

Auch ein sogenanntes Tannenbaum-Muster (nach Olsen) kann vorkommen. Die Haare dünnen dabei in der vorderen Scheitelregion stark aus. Weiter in Richtung des Hinterkopfes lässt der Haarverlust spitz zulaufend nach. Diese Form erinnert an die Kontur eines Tannenbaums.

Erblich bedingter Haarausfall bei Frauen: Ursachen

Die genauen Ursachen des erblich bedingten Haarausfalls bei Frauen sind noch nicht abschließend geklärt. Vermutlich sind mehrere Faktoren an der Entstehung beteiligt.

Bei der männlichen Variante des erblichen bedingten Haarausfalls reagieren die Haarfollikel durch eine genetische Veranlagung besonders empfindlich auf männliche Geschlechtshormone (Androgene). Forschende sind sicher, dass auch bei Frauen eine solche genetische Komponente eine Rolle spielt.

Neben einer erhöhten Empfindlichkeit der Haarfollikel kommen weitere mögliche Ursachen beziehungsweise Auslöser für erblich bedingten weiblichen Haarausfall infrage. Dazu zählen zum Beispiel

  • das androgenitale Syndrom, eine Erkrankung, bei der die Hormonbildung in der Nebennierenrinde gestört ist,
  • das polyzystische Ovarialsyndrom (PCO-Syndrom),
  • Tumoren, die Androgene produzieren oder
  • bestimmte Medikamente, etwa Anabolika oder Androgene.

Besonders anfällig für erblich bedingten Haarausfall sind Frauen in den Wechseljahren. In dieser Zeit stellt sich der Körper hormonell um, was den Haarschwund beschleunigen kann. Einige Frauen, die vorher noch über mäßigen, meist kaum sichtbaren Verlust von Haaren geklagt haben, erleben in den Wechseljahren eine Art Haarausfall-Schub.

Wie wird erblicher Haarausfall bei Frauen diagnostiziert?

Bei Haarausfall können Betroffene zunächst die hausärztliche Praxis aufsuchen. Von dort aus erfolgt in der Regel eine Überweisung zu einem*einer Hautarzt*Hautärztin (Dermatologie). Hier wird die betroffene Frau zunächst gefragt,

  • wann der Haarausfall eingesetzt hat,
  • ob Haarausfall in der Familie vorkommt und
  • wie viele Haare pro Tag ausfallen.

Dazu wird die Patientin gebeten, täglich die ausgewaschenen und ausgebürsteten Haare zu zählen. Anschließend erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung und der Haarwurzelstatus (Trichogramm) wird ermittelt. Dazu werden mehrere Haarwurzeln unter einem Lichtmikroskop betrachtet. So kann bestimmt werden, in welchem Entwicklungsstadium sie sich gerade befinden. Normalerweise befinden sich rund 80 Prozent der Haare in der Wachstumsphase – bei einem erblich bedingten Haarausfall sind es deutlich weniger.

Um auszuschließen, dass bestimmte Erkrankungen zu dem Haarausfall führen, werden gegebenenfalls weiterführende Untersuchungen durchgeführt. So wird etwa der Hormonstatus bestimmt.

Wie wird erblich bedingter Haarausfall bei Frauen behandelt?

Aus medizinischer Sicht ist bei androgenetischer Alopezie keine Behandlung notwendig. Allerdings kann erblich bedingter Haarausfall sehr belastend sein. Eine Therapie ist immer dann sinnvoll, wenn die Frau stark unter dem Haarverlust leidet. Hierzu kommen verschiedene Behandlungsansätze infrage.

Minoxodil zum Auftragen

Minoxidil ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der sogenannten Antihypertonika. Er wird äußerlich angewendet, also auf die Kopfhaut aufgetragen. Mehrere Studien belegen die Wirksamkeit von Minoxidil: Bei einem Großteil der Frauen stoppte der Haarausfall, bei etwa jeder zweiten nahm die Haardichte durch die Behandlung wieder zu. Minoxidil für Frauen ist als 2-prozentige Lösung und als 5-prozentiger Schaum rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Für Schwangere und Stillende ist das Arzneimittel nicht geeignet.

Zu möglichen Nebenwirkungen von Minoxidil zählen

  • gerötete Kopfhaut,
  • Schuppung der Kopfhaut,
  • Entzündungsreaktion der Haut (Kontaktekzem) oder
  • verstärkter Haarwuchs im Gesicht (Hypertrichose), vor allem bei Frauen mit dunklem Hauttyp.

Shedding: Verstärker Haarausfall zu Beginn der Minoxidil-Therapie

Minoxidil kann zu einem Effekt führen, der viele Frauen verunsichert: Etwa nach vier bis acht Wochen kann zunächst ein verstärkter Haarschwund auftreten, den Fachleute als Shedding (engl.: das Haaren) bezeichnen. Shedding entsteht, wenn ruhende Haarfollikel wieder aktiv werden. Die nachwachsenden Haare stoßen dann die in der Ruhephase befindlichen Haare aus – die Frau verliert für einen bestimmten Zeitraum vermehrt Haare. Dieser Effekt ist ein Hinweis darauf, dass die Therapie mit Minoxidil wirkt und das Haarwachstum wieder angeregt wird.

Weitere Medikamente

Nur in bestimmten Fällen sind Hormonpräparate mit Gestagenen zum Einnehmen sinnvoll. Sie kommen infrage, wenn die Hormonproduktion nachweislich aus dem Gleichgewicht geraten ist und es zu einem Überschuss männlicher Hormone gekommen ist. Die Präparate erhalten Antiandrogene wie Cyproteronacetat, Dienogest oder Chlormadinonazetat. Antiandrogene hemmen die männlichen Sexualhormone (Androgene). Sie haben auch eine empfängnisverhütende Wirkung.

Gegebenenfalls können auch Lösungen mit dem Wirkstoff 17-alpha-Estradiol (Alfatradiol) zum Einsatz kommen. Allerdings ist die Wirksamkeit bislang nicht ausreichend in Studien belegt.

Umstritten ist die Anwendung des Arzneistoffes Finasterid bei Frauen. Der sogenannte 5-alpha-Reduktasehemmer hemmt die Effekte des männlichen Sexualhormons Testosteron im Körper. Bei Männern kommt er häufig zum Einsatz, für Frauen mit erblich bedingtem Haarausfall ist Finasterid nur in sehr geringen Dosen zugelassen, da bei einer potenziellen Schwangerschaft Fehlentwicklungen des Fötus möglich sind.

Bei starkem Haarausfall: Perücke, Haarteile oder Haartransplantation

Wer unter sehr starkem, fortgeschrittenem Haarschwund leidet, kann auf Perücken oder Haarteile zurückgreifen, um die kahlen Stellen zu verdecken.

Alternativ besteht die Möglichkeit einer Haartransplantation (Haarverpflanzung). Dafür ist ein chirurgischer Eingriff nötig: Die Haare werden samt Haarfollikel im Bereich des Hinterkopfs entnommen und in die kahlen Kopfstellen transplantiert. Der Eingriff funktioniert nur mit den eigenen Haaren, weshalb Fachleute auch von einer Eigenhaartransplantation sprechen.

Vorsicht bei zweifelhaften Produkten

Betroffene sollten stets auf Mittel gegen Haarausfall zurückgreifen, die eine wissenschaftlich erwiesene, am Menschen bestätigte Wirkung aufweisen. Zahlreiche Produkte, die in Drogerien oder Apotheken angeboten werden, enthalten Substanzen und Stoffe, deren Nutzen bei erblich bedingtem Haarausfall nicht erwiesen ist. Dazu zählen zum Beispiel: